Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bäume gegen Armut

Zeitweilige Arbeit für Menschen in Indiens ländlichen Regionen: Neuer Minister kündigt Aufforstungsprojekt entlang zentraler Verbindungsstraßen an

Von Thomas Berger *

Indiens neuer Minister für Straßentransport, Nitin Gadkari, hat einen ehrgeizigen Begrünungsplan. Mit dem will der Politiker der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP), die die Parlamentswahlen im April und Mai gewonnen hatte, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Vorhaben, entlang der nationalen Highways insgesamt zwei Milliarden Bäume zu pflanzen, solle zugleich als Maßnahme für Umweltschutz wie auch zur Beschäftigungssicherung im ländlichen Raum dienen, ließ der Minister Ende vergangener Woche in der Hauptstadt Delhi wissen. Gadkari kündigte an, daß sein Ressort ein entsprechendes Programm für die 100000 Kilometer Highways in seiner Zuständigkeit auflegen wolle – er könne sich zudem einen solchen Schritt in Ergänzung auch sehr gut für Verbindungsstraßen niederer Rangordnung in Trägerschaft der Bundesstaaten vorstellen. Die Umsetzung könnte in Kopplung mit dem »Mahatma Gandhi Nationalen Ländlichen Beschäftigungsgesetz« (NRGEA) erfolgen.

Bei NRGEA handelt es sich um ein 2005 beschlossenes und zum Finanzjahr 2006/07 erstmals aufgelegtes Programm. Kernpunkt ist, mindestens einer Person pro Familie im ländlichen Raum für 100 Tage pro Jahr eine bezahlte Tätigkeit – und damit ein Einkommen zu garantieren. Da es sich bei den zu Fördernden in der Regel um nichtausgebildete Menschen handelt, geht es vor allem um körperliche Arbeit, wie der Mithilfe bei Infrastrukurmaßnahmen (Straßenbau oder das Ausheben von Kanälen etc.). Den Unionsstaaten wird entsprechend ihrer Bevölkerungszahl das Geld für NRGEA zugeteilt. Einige von denen – wie vergangenes Jahr beispielsweise Rajasthan – haben von sich aus die Beschäftigungsgarantie mit zusätzlichen Mitteln von 100 auf 150 Tage aufgestockt. Dennoch gibt es auch immer wieder Fälle, bei denen das zur Verfügung stehende Geld nicht komplett genutzt wird: Es fehlt dann meist an Vorhaben, wo die Menschen zum Einsatz kommen können.

Viele Inder hat NRGEA zumindest vor der extremsten Armut bewahrt und ihnen das Überleben gesichert. Der Tagesverdienst ist in den einzelnen Regionen unterschiedlich. Seit Inkrafttreten des Programms ist er kontinuierlich gestiegen. Haryana beispielsweise, das direkt an die Hauptstadt Delhi grenzt, hatte zuletzt mit 214 Rupien pro Tag (2,60 Euro) den höchsten Wert. Im südlichen Unionsstaat Karnataka beispielsweise sind es nur 174 Rupien. Angefangen hatte es dort 2006/2007 mit 69 Rupien – insgesamt konnte das bescheidene Salär also nominal (ohne Inflation) mehr als verdoppelt werden. Für etliche Tagelöhnerfamilien ist dieser Verdienst das einzige gesicherte Einkommen, meist muß das Geld für einen mehrköpfigen Haushalt reichen.

Minister Gadkari jedenfalls will nicht nur zwei Milliarden Bäume pflanzen. Er hat auch angekündigt, in seiner Amtszeit mit weiteren Maßnahmen die Regenwasserkonservierung anzukurbeln. Damit wären die jeweiligen Regionen für Dürrezeiten besser gerüstet. Ein von der Vorgängerregierung aufgelegtes Programm zur Reinigung des Ganges, Nordindiens Lebensader und zugleich verschmutztester Fluß des Landes (jW berichtete), will der Politiker ebenfalls vorantreiben.

* Aus: junge Welt, Freitag 20. Juni 2014


Zurück zur Indien-Seite

Zur Indien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage