Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Indiens Yoga-Guru von der Bühne geholt

Bewegung gegen Korruption vorerst abgewürgt

Von Henri Rudolph, Delhi *

Eine energische Kraftprobe zwischen der indischen Regierung und der Bewegung gegen Korruption und Schwarzgeld der Yoga-Guru Baba Ramdev endete am Sonntagmorgen in Delhi mit dem harschen Eingreifen der Polizei. Der Yogi wurde vorübergehend festgenommen, seine Anhänger wurden mit Schlagstöcken und Tränengas vertrieben.

Der 45 Jahre alte Baba Ramdev, der ein millionenschweres Yoga- und Ayurveda-Gesundheitsimperium im Norden Indiens unterhält, hatte am Sonnabend auf dem Ram-Lila-Festplatz in der Hauptstadt vor rund 60 000 Anhängern sein angekündigtes »Fasten bis zum Tode« begonnen. Er wollte die Regierung zwingen, gegen die verbreitete Korruption vorzugehen und besonders das im Ausland gehortete Schwarzgeld umgehend zurück nach Indien zu holen und zu »nationalem Eigentum« zu deklarieren. Ramdevs Forderungskatalog geht aber weit darüber hinaus: Bestechliche Beamte sollen mit dem Tode bestraft werden, alle Bürger sollen Einkommensteuer zahlen, die 500- und 1000-Rupien-Banknoten eingestampft, die britisch geprägten Regierungs- und Verwaltungsvorschriften abgeschafft und Hindi zu Lasten des Englischen gefördert werden.

Als der Guru, dessen Yoga-Übungen vor Tausenden Mitmachern regelmäßig im Fernsehen übertragen werden, am Mittwoch mit seinem Privatjet in Delhi landete, empfingen ihn gleich vier Minister. Zweieinhalb Stunden versuchten sie ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Wissenschaftsminister Kapil Sibal erklärte danach, Ramdev habe »für die Zukunft des Landes sehr wichtige Fragen« angesprochen, die man aber nicht über Nacht lösen könne. Die Regierung wolle sich ernsthaft damit befassen.

Der große Bahnhof für den Guru erklärte sich damit, dass im Frühjahr bereits der Bürgerrechtler Anna Hazare die Regierung mit einem Fasten gegen die Korruption in arge Bedrängnis gebracht hatte. Sie musste schließlich der Bildung einer Kommission zustimmen, die bis Ende Juni ein scharfes Gesetz gegen Korruption, das sogenannte Lokpal Bill, ausarbeiten und dem Parlament vorlegen will.

Jetzt mit einer noch mächtigeren Bewegung konfrontiert zu werden, konnte die Koalitionsregierung der Vereinten Progressiven Allianz nicht riskieren. Baba Ramdev hat eine Gefolgschaft von mindestens zehn Millionen Leuten, er ist mit dem einflussreichen nationalistischen Hindu-Freiwilligenverband RSS verbandelt, der wiederum eng mit der hindufundamentalistischen Indischen Volkspartei (BJP) zusammenarbeitet. So vermutete die Regierung wohl nicht zu Unrecht, dass hinter der Kampagne des Baba die gesamte rechte Opposition steckt, obwohl der Guru immer wieder betont, er erfülle keine parteipolitischen Aufträge.

Die Regierungsseite zeigte sich kompromissbereit und handelte sogar eine Vereinbarung aus, in der sie angeblich fast allen Forderungen Baba Ramdevs zustimmte. Doch der hatte seine Gründe, skeptisch zu bleiben, denn die Parallelbewegung des Anna Hazare hatte ihn davor gewarnt, den offiziellen Unterhändlern zu trauen.

So setzte er seine Fastenkampagne fort. Kurz nach Mitternacht zum Sonntag schlug die Polizei zu, holte den Yoga-Star von der Bühne, nahm ihn kurz fest und erteilte ihm anschließend Aufenthaltsverbot für die Hauptstadt. Und sie jagte die Massen von der Festwiese. Etwa 30 Menschen wurden dabei verletzt.

Die BJP, aber auch viele Bürgerrechtler verurteilten diesen Einsatz scharf. Einige verlangten den Rücktritt der Regierung. Digvijay Singh von der herrschenden Kongresspartei rechtfertigte das Vorgehen jedoch: »Es gibt Gesetze und Regeln. Leute wie Ramdev können nicht Amok laufen. Er versuchte, die Leute aufzuhetzen. Trotz einer Abmachung setzte er seine Fastenkampagne fort. Es handelte sich um illegale Aktivitäten.«

Die Aufmerksamkeit richtet sich nun wieder auf die Arbeit am Lokpal-Gesetz gegen Korruption. Die Bürgerrechtler in der Kommission schätzten Ende Mai in einer Erklärung ein, die Beratungen seien bislang »ziemlich desaströs« verlaufen. Sie appellierten an die Öffentlichkeit, sich auf eine »nächste riesige Bewegung« vorzubereiten.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Juni 2011


Zurück zur Indien-Seite

Zurück zur Homepage