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Ende für die Linksfront?

Im indischen Westbengalen wurden die Assembly-Wahlen abgeschlossen

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Die Würfel bei den Wahlen zur Volksvertretung (Assembly) im indischen Bundesstaat Westbengalen sind gefallen. Das Endergebnis ist allerdings noch nicht bekannt. Die Auszählung des in fünf Phasen seit April durchgeführten Votums erfolgt am Freitag (13. Mai). Erst dann erfährt die Öffentlichkeit, ob die Linksfront den Ansturm des oppositionellen Bündnisses aus regionalem Trinamool Congress (TC) und Kongreßpartei abwehren konnte oder ob die von Kommunisten und anderen linken Parteien seit 34 Jahren gehaltene »rote Festung« gefallen ist.

Eine Reihe von Befragungen gleich nach Ende der letzten Wahlphase am Dienstag (10. Mai) – hierzulande heißen sie »Exit Polls« – deutet an, daß die Linken eine deftige Niederlage hinnehmen müssen. Auch wenn solche nach dem Wahlgang geäußerten Meinungen mit Vorsicht zu genießen sind, stimmen alle von den Medien in Auftrag gegebenen Exit Polls darin überein, daß die vom TC dominierte Allianz das Rennen gemacht hat. Unterschiede gibt es lediglich darüber, wie groß der Vorsprung vor der Linksfront ist. Eine Zweidrittelmehrheit scheint möglich. Die Sitzverteilung reicht von 210 bis über 230 in einem Haus von 294 Abgeordneten. Die Linksfront käme auf höchstens 70 Sitze. Das wäre fast ein Absturz ins Bodenlose, denn bei den Wahlen 2006 erhielt sie 235 Mandate. Zehn bis 15 Sitze würden an Unabhängige und andere Parteien gehen, darunter die rechte, hindufundamentalistische Volkspartei BJP. Doch wie gesagt, das alles ist noch mit vielen Wenn und Aber behaftet.

Die westbengalische Tageszeitung The Telegraph will erfahren haben, daß selbst Chefminiser Buddhadeb Bhattacharjee, Mitglied des Politbüros der KPI (Marxisisch), sowie weitere 14 Minister in ihrem Wahlkreis verloren haben und nicht mehr in der Assembly vertreten wären.

Biman Bose, der Chef der Linksfront, erklärte dazu, Exit Polls seien Schwindelei. Die Befragten würden selten die Wahrheit äußern. Das habe sich auch bei anderen Wahlen gezeigt. »Wir werden die achte Linksfrontregierung bilden, wenn auch mit weniger als 200 Abgeordnetensitzen«, gab er sich trotz aller ein Debakel andeutenden Meinungen optimistisch. Die TC-Vorsitzende Mamata Banerjee, die seit Monaten den Sturz der Linksfrontregierung als Ziel ausgegeben und sich bereits schrill als künftige Chefministerin Westbengalens profiliert hat, blieb ungewöhnlich zurückhaltend und wollte keinen direkten Kommentar zu den Umfragen abgeben. Im »Gesichtsausdruck der Wähler« habe sie gelesen, daß diese einen Wechsel wollten. »Wir werden jedes Ergebnis akzeptieren«, versicherte sie.

* Aus: junge Welt, 12. Mai 2011


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