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Indiens kalte Schulter

UN-Sicherheitsratsresolution zu Kernwaffen zurückgewiesen. Nuklearwaffen "integraler Bestandteil der nationalen Sicherheit"

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Überraschend kam die Ablehnung nicht: Indien zeigt der jüngsten UN-Sicherheitsratsresolution zu einer atomwaffenfreien Welt die kalte Schulter. Die Antwort auf die von den USA initiierte Resolution vom 24. September, die alle Staaten aufruft, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen sowie das Teststoppabkommen zu ratifizieren, war bereits vorformuliert worden und der Sicherheitsratspräsidentin - gegenwärtig die US-Botschafterin Susan Rice - vom indischen UN-Repräsentanten Hardeep Puri in einem Brief übergeben worden. Der diplomatische Stil des Schreibens täuschte freilich nicht über das unmißverständliche indische Nein zu dem Dokument hinweg.

Mit den Nukleartests vom Mai 1998 betrachtet sich Indien als Mitglied des »Atomklubs« und trachtet danach, von den »fünf Großen« gleichberechtigt behandelt zu werden. Den Sperrvertrag und das Teststoppabkommen bewertet es als diskriminierend, weil beide den Status der etablierten fünf Atommächte USA, Rußland, China, Großbritannien und Frankreich unangetastet lassen. In der Resolution wird u. a. verlangt, daß alle Staaten dem Sperrvertrag als Nichtkernwaffenstaaten beitreten. Das kann Delhi nicht akzeptieren, denn es verfügt ja über Atomwaffen und hält an diesen auch fest. In dem Brief heißt es klipp und klar: »Nuklearwaffen sind ein integraler Bestandteil der nationalen Sicherheit Indiens.« Delhi könne, so wird weiter ausgeführt, nicht von außen verschriebene Normen und Standards akzeptieren zu Fragen, die in der Jurisdiktion seines Parlaments liegen oder die nicht einhergehen mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen, Indiens Souveränität beschneiden oder im Gegensatz zu seinen nationalen Interessen stehen. Immerhin befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft die atomar bewaffneten Länder China und Pakistan.

Deutlich wird zugleich, daß Indien nicht als Quertreiber oder »Atomfalke« gebrandmarkt werden möchte. So wird in dem Brief betont, daß es an seinem Moratorium zu Nu­kleartests weiterhin freiwillig festhält, bislang auch strikt die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages respektiert hat und einseitig einen Verzicht auf einen atomaren Erstschlag erklärt hat. Indien sieht sich globaler Abrüstung verpflichtet und erwartet von den Ländern mit »substantiellen Kernwaffenarsenalen, die im Sicherheitsrat vertreten sind«, bedeutsame Schritte zu nuklearer Abrüstung, um in die Lage versetzt zu werden, die Vision einer Welt frei von Kernwaffen zu verwirklichen. In dem Brief werden als Zwischenschritte ein globales Nichterstschlag-Abkommen sowie Beratungen zu einer Konvention über das Verbot des Einsatzes von Atomwaffen vorgeschlagen. Delhi sieht von der Resolution seinen »Sonderstatus« bedroht, den es im vorigen Jahr durch den Atompakt mit den USA noch unter der Bush-Administration, mit Konzessionen seitens der Nuklearen Liefergruppe (NSG) sowie nach Verhandlungen mit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) erzielte.

* Aus: junge Welt, 28. September 2009


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