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"Elemente aus Pakistan"

Islamabad weist Verwicklung in Terroroperation von Mumbai zurück

Von Hilmar König, Delhi *

Vorläufige Informationen ließen darauf schließen, dass für den Terrorschlag in Mumbai »Elemente in Pakistan« verantwortlich seien. Das sagte Indiens Außenminister Pranab Mukherjee am Freitag. Die Beweise dafür könnten zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht enthüllt werden. Damit bekräftigte er Aussagen von Premier Manmohan Singh, der in einer Botschaft an die Nation ebenfalls von »Kreisen im Ausland« gesprochen hatte, die hinter dem Terror stecken.

In den indischen Medien kursierten am Freitag Meldungen, die Sicherheitskräfte hätten eine Konversation zwischen den Terroristen und Leuten abgehört, die in Pakistan vermutet werden. Sie hätten sich auf Punjabi verständigt, das im indischen Unionsstaat Punjab und in der gleichnamigen pakistanischen Provinz gesprochen wird. Eine bei getöteten Angreifern gefundene Handy-SIM-Karte enthielt Telefonnummern aus dem pakistanischen Karatschi.

Die indische Navy stoppte auf der Suche nach dem »Mutterschiff«, von dem aus die Terroristen ihr Unternehmen begannen, zwei pakistanische Handelsschiffe vor der Küste. Die Durchsuchungen lieferten angeblich keine Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft. Nach bisherigen Erkenntnissen bestiegen die Angreifer nach Verlassen des »Mutterschiffs« Schnellboote und kaperten kurz vor Mumbai einen Fischtrawler. Dessen Kapitän wurde am Donnerstag an Bord ermordet aufgefunden. Die pakistanische Regierung hat unterdessen alle Vermutungen einer Verwicklung in diese Tragödie dementiert. Präsident Asif Ali Zardari, der mit dem indischen Regierungschef telefonierte, verurteilte den Terrorakt nachdrücklich. Und Premier Jusuf Raza Gilani bot Indien alle Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Identifizierung der Täter und Hintermänner an. Deshalb auch wird Islamabad den Chef des Geheimdienstes ISI nach Delhi schicken. Außenminister Qureshi hielt sich zum Zeitpunkt des Anschlags zu Gesprächen in Indien auf.

Ausmaß, Durchführung und die detaillierte Vorbereitung des Anschlags, so glauben indische Sicherheitsexperten, hätten nicht von einer lokalen Organisation mit begrenzten Ressourcen vorgenommen werden können. Sie vermuten ein Netzwerk vom Schlage der Al Qaida als Drahtzieher.

Den ganzen Freitag über (28. Nov.) bemühten sich die Nationale Sicherheitsgarde und Spezialkommandos der Armee, die Situation zu bereinigen. Sie hatten hartnäckigen Widerstand der im Hotel »Taj Mahal«, im Hotel »Oberoi Trident« und im »Nariman House« verschanzten Banditen zu brechen, konnten aber mehrere Geiseln befreien. Erst gegen 17 Uhr Ortszeit war das »Oberoi Trident« voll in der Hand der Sicherheitskräfte. Besonders kritisch war die Lage im »Nariman House«, einem Zentrum der jüdischen ultraorthodoxen Chabad-Lubovitsch-Sekte im südlichen Stadtteil Colaba. Es wird seit zwei Jahren von dem US-amerikanischen Rabbi Gavriel Holtzberg aus Brooklyn geleitet. Er und seine Frau waren unter den Geiseln. Das Zentrum ist ein Anlaufpunkt für israelische Touristen und Geschäftsleute. Es war also von den Angreifern gezielt ausgewählt worden. Kommandos der Sicherheitsgarde waren am Freitagmorgen per Hubschrauber auf dem Dach des Gebäudes abgesetzt worden, um die Terroristen in die Zange nehmen zu können. Doch erst nach Stunden meldeten die Sicherheitskräfte die erfolgreiche Einnahme.

* Aus: Neues Deutschland, 29. November 2008

Weitere aktuelle Meldungen

"Der Einsatz ist zu Ende"

Mehr als 36stündige Kämpfe um besetzte Hotels in Mumbai **

Im Kampf gegen die islamistischen Attentäter im indischen Mumbai haben Sicherheitskräfte am Freitag (28. Nov.) nach und nach die Oberhand gewonnen. Mehr als 36 Stunden nach Beginn der Angriffsserie brachten Soldaten und Polizisten das Luxushotel »Oberoi Trident« unter ihre Kontrolle, das von den Terroristen besetzte Jüdische Zentrum wurde gestürmt. Im Luxushotel »Taj Mahal« hielt sich in der Nacht zu Samstag noch mindestens ein bewaffneter Islamist verschanzt. Die Angreifer töteten seit Mittwoch abend mindestens 130 Menschen. »Der Einsatz im Oberoi ist zu Ende«, sagte Mumbais Polizeichef Hassan Gafoor. Mehr als 90 Menschen wurden aus dem Hotel befreit, darunter auch zwei Mitarbeiter des BRD-Außenministeriums. Die Einsatzkräfte hätten im »Oberoi Trident« 24 Leichen entdeckt, so der Polizeichef. Nach offiziellen Angaben wurden bei den seit Mittwoch abend andauernden Gefechten neun der Angreifer getötet. Einer sei festgenommen worden, teilte ein Regierungsvertreter mit. 15 Angehörige der Sicherheitskräfte starben. Der Regierungsvertreter nannte zudem die Zahl von mehr als 370 Verletzten.

Die schwer bewaffneten islamistischen Kommandos hatten in einer koordinierten Aktion mehrere Ziele in Mumbai angegriffen. Zu den Motiven sagte einer der im Oberoi Trident verschanzten Angreifer gegenüber einem indischen Fernsehsender, daß Muslime in Indien »ständiger Verfolgung ausgesetzt« seien. Für die Anschlagsserie hatte die bislang unbekannte indische Islamisten-Gruppe Deccan Mujahedeen die Verantwortung übernommen.

Der indische Außenminister Pranab Mukherjee beschuldigte das verfeindete Nachbarland Pakistan wegen der Angriffe. »Nach vorläufigen Informationen ist irgend jemand in Pakistan verantwortlich«, wurde er zitiert. Der pakistanische Premierminister Yousaf Raza Gillani verurteilte die Angriffe in einem Telefonat mit seinem indischen Kollegen Manmohan Singh. Er bot Indien die volle Unterstützung seines Landes an. (AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 29. November 2008

Nach Terrorakt in Mumbai: Innenminister und Sicherheitsberater traten zurück ***

Indiens Innenminister Shivraj Patel hat nach dem Mega-Terrorakt in Mumbai seinen Rücktritt eingereicht. Er begründete diesen Schritt mit seiner moralischen Verantwortung für die Folgen des Terrorangriffs.

Die Sicherheitskräfte Indiens haben beträchtliche Verluste zu beklagen: Bei der Bekämpfung von Terroristen in Mumbai wurden 15 Polizisten des Bundesstaates Maharashtra und fünf Angehörige der Eliteeinheit Nationale Sicherheitswächter getötet.

Angaben über die Zahl der Terroropfer gehen vorerst stark auseinander. Die Zahl der Opfer unter den Ausländern wird mit 23 angegeben: Acht Israelis, fünf Amerikaner, drei Deutsche, zwei Franzosen, zwei Australier, zwei Kanadier sowie Staatsbürger Großbritanniens, Italiens, Zyperns, Thailands, Singapurs und Japans. Das Schicksal von einigen ausländischen Touristen ist vorerst nicht bekannt.
Wie der Fernsehsender Sky News mitteilte, trat auch der Sicherheitsberater des indischen Premiers, Mayankote Kelath Narayanan, am Sonntag (30. Nov.) zurück.
Die Antiterroroperation in Mumbai hatte mehr als zwei Tage gedauert. Dabei wurden laut bisherigen Angaben neun Terroristen getötet und ein weiterer verhaftet.

*** Nachrichtenagentur RIA Novosti, 30. November 2008




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