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Mumbai: "Koordinierter Terrorakt"

Am Tag nach den Anschlägen in Indien gibt es noch keine Hinweise auf die Täter

Von Henri Rudolph, Delhi *

Nachdem Sprengstoffanschläge in der indischen Millionenstadt Mumbai (früher Bombay) am Mittwoch (13. Juli) offiziellen Angaben zufolge 17 Menschenleben ausgelöscht hatten, fahndet die Polizei nach den Attentätern, ohne bisher auf eine heiße Spur gestoßen zu sein.

Indiens Innenminister Palaniappan Chidambaram war nach einer Sondersitzung des Kabinetts sofort nach Mumbai geflogen, um sich am Donnerstag an Ort und Stelle mit den Sicherheitsorganen und den Behörden des Unionsstaates Maharashtra zu beraten und Schwerverletzte in den Krankenhäusern zu besuchen. Die Zahl der Verletzten wurde am Donnerstagmorgen auf 131 beziffert. Chidambaram lehnte es ab, vor der Presse über Drahtzieher und Hintermänner der drei Anschläge, die binnen einer halben Stunde verübt worden waren, zu spekulieren. Er verwies darauf, dass die Untersuchungen in vollem Gange sind, schloss allerdings nicht aus, dass mit dem »koordinierten Terrorakt« die indisch-pakistanischen Gespräche, die in jüngster Zeit relativ reibungslos verlaufen, torpediert werden sollten. »Wir leben in der unruhigsten Nachbarschaft, und Pakistan und Afghanistan sind die Epizentren des Terrorismus«, sagte er, ohne diese Bemerkungen weiter zu erläutern. Der Minister wiederholte den Appell des Regierungschefs Manmohan Singh vom Vortag, Ruhe zu bewahren und sich nicht durch solche Verbrechen gegeneinander aufhetzen zu lassen.

Unterdessen kommen in den Medien die sogenannten Antiterrorspezialisten zu Wort. Ihre Spekulationen gehen in verschiedene Richtungen. Die einen wollen aus Mumbaier Polizeikreisen erfahren haben, dass die Sprengstoffanschläge die Handschrift der wenig bekannten Organisation Indian Mudschahedin tragen, die mit der militanten pakistanischen Lashkar-e-Taiba kollaborieren soll. Beweise dafür scheint es bislang jedoch nicht zu geben. Deshalb auch hielt sich der Innenminister bedeckt. Andere Meinungen deuten in Richtung Jammu und Kaschmir, das zweigeteilt bekanntlich einen Zankapfel zwischen Indien und Pakistan darstellt. Im indischen Teil kämpfen muslimische Rebellen seit über 20 Jahren für einen Anschluss an Pakistan oder für die Unabhängigkeit. Am 13. Juli wird dort alljährlich ein »Märtyrertag« begangen. Die Anschläge in Mumbai könnten damit in Verbindung stehen.

Eine dritte Gruppe sieht mögliche Verbindungen zur berüchtigten, weit verzweigten Unterwelt Mumbais. In den letzten Wochen gelangen der Polizei einige spektakuläre Festnahmen von Verbrechern. Dass zwei der Sprengsätze in unmittelbarer Nähe von Werkstätten und Märkten der Diamanten- und Schmuckbranche explodierten, nährt diese Annahme.

Es handelt sich um den siebten Terroranschlag seit 1993 in Mumbai. Im Jahre 2006 kamen durch eine Serie von Bombenexplosionen in Nahverkehrszügen der Millionenstadt 186 Menschen ums Leben. Am 26. November 2008 tötete ein auf dem Seeweg aus Pakistan gekommenes Terrorkommando 166 Menschen in mehreren Hotels, auf dem Victoria-Bahnhof, in einem Krankenhaus und auf der Straße. Dadurch sanken die Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten auf den Tiefpunkt.

Indiens Innenministerium glaubt, inzwischen deutlich besser gegen Terrorakte gerüstet zu sein. Doch Ajai Sahni, Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Delhi, bezweifelt das. Auch wenn die Zentralregierung und die Regierungen der Unionsstaaten darin wetteifern, alle möglichen Sondereinheiten zur Terrorbekämpfung aufzustellen, gebe es keine wirkliche Anstrengung, das Terrornetzwerk geheimdienstlich zu infiltrieren, erklärte Sahni der Zeitung »The Hindu«. So befinden sich die Sicherheitsleute stets im Nachtrab.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2011


Anschläge in Mumbai

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilt Gewalt gegen Zivilisten **

Mehr als zweieinhalb Jahre nach der verheerenden Terrorserie in Mumbai wird die Finanzmetropole erneut von Anschlägen erschüttert: Mindestens 21 Menschen sterben, als drei Sprengsätze explodieren.

Die Anschlagsserie in der westindischen Finanzmetropole Mumbai mit mehr als 20 Toten ist international scharf verurteilt worden. Die "wahllose Gewalt gegen Zivilisten" sei durch nichts zu rechtfertigen, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nach Angaben seines Sprechers in New York. Bei der Explosion dreier Sprengsätze waren am Mittwoch (13. Juli) in Mumbai mindestens 21 Menschen getötet worden. 141 weitere wurden nach Medienberichten verletzt.

Die Anschläge ließen Erinnerungen an die verheerende Terrorserie von 2008 wachwerden, als mehrere schwer bewaffnete Angreifer über drei Tage hinweg in Mumbai für Angst und Schrecken sorgten und mehr als 170 Menschen töteten. Die indische Regierung machte damals die aus Pakistan operierende radikal-islamische Extremistengruppe Lashkar-e-Taiba für die Tat verantwortlich.

Wer hinter den Bombenanschlägen vom Mittwoch (13. Juli) steckt, war zunächst nicht bekannt. In indischen Medien wurde über eine Verwicklung radikaler Islamisten spekuliert. "Das war ein koordinierter Anschlag von Terroristen", sagte Innenminister Palaniappan Chidambaram vor Reportern in Neu Delhi. Die Sicherheitskräfte in Mumbai und anderen Großstädten seien in höchster Alarmbereitschaft versetzt worden. Zu den möglichen Attentätern machte er keine Angaben.

Medienberichten zufolge explodierten die Sprengsätze innerhalb von 15 Minuten in belebten Wohn- und Geschäftsvierteln im Süden und Westen der Stadt. Eine der Bomben sei an einer Bushaltestelle im westlichen Bezirk Dadar detoniert, die anderen in den Vierteln Zaveri Bazar und Opera House, beides Zentren der Schmuckindustrie. Zum Zeitpunkt der Anschläge gegen 19 Uhr Ortszeit waren auf den Straßen der Millionenmetropole zahlreiche Menschen unterwegs. Viele kamen von der Arbeit oder erledigten ihre Einkäufe.

** Aus: Neues Deutschland, 14. Juli 2011


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