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Indien läßt die Muskeln spielen

Neuer Flugzeugträger unterstreicht Delhis Anspruch auf Status einer Regionalmacht

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Indien stärkt mit dem Erwerb des auf einer russischen Werft umgebauten Flugzeugträgers »Vikramaditya« seine regionale und geostrategische Rolle. Der 40500-Tonner hat am Dienstag die Reise vom nordrussischen Severodwinsk via Murmansk zu seinem indischen Heimathafen Karwar am Arabischen Meer angetreten. Dort soll er im Januar 2014 eintreffen. Auf der Sevmash-Werft war die 284 Meter lange und 60 Meter hohe ehemalige »Admiral Gorschkow« neun Jahre lang modernisiert und rekonstruiert worden. 60 Prozent des Ozeanriesen sollen erneuert worden sein. Um fünf Jahre verzögerte sich wegen technischer und finanzieller Probleme die Fertigstellung. Ursprünglich hatten die russischen Partner die Kosten auf 974 Millionen Dollar veranschlagt. 2,3 Milliarden Dollar mußten die Inder nach zähem Feilschen am Ende zahlen.

Stolz auf das hochmoderne und größte Schiff ihrer Flotte sind sie dennoch. Sie verfügen nun über zwei Flugzeugträger. Admiral Sekhar Sinha, Chefkommandant der westlichen Seezone, erklärte, mit »Vikramaditya« erhöhe Indiens Marine »ihre Reichweite und Kapazität, Macht zu demonstrieren, immens«. Die Zeitung The Hindu schrieb in diesem Zusammenhang, es werde allerdings noch etwa zwei Jahre dauern, bis der Flugzeugträger voll einsatzfähig und mit allen Waffensystemen bestückt ist. Erst dann könne er wirklich »Zähne zeigen«. Probleme gebe es noch mit dem Luftabwehrsystem. Erst in Indien soll das Schiff mit israelischen Langstrecken-Boden-Luftraketen bestückt werden, deren Herstellung sich ebenfalls verzögert hat.

Auch die 24 MiG-29K-Jagdflugzeuge und zehn Kamow-Hubschrauber sind noch nicht an Bord. Deshalb wird »Vikramaditya« auf der Jungfernfahrt von einer Gruppe indischer Kriegsschiffe begleitet. 177 russische Werftexperten, die an allen Seetests teilnahmen, reisen mit, um die 1600 Mann Besatzung zu unterstützen. Ein Teil von ihnen bleibt während der gesamten Garantiezeit von einem Jahr in Indien. In Moskau hingegen absolvieren die Piloten des Geschwaders »Black Panther«, das auf dem Flugzeugträger stationiert sein wird, die letzte Phase ihres Trainings am Flugsimulator. Start- und Landeübungen in Echtzeit folgen dann auf einem Testgelände in Goa.

Der andere, überalterte Flugzeugträger »Viraat« bleibt nur noch solange im Dienst, bis der Ersatz für ihn fertiggestellt ist: Auf der Werft in Kochi im süd­indischen Bundesstaat Kerala nimmt der erste einheimische Flugzeugträger »Vikrant« inzwischen Gestalt an. Er soll 2018/19 in die Seestreitkräfte eingegliedert werden. Zudem arbeitet Indien intensiv an der Erweiterung seiner U-Bootflotte. Vor ein paar Tagen sagte Verteidigungsminister Arackaparambil Kurian Antony auf einer Konferenz in Neu-Delhi: »Ein großer Schub für unsere strategische Abschreckungsfähigkeit war das Anfahren des Atomreaktors an Bord des U-Boots ›Arihant‹. Wenn wir mit dem Beginn der Seetests des U-Bootes den nächsten Meilenstein erreicht haben werden, gehört Indien zu den sechs Nationen in der Welt, die Atom-U-Boote bauen und betreiben können.« Unübersehbar läßt das Land, von China und Pakistan argwöhnisch beobachtet, seine militärischen Muskeln spielen.

* Aus: junge welt, Donnerstag, 28. November 2013


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