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Im Eliteklub

Nach Start einer Langstreckenrakete sieht sich Indien international gestärkt

Von Hilmar König *

Der erfolgreiche Start der Langstreckenrakete Agni V hat Indien am Donnerstag in einen nationalistischen Taumel gestürzt. Zahlreiche Politiker und Medien überschlugen sich in ihren überschwenglichen Lobpreisungen. Premier Manmohan Singh dankte den Raketenexperten schon gleich nach dem Start am frühen Morgen und übermittelte den »Stolz der ganzen Nation«. Dieser Erfolg paßt ideal zu den Bemühungen Indiens, sich als ökonomische Weltmacht zu profilieren. Es strebt seit Jahren einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an. Auf militärischem Gebiet gehört es zu den größten Rüstungsimporteuren in der Welt und modernisiert energisch seine Streitkräfte. Verteidigungsminister Arakkaparambil Kurian Antony sprach von einem »astreinen Erfolg« und jubelte: »Wir sind dem Eliteklub beigetreten«. Die Medien verwendeten nur Superlative. Diese reichten von »gigantischer Schritt« über »krönende Errungenschaft« bis zu »Indien schrieb Geschichte«.

Die 17,5 Meter hohe, rund 50 Tonnen schwere Dreistufen-Feststoffrakete, nach dem hinduistischen Feuergott Agni benannt, wurde von der kleinen Insel Wheeler Island vor der indischen Ostküste des Bundesstaates Odisha (früher Orissa) gestartet. Nach 15 Minuten traf der Sprengsatz laut Angaben des Kontrollzentrums »mit großer Genauigkeit« das etwa 5000 Kilometer entfernte Ziel im Indischen Ozean. Die Rakete kann nukleare Mehrfachsprengköpfe tragen und mit ihrer Reichweite Ziele in Pakistan, China, Japan, Südostasien, Osteuropa, Nahost, Ostafrika sowie vor der Westküste Australiens erreichen.

Agni V soll nach vier bis fünf weiteren Tests bis spätestens 2015 militärisch voll einsatzfähig sein. Sie erhöht zweifellos Indiens Abschreckungspotential erheblich. Vijay Kumar Saraswat, wissenschaftlicher Berater des Verteidigungsministers und Chef der militärischen Forschungs- und Entwicklungsorganisation DRDO, schlußfolgerte, man könne nun »mehr als angemessen den gegenwärtigen Bedrohungsszenarien und Sicherheitsbesorgnissen entsprechen.« Damit sind vor allem die Nachbarn China und Pakistan gemeint, die ja auch eine strategisch-militärische Partnerschaft verbindet. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte schon am Vorabend des wegen schlechter Witterungsbedingungen um einige Stunden verzögerten Starts versichert, die Allianz betrachte ­Indien nicht als Bedrohung. Im Gegensatz zum (fehlgeschlagenen) Raketentest Nordkoreas, der scharfe Proteste und Sanktionsdrohungen des Westens provozierte, gibt es an Indiens Aktivitäten auf diesem Gebiet keine offizielle Kritik, obwohl das Land außerhalb der internationalen Atom- und Raketensperrverträge agiert.

Das Mißfallen der chinesischen Führung brachte die Pekinger Zeitung Global Times zum Ausdruck. In einem Leitartikel schrieb das Blatt, Indien sollte seine Stärke nicht überschätzen, in einem Wettrüsten mit China habe das Land keine Chance. Der Nachbar sei immer noch arm und hinke in seiner Infrastruktur hinterher. Der Westen habe sich entschieden, Indiens Mißachtung nuklearer und Raketenkontrollabkommen zu ignorieren. Wenn Neu-Delhi strategische Langstreckenraketen mit einer Abschreckung Chinas gleichsetzen sollte, dann irre es sich gewaltig. Es wäre unklug für Indien und China, eine Machtbalance durch Entwicklung von Raketen anzustreben.

* Aus: junge welt, Freitag, 20. April 2012


Erfolgreicher Raketenstart Indiens ein besorgniserregendes Zeichen für China - Experte **

Der erfolgreiche Start der atomwaffenfähigen ballistischen Rakete Agni-5 durch Indien ist laut dem Chefredakteur der russischen Zeitschrift „Nazionalnaja oborona“ („Nationale Verteidigung“), Igor Korotschenko, vor allem für China ein besorgniserregendes Zeichen.

Indien hat am Donnerstag eine dreistufige ballistische Festtreibstoff-Rakete erfolgreich getestet. Laut Medienberichten hatte die Rakete vom Startgelände auf der Insel Wheeler im Bundesstaat Orissa abgehoben und das vorgesehene Gebiet im Indischen Ozean erreicht. Die 17 Meter lange und rund 50 Tonnen schwere Agni-5 kann unterschiedliche Sprengsätze, darunter nukleare, tragen und hat eine Reichweite von mehr als 5000 Kilometer.

„Die Aufnahme der Serienproduktion der neuen Rakete und deren Einsatz im Diensthabenden System sollen es für Indien möglich machen, das chinesische Territorium fast völlig abzudecken und im Falle eines hypothetischen Militärkonfliktes zwischen den beiden Staaten Nuklearsprengsätze nach China zu befördern“, sagte Korotschenko am Donnerstag zu RIA Novosti.

Ihm zufolge werden die indischen Raketen neuen Typs vor allem gegen Objekte in China gerichtet sein, das einer der geopolitischen Hauptgegner Indiens sei.

Der Start der neuen ballistischen Rakete spreche für die zunehmenden militär-politischen Ambitionen Indiens, das noch nicht zu den führenden Nuklearmächten gehöre, jedoch unterwegs zu diesem Ziel sei, so Korotschenko.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur, Freitag, 19. April 2012; http://de.rian.ru




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