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Winziger erster Schritt zum Dialog

Kontaktaufnahme zwischen Staatssekretären Indiens und Pakistans soll die im November abgebrochenen Friedensgespräche beleben

Von Hilmar König, Delhi *

Mit einem Abtasten haben am Donnerstag (25. Feb.) offizielle Gespräche zwischen den Außenamts-Staatssekretären Indiens und Pakistans in Delhi begonnen. Damit sollen die Weichen für die Wiederaufnahme des im November 2008 abgebrochenen Friedensdialogs zwischen den beiden nuklear bewaffneten Nachbarn gestellt werden.

Schon im Vorfeld des Treffens hatten beide Seiten zwar ihre Bereitschaft zu »konstruktivem Engagement« bekundet, jedoch vor übertriebenen Erwartungen gewarnt. Es könne nur ein erster winziger Schritt zum Dialog sein und es handele sich lediglich um »Gespräche über das Zustandekommen des Dialogs«, hieß es aus Islamabad und Delhi.

Pakistans Außenminister Mahmud Qureshi sprach in Peking, wo er China als Vermittler für den indo-pakistanischen Dialog empfohlen hatte, was von Delhi postwendend abgelehnt worden war, von einem »Erkundungstreffen« zwischen beiden Staatssekretären. Pakistan strebe einen »bedeutungsvollen Dialog« an, fügte er immerhin hinzu.

Jedenfalls kamen die indische Staatssekretärin Nirupama Rao und ihr pakistanischer Kollege Salman Bashir mit unterschiedlichen Schwerpunkten an den Verhandlungstisch. Die Inderin rückte laut Agenturmeldungen den Kampf gegen den Terrorismus in den Mittelpunkt.

Die indische Politikerin forderte Pakistan auf, Hafiz Said festzunehmen - den angeblichen Drahtzieher für das Massaker vom 26. November 2008 in Mumbai, bei dem ein zehn Mann starkes, aus Pakistan kommendes Terrorkommando über 160 Menschen tötete und mehr als 300 verletzte. Said gilt als Kopf der verbotenen militanten Extremistengruppe Lashkar-e-Taiba, die unter neuem Namen Jamaat-ud-Dawa als Wohltätigkeitsorganisation fungiert.

Salman Bashir hingegen machte deutlich, was für Pakistan von herausragender Bedeutung ist: der seit rund 60 Jahren schwelende Kaschmirkonflikt. Er empfing am Mittwoch in seinem Hotel zwei Führer der separatistischen Hurriyat Conference und ein Mitglied der Jammu and Kashmir Liberation Front aus dem indischen Teil Kaschmirs. Allerdings wollte er dieses Thema als Teil eines umfassenderen Meinungsaustausches mit der indischen Seite verstanden wissen. »Ich bin hier, um die Differenzen zu überbrücken, und hoffe auf ein positives Ergebnis«, hatte er kurz vor dem Treffen mit Frau Rao geäußert.

Die indo-pakistanische Kontaktaufnahme ist in einem größeren geostrategischen Rahmen zu sehen. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte vor dem Meeting gesagt: »Wir haben zur Wiederaufnahme direkter Gespräche ermutigt.« Washington setze diese Bemühungen mit beiden Seiten getrennt fort, weil es in deren gegenseitigem Interesse liege, Fortschritte zu machen.

Dass die USA damit auch Eigeninteressen vertreten, liegt für den unabhängigen pakistanischen Analytiker Hassan Askari Rizvi auf der Hand. Er verwies auf Washingtons Kalkül, dass verminderte Spannungen zwischen Indien und Pakistan dazu führen würden, dass Islamabad noch mehr Truppen in die unruhigen Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan, die den Taliban als Rückzugsraum dienen, schicken könnte. So ergibt sich ein direkter Zusammenhang zum Krieg in Afghanistan.

Selbst gegen diesen winzigen ersten Schritt in Richtung Friedensdialog gab es tödliches Sperrfeuer. Am 13. Februar wurde in der südwestindischen Großstadt Pune ein Sprengstoffanschlag auf das Restaurant »German Bakery« verübt. Das kostete 14 Menschenleben. Dutzende Gäste und Passanten wurden verletzt. Obwohl über die Täter noch Unklarheit besteht, verstand man in beiden Nachbarstaaten diesen Anschlag als Torpedo gegen das Treffen der Staatssekretäre.

Am Mittwoch (24. Feb.) kam es zudem am Südabschnitt der Grenzlinie zwischen dem pakistanischen und dem indischen Teil Kaschmirs zu einem Feuerüberfall von der pakistanischen Seite. Auch Hindufundamentalisten ist die offizielle Kontaktaufnahme zwischen beiden Staaten eher ein Dorn im Auge. Mohan Bhagwat, der Chef des Hindufreiwilligen-Verbandes RSS, orakelte am Donnerstag, ein Dialog werde »niemals Resultate« bringen, wenn Islamabad nicht seine »antagonistische Geisteshaltung, es könne nicht mit Indien als Nachbarn leben«, aufgibt.

So scheint es, dass noch viel Wasser den Ganges und den Indus hinab fließen wird, ehe sich die beiden Nachbarn aussöhnen. Immerhin beginnt jeder lange Marsch mit einem winzigen ersten Schritt.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Februar 2010


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