Gefährliche Spannungen
Kriegshysterie zwischen Indien und Pakistan. Truppen ins Grenzgebiet?
Von Hilmar König, Neu-Delhi *
Mit Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen heizen Indien und Pakistan
die Spannungen auf dem südasiatischen Subkontinent weiter an. Genau
einen Monat nach dem Terrorüberfall in der indischen Hafen- und
Geschäftsmetropole Mumbai wachsen die Spannungen zwischen den
Nachbarstaaten. So wurde am Freitag von nicht näher benannten
»Geheimdienstkreisen« (AP, 27.12.) verbreitet, daß Pakistan 20000 Mann
ins Grenzgebiet zu Indien verlegen wolle. Am Samstag war zudem von der
Entsendung weiterer 1300 Soldaten Islamabads die Rede. Die
pakistanischen Streitkräften äußerten sich bis zum Sonntag nicht zu
diesen Meldungen.
In Neu-Delhi und in Islamabad scheint wirkliche oder geschickt gespielte
Konfusion zu herrschen. Die Politiker überbieten sich mit
widersprüchlichen Erklärungen. Indiens Premier Manmohan Singh sagte am
Dienstag, als Antwort auf den auf pakistanischem Boden vorbereiteten
Terrorschlag stehe »Krieg außer Frage«. In Pakistan nahm man das mit
gewisser Erleichterung auf. Premier Singh hatte damit Aussagen seines
Außenministers Pranab Mukherjee relativiert, der mit scharfmacherischen
Bemerkungen seit Wochen als »Falke« agiert. Vor 116 in Neu-Delhi
versammelten indischen Botschaftern hatte er kürzlich geäußert, wenn es
einen militärischen Konflikt geben sollte, werde das niemand vorher in
den Medien ankündigen. »Wir haben alle Optionen offengelassen,« betonte
er. Am Samstag dann legte Mukherjee nach: Im Angesicht der mutmaßlichen
Truppenkonzentration Pakistans an der Grenze zu Indien sprach er von
einer »Kriegshysterie«, die Islamabad ausgelöst habe.
In verteilten Rollen spielt man auch auf der anderen Seite mit dem
Feuer. »Wir wollen nicht kämpfen, wir wollen keinen Krieg, wir wollen
keine Aggression im Verhältnis zu unseren Nachbarn«, unterstrich
Ministerpräsident Syed Yousuf Raza Gilani am Samstag in einer
Fernsehansprache. Zugleich betonte er, die pakistanischen Streitkräfte
seien »voll« darauf vorbereitet, einen etwaigen indischen Angriff zu
erwidern. Pakistans Präsident Asif Ali Zardari hatte zuvor ebenfalls
erklärt: »Wir wollen keinen Krieg mit Indien.« Zugleich verwies er auf
das Recht der Nation, ihre »Grenzen im Falle einer Aggression zu
verteidigen«. Und Außenminister Shah Mahmud Qureshi formulierte, daß,
wenn Indien pakistanische Ziele angreifen sollte, es eine »starke
Antwort« geben werde.
Die pakistanische Regierung monierte, daß die indische Polizei bisher
noch keinerlei Beweise für eine pakistanische Hand hinter dem
Mumbai-Anschlag veröffentlicht habe. Auch Interpolchef Ronald K. Noble,
ein US-Amerikaner, der sich in den vergangenen Tagen in Delhi und
Islamabad aufhielt, erklärte, er habe von indischer Seite offiziell noch
keine Beweise zu den Vorgängen vom 26. November in Mumbai erhalten.
Seine Organisation verfüge nur über Wissen aus den Medien. Unterdessen
hält das gefährliche »Pingpong« der beiden Atommächte an.
* Aus: junge Welt, 29. Dezember 2008
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