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Weitere Gesten des guten Willens

Indisch-pakistanischer Dialog fortgesetzt

Von Henri Rudolph, Delhi *

Mit einer Geste des guten Willens leiteten Indien und Pakistan eine weitere Gesprächsrunde ihrer Außenminister ein: Am Dienstag (26. Juli) ließen beide Seiten weit über 100 Gefangene frei, meist Fischer, die die Seegrenze aus Unkenntnis überquert hatten und dafür bereits zwischen 12 Monaten und fünf Jahren inhaftiert waren.

Am Mittwoch (27. Juli) trafen sich in Delhi der indische Außenminister Somanahalli Mallaiah Krishna und seine frisch gekürte pakistanische Amtskollegin Hina Rabbani Khar zur Fortsetzung des Friedensdialogs. Beide sprachen sich für einen »neuen Geist« der Zusammenarbeit aus. Die Beziehungen seien jetzt »in der richtigen Spur«, schätzten die Minister ein.

Der Prozess der Normalisierung der Beziehungen zwischen den atomar bewaffneten Nachbarstaaten war im November 2008 nach den Terroranschlägen in Mumbai, die von pakistanischen Kommandos ausgeführt worden waren und 166 Menschenleben kosteten, unterbrochen worden und erst im Februar 2011 wieder in Gang gekommen. Ein neues Sprengstoffattentat am 13. Juli, bei dem in Mumbai 24 Menschen getötet wurden, brachte den Dialog nicht in Gefahr.

Ministerin Khar äußerte noch vor den offiziellen Gesprächen die Hoffnung, dass Delhi und Islamabad »Lehren aus der Geschichte« gezogen haben, ohne von dieser belastet zu werden. Man sollte als gute, freundliche Nachbarn und nicht als Feinde miteinander auskommen und die gemeinsame Verantwortung für die Region wahrnehmen. Zum Problem des Terrorismus würden auf dem Subkontinent die Ansichten übereinstimmen. Pakistan stehe da in vorderster Front und bringe die meisten Opfer, erklärte sie.

Ähnlich hatte sich Indiens Innenminister Palaniappan Chidambaram kürzlich in Bhutan auf einer Konferenz der südasiatischen Staatengruppe SAARC geäußert: »Südasien ist wohl die unruhigste und verletzbarste Region in der Welt, da die Mehrzahl terroristischer Anschläge in diesem und im vorigen Jahr hier verübt wurden.«

So stand das Thema Terrorismus am Mittwoch ganz oben auf der Gesprächsliste. Indien bekräftigte seine Forderung, die terroristische Infrastruktur auf pakistanischem Gebiet müsse vollständig demontiert werden. Das würde das beste Klima für einen nachhaltigen Versöhnungsprozess schaffen. Pakistan versicherte erneut, auf seinem Territorium keine terroristischen Aktivitäten zu erlauben.

Die 34-jährige pakistanische Besucherin rückte Islamabads Hauptanliegen im Verhältnis zum Nachbarn in den Mittelpunkt – das Kaschmirproblem, eben doch ein Kapitel belastender Geschichte. Der seit 1947 schwelende Konflikt – beide Staaten kontrollieren einen Teil Kaschmirs und beanspruchen dessen gesamtes Territorium – hat bereits mehrmals zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt und wird von Pakistan als größtes Hindernis auf dem Weg zu normalen Nachbarschaftsbeziehungen bewertet. Ministerin Khar empfing bereits am Dienstag in der diplomatischen Vertretung Pakistans in Delhi Repräsentanten der im indischen Kaschmirgebiet aktiven Bewegung Hurriyat, die auf ein Selbstbestimmungsrecht pocht. Ihr extremer Flügel fordert einen Separatstaat oder den Anschluss an Pakistan. Im indischen Außenamt registrierte man dieses Treffen zwar als »schlechte Idee«, drückte zugleich aber auch die Erwartung aus, dass Frau Khar »die Hurriyat zu einer Sprache des Friedens, der Vernunft und Aussöhnung angehalten hat«.

Wenn eine Lösung des Kaschmirproblems auch nicht in Sicht ist, so zielt doch eine Reihe von beiden Außenministern abgesegneter vertrauensbildender Maßnahmen auf Erleichterungen im Handel sowie beim Reisen über die Kaschmirgrenzlinie hinweg. Nach den Gesprächen mit Krishna äußerte Khar: »Ich bin heute zuversichtlicher als gestern.« Das ist ein gutes Zeichen.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2011


Neue Generation

Von Antje Stiebitz **

Eine »neue Ära« der Zusammenarbeit beschwor die neue pakistanische Außenministerin, Hina Rabbani Khar, bei ihrem gestrigen Treffen mit ihrem indischen Kollegen S.M. Krishna. Eine neue Generation von Indern und Pakistanern habe nun die Chance, ein anderes, besseres Verhältnis zum Nachbarland zu erleben. Außer beschönigenden Worthülsen gab es allerdings nur wenige kleine vertrauensbildende Schritte. Angesichts der bisherigen desolaten diplomatischen Lage – immerhin etwas.

Die 34-jährige Hina Rabbani Khar gehört selbst zu einer neuen Politikergeneration, allerdings ist noch nicht klar, ob sie sich von »den Alten« unterscheiden wird. Kritiker werfen ihr Opportunismus und erste diplomatische Fehler vor. Es wird vermutet, dass die pakistanischen Führer einzig darauf spekulieren, ihr junges Gesicht könne auch Pakistans Politik ein freundliches Antlitz verleihen.

Eine Ännährerung der Erzrivalen ist längst notwendig. Doch ob beide in ein »neues Zeitalter« eintreten können, hängt sicherlich weniger von Khar und S. M. Krishna ab als von der regionalen Dynamik, die vor allem von Afghanistan und den islamistischen Kräften bestimmt wird. Wie wenig die drei Staatsregierungen auf die Eskalation von Gewalt einwirken können, hat sich gerade in den letzten Wochen immer wieder gezeigt.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2011 (Kommentar)


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