Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Säbelgerassel und Drohungen

Osama bin Ladens "Erbe" lastet schwer auf indo-pakistanischen Beziehungen

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Indien und Pakistan hat mit dem Tod Osama bin Ladens und der darauf folgenden Reaktion Neu-Delhis einen neuerlichen Tiefschlag erhalten. Indiens Armeechef V. K. Singh und Luftwaffenmarschall Naik äußerten, ihre Streitkräfte hätten die Fähigkeit, ähnliche Operationen durchzuführen wie die US-Killerkommandos in Abbotabad.

Die politischen Falken in Neu-Delhi schlugen in die gleiche Kerbe und erinnerten daran, daß sie bereits nach dem Massaker von Mumbai im November 2008 »chirurgische Vergeltungsschläge« gegen Terrornester in Pakistan gefordert hatten. Viele Indizien und die Aussagen des gefaßten und inzwischen zum Tode verurteilten pakistanischen Bürgers Kasab belegen, daß die Drahtzieher für den Überfall, bei dem fast 170 Menschen getötet worden waren, in Pakistan sitzen. Die indischen Hardliner bewunderten das professionelle Vorgehen der »US-Boys« gegen Osama bin Laden und sind überzeugt davon, zur Gerechtigkeit für die Mumbai-Opfer gehöre, grenzübergreifend Gewalt anzuwenden.

Diese Kreise lehnen im Lichte der »Osama-Episode« eine volle Wiederaufnahme des Friedensdialogs mit dem Nachbarn zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Ravi Shankar Prasad, ein Sprecher der rechten Indischen Volkspartei BJP, äußerte: »Kein fruchtbarer Dialog ist möglich, solange Pakistan weiter Terrorismus sponsert.«

Auch die an Entspannung mit dem Nachbarn interessierten Kräfte in Indien geben zu, daß Osamas unbehelligtes Leben in Pakistan arge Zweifel an der Versicherung Islamabads genährt habe, auf seinem Gebiet keine Terroristen agieren zu lassen. Tatsächlich hat die »Osama-Episode« die indische Liste gesuchter Verbrecher, die vermutlich in Pakistan untergeschlüpft sind, wieder in den Blickpunkt gerückt. Am Mittwoch veröffentlichte das indische Innenministerium diesen Katalog, der 50 Namen von vielen Indern, aber auch von Offizieren der pakistanischen Streitkräfte enthält und der bereits im März dem pakistanischen Innenministerium zugestellt wurde. Die Spitzenposition nimmt Hafiz Muhammad Said ein. Er gilt als der Hauptverantwortliche für das Mumbai-Blutbad.

Die pakistanischen Medien haben nahezu komplett das Säbelgerassel der indischen Hardliner reflektiert und damit die verbreitete Auffassung im Land nur gestärkt, Indien setze ausschließlich auf Konfrontation. Sie ignorierten hingegen die konstruktiven Stellungnahmen von Außenminister Somanahalli Mallaiah Krishna und der Staatsekretärin im Außenamt, Nirupama Rao. Beide sprachen sich unmißverständlich für die Fortsetzung des Friedensdialogs aus. Die bestehenden vielfältigen Probleme sollten sehr sorgfältig und behutsam behandelt werden. Weiter miteinander um Lösungen zu ringen, sei gerade jetzt für beide Völker der beste Weg.

In Islamabad nahm diese Aussagen Außenamtsstaatssekretär Salman Bashir immerhin mit der Bemerkung auf, er glaube nicht, daß die indische Führung Absichten hege, »chirurgische Schläge« gegen Pakistan zu führen. Dennoch reagierte Pakistans Militär gereizt. Es drohte in Richtung Neu-Delhi: Ein »Abenteuer à la Abbotabad« würde eine »sehr starke Antwort« provozieren.

* Aus: junge Welt, 13. Mai 2011


Zurück zur Indien-Seite

Zur Pakistan-Seite

Zurück zur Homepage