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Mutmaßlicher Drahtzieher der Mumbai-Anschläge gefasst

Saudi-Arabien lieferte Terroristen an Indien aus

Von Hilmar König *

Dem indischen Geheimdienst ist ein dicker Fisch ins Netz gegangen: Sayed Zabiuddin Ansari alias Abu Hamza alias Abu Jindal. Er wurde von Interpol gesucht und stand an der Spitze der indischen Fahndungsliste. Bei dem Anschlag in Mumbai im November 2008 soll er eine zentrale Rolle gespielt haben.

Seit über einem Jahr war der indische Geheimdienst diesem Sayed Zabiuddin Ansari in Saudi-Arabien auf den Fersen. Dorthin hatte ihn die pakistanische militante Organisation Lashkar-e-Taiba (LeT) geschickt, um neue Mitglieder zu werben und finanziellen Nachschub zu organisieren. Die saudischen Behörden zögerten auf Druck Pakistans, den Gesuchten an Indien auszuliefern. Erst nachdem ihnen DNA-Proben von Verwandten Ansaris aus dem indischen Unionsstaat Maharashtra zugestellt worden waren, kam der Stein ins Rollen. Am 21. Juni lieferte Saudi-Arabien den mutmaßlichen Terroristen an Indien aus. Er sitzt vorerst in Untersuchungshaft in Delhi.

Ansari soll in verschiedene Terrorakte auf indischem Gebiet verwickelt sein, darunter ein Sprengstoffanschlag auf das Technologieinstitut in Banglore 2005, ein Anschlag auf die Freitagsmoschee in Delhi 2006, im gleichen Jahr eine Serie von Sprengstoffattentaten auf Vorortzüge in Mumbai, bei denen über 180 Menschen ums Leben kamen, und schließlich im November 2008 das Massaker in Mumbai. Damals löschte ein aus zehn Mitgliedern bestehendes Kommando, das per Schiff aus Pakistan eingedrungen war, an verschiedenen Plätzen der Stadt 166 Menschenleben aus.

Die Drahtzieher saßen in Pakistan, wie im Prozess gegen den einzigen überlebenden Terroristen, den im vergangenen Jahr zum Tode verurteilten Pakistaner Mohammed Ajmal Amir Kasab, deutlich wurde. Das schreckliche Ereignis führte zu einer langjährigen Unterbrechung des Friedensdialogs zwischen Indien und Pakistan. Im LeT-Kontrollzentrum, das den Killertrupp am 26. November 2008 per Satellitentelefon lenkte, soll damals auch Ansari gesessen und Anweisungen gegeben haben. Er hatte zuvor die Bande in Hindi unterrichtet, denn sie sollten nicht gleich als Urdu sprechende Pakistaner erkannt werden, sondern als indische »Deccan Mujahideen«.

Ansari hat angeblich inzwischen in Delhi bestätigt, im LeTKontrollzentrum anwesend gewesen zu sein. Er war 2005 untergetaucht und hatte sich ein Jahr später wohl über Bangladesch nach Pakistan abgesetzt, besaß mehrere Reisepässe und mindestens zehn verschiedene Identitäten. Ursprünglich war er Mitglied der militanten »Indian Mudjahideen«. In Pakistan fand er schnell zur LeT, die besonders im indischen Teil Kaschmirs aktiv ist.

Pakistan bot den Indern sofort seine Mitarbeit bei der Aufklärung der Aktivitäten Ansaris an, da »der Kampf gegen Terrorismus im Interesse beider Länder liegt«, wie aus der pakistanischen diplomatischen Vertretung in Delhi verlautete. Die indische Seite hofft, dass der Ausgelieferte die Hintermänner von »Mumbai 26/11« identifiziert, so dass die vermutete Kollaboration mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI bewiesen wird. Das indische Außenministerium hielt sich bisher mit einer Erklärung zurück und will erst abwarten, was die Verhöre Ansaris bringen. Dennoch steht das Verhältnis zwischen Indien und Pakistan, das sich in den vergangenen Monaten langsam verbesserte, erneut auf dem Prüfstand.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Juni 2012


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