Friedensglocken auf dem Malediven-Eiland
Regierungschefs von Indien und Pakistan gingen bei Südasien-Gipfel aufeinander zu
Von Hilmar König *
Mit der Annahme der »Addu-Deklaration« schloss am Wochenende das
Treffen der Staats- und Regierungschefs der südasiatischen Staatengruppe
SAARC auf der Malediven-Insel Addu seine Beratungen ab. In 20
Punkten werden u. a. das Streben nach Frieden und Entspannung, nach
Demokratie und Schutz der Menschenrechte bekräftigt.
Als Gastgeber verwies der maledivische
Präsident Mohamed Nasheed ausdrücklich auf ein besonderes
Ereignis, ein »Treffen am Rande« des Gipfels, das trotzdem
die meisten Schlagzeilen lieferte:
Der indische Premier Manmohan
Singh und sein pakistanischer
Amtskollege Jusuf Raza
Gilani versicherten sich schon am
ersten Beratungstag gegenseitig,
ein »neues Kapitel« in ihren zwischenstaatlichen
Beziehungen
schreiben zu wollen. Nasheed begrüßte
diese Absicht der beiden
nuklear gerüsteten Rivalen und
wertete sie als bedeutsamen Impuls
für Entspannung und Sicherheit
im Raum der Südasiatischen
Assoziation für Regionalkooperation
(SAARC). Ihr gehören
Afghanistan, Bangladesch,
Bhutan, Indien, die Malediven,
Nepal, Pakistan und Sri Lanka an.
Die Regierungschefs Indiens
und Pakistans gingen in Addu
mehr als nur einen Schritt aufeinander
zu. Singh bezeichnete
Gilani sogar als »Mann des Friedens
«, fast sensationell vor dem
Hintergrund, dass beide Staaten
als »Erzfeinde« seit 1947 drei
Kriege gegeneinander führten und
für das geteilte, von beide beanspruchte
Kaschmirgebiet noch
immer keine nachhaltige politische
Lösung gefunden haben.
Der indische Premier erklärte,
man habe in der Vergangenheit
viel Zeit »mit erbitterten Debatten
verschwendet«. Jetzt müsse
man ein neues Kapitel schreiben.
Der in diesem Frühjahr aktivierte
Dialogprozess, so Singh,
sei auf dem richtigen Gleis, freilich
müsse noch mehr getan werden.
Gilani verwendete in seiner
Bewertung des Treffens fast identische
Vokabeln. Zufrieden konstatierte
er, man habe alle Probleme
diskutiert, die von Grenzfragen,
Wasserressourcen bis zum
Kaschmirkonflikt reichen. Beide
Regierungschefs hoffen, dass die
nächste Dialogrunde noch »produktiver,
konstruktiver und ergebnisorientierter
« wird. Singh
und Gilani wollten offenbar den
Eindruck erwecken, die Periode
gegenseitiger Drohungen, Anklagen,
Vorwürfe und Nadelstiche sei
beendet.
Praktische Schritte in diese
Richtung wären ein Präferenzhandelsabkommen
und ein liberalisiertes
Verfahren zur Visabewilligung,
Förderung des kleinen
Grenzhandels in Kaschmir
und verstärkte Kontakte von Bürgern
beider Nachbarstaaten. Das
alles befindet sich angeblich in der
heißen Phase der Planung. Beschlossen
ist auch die Wiederbelebung
der seit 2005 »scheintoten
« Gemeinsamen Indo-Pakistanischen
Kommission.
Pakistans Innenminister Rehman
Malik verlangte sogar, der in
Indien verurteilte pakistanische
Terrorist Ajmal Kasab sollte gehängt
werden. Er ist der einzige
Überlebende eines islamistischen
Kommandos, das am 26. November
vor drei Jahren in der indischen
Hafenstadt Mumbai ein
Massaker verübte. Ihm fielen 166
Menschen zum Opfer. Diese Bluttat
hatte eine nachhaltige Verschlechterung
des indisch-pakistanischen
Verhältnisses zur Folge.
Eine pakistanische Juristenkommission
steht jetzt vor der
Reise nach Mumbai, um dort
»glaubwürdige Beweise« zu erhalten.
Sie sollen dazu dienen, sieben
in Pakistan festgenommenen
Drahtziehern des Attentats den
Prozess zu machen. Diese Mitteilung
Maliks entspricht einer indischen
Forderung und dient
ebenfalls der Klimaverbesserung.
Neben der Addu-Deklaration
nahm der Gipfel etliche Abkommen
an, darunter über die Etablierung
einer SAARC-Saatbank, ein
schnelles Eingreifen bei Naturkatastrophen
sowie die Einführung
regionaler Standards. Für die
Malediven, einen aus knapp 2000
Korallenatollen bestehenden Staat
im Indischen Ozean, war der
SAARC-Gipfel, der erstmals südlich
des Äquators stattfand, das
größte politische Ereignis des Jahres.
* Aus: neues deutschland, 14. November 2011
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