Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Friedensglocken auf dem Malediven-Eiland

Regierungschefs von Indien und Pakistan gingen bei Südasien-Gipfel aufeinander zu

Von Hilmar König *

Mit der Annahme der »Addu-Deklaration« schloss am Wochenende das Treffen der Staats- und Regierungschefs der südasiatischen Staatengruppe SAARC auf der Malediven-Insel Addu seine Beratungen ab. In 20 Punkten werden u. a. das Streben nach Frieden und Entspannung, nach Demokratie und Schutz der Menschenrechte bekräftigt.

Als Gastgeber verwies der maledivische Präsident Mohamed Nasheed ausdrücklich auf ein besonderes Ereignis, ein »Treffen am Rande« des Gipfels, das trotzdem die meisten Schlagzeilen lieferte: Der indische Premier Manmohan Singh und sein pakistanischer Amtskollege Jusuf Raza Gilani versicherten sich schon am ersten Beratungstag gegenseitig, ein »neues Kapitel« in ihren zwischenstaatlichen Beziehungen schreiben zu wollen. Nasheed begrüßte diese Absicht der beiden nuklear gerüsteten Rivalen und wertete sie als bedeutsamen Impuls für Entspannung und Sicherheit im Raum der Südasiatischen Assoziation für Regionalkooperation (SAARC). Ihr gehören Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, Indien, die Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka an.

Die Regierungschefs Indiens und Pakistans gingen in Addu mehr als nur einen Schritt aufeinander zu. Singh bezeichnete Gilani sogar als »Mann des Friedens «, fast sensationell vor dem Hintergrund, dass beide Staaten als »Erzfeinde« seit 1947 drei Kriege gegeneinander führten und für das geteilte, von beide beanspruchte Kaschmirgebiet noch immer keine nachhaltige politische Lösung gefunden haben.

Der indische Premier erklärte, man habe in der Vergangenheit viel Zeit »mit erbitterten Debatten verschwendet«. Jetzt müsse man ein neues Kapitel schreiben. Der in diesem Frühjahr aktivierte Dialogprozess, so Singh, sei auf dem richtigen Gleis, freilich müsse noch mehr getan werden. Gilani verwendete in seiner Bewertung des Treffens fast identische Vokabeln. Zufrieden konstatierte er, man habe alle Probleme diskutiert, die von Grenzfragen, Wasserressourcen bis zum Kaschmirkonflikt reichen. Beide Regierungschefs hoffen, dass die nächste Dialogrunde noch »produktiver, konstruktiver und ergebnisorientierter « wird. Singh und Gilani wollten offenbar den Eindruck erwecken, die Periode gegenseitiger Drohungen, Anklagen, Vorwürfe und Nadelstiche sei beendet.

Praktische Schritte in diese Richtung wären ein Präferenzhandelsabkommen und ein liberalisiertes Verfahren zur Visabewilligung, Förderung des kleinen Grenzhandels in Kaschmir und verstärkte Kontakte von Bürgern beider Nachbarstaaten. Das alles befindet sich angeblich in der heißen Phase der Planung. Beschlossen ist auch die Wiederbelebung der seit 2005 »scheintoten « Gemeinsamen Indo-Pakistanischen Kommission.

Pakistans Innenminister Rehman Malik verlangte sogar, der in Indien verurteilte pakistanische Terrorist Ajmal Kasab sollte gehängt werden. Er ist der einzige Überlebende eines islamistischen Kommandos, das am 26. November vor drei Jahren in der indischen Hafenstadt Mumbai ein Massaker verübte. Ihm fielen 166 Menschen zum Opfer. Diese Bluttat hatte eine nachhaltige Verschlechterung des indisch-pakistanischen Verhältnisses zur Folge. Eine pakistanische Juristenkommission steht jetzt vor der Reise nach Mumbai, um dort »glaubwürdige Beweise« zu erhalten. Sie sollen dazu dienen, sieben in Pakistan festgenommenen Drahtziehern des Attentats den Prozess zu machen. Diese Mitteilung Maliks entspricht einer indischen Forderung und dient ebenfalls der Klimaverbesserung.

Neben der Addu-Deklaration nahm der Gipfel etliche Abkommen an, darunter über die Etablierung einer SAARC-Saatbank, ein schnelles Eingreifen bei Naturkatastrophen sowie die Einführung regionaler Standards. Für die Malediven, einen aus knapp 2000 Korallenatollen bestehenden Staat im Indischen Ozean, war der SAARC-Gipfel, der erstmals südlich des Äquators stattfand, das größte politische Ereignis des Jahres.

* Aus: neues deutschland, 14. November 2011


Zurück zur Indien-Seite

Zur Pakistan-Seite

Zurück zur Homepage