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Parteitag der indischen Marxisten. Prakash Karat erneut Generalsekretär

Von Hilmar König *

Mit der Wahl des Generalsekretärs ging am Montag der 20. Parteitag der KP Indiens (Marxistisch) in Khozikode im Unionsstaat Kerala zu Ende. Prakash Karat wurde zum dritten Mal in Folge zum Parteichef gewählt.

Sechs Tage lang hatten sich über 700 Delegierte in kritischen Debatten mit dem Zustand und den Aufgaben der Partei sowie mit der Lage im Land befaßt und dazu verschiedene Dokumente verabschiedet. Trotz der Rückschläge bei den letzten Wahlen zum Parlament und zu Volksvertretungen in verschiedenen Unionsstaaten ist die Mitgliederzahl weiter gewachsen. Allerdings gab es im Zusammenhang mit der eklatanten Niederlage bei Wahlen in der einstigen »roten Festung« Westbengalen im Vorjahr dort einen Mitgliederschwund in den Massenorganisationen der KPI (M).

Während Prakash Karat vor der Presse allgemein von einigen Schwächen und Fehlern der Genossen in Westbengalen sprach und dabei konkret nur den Erwerb von Farmland für Industrieprojekte erwähnte, lieferten die vertraulichen Dokumente eine schonungslose Analyse. Demnach gab es gravierende Mängel in der Politik der westbengalischen Linksfrontregierung der letzten Jahre. Sie beträfen das öffentliche Verteilungssystem von Grundnahrungsmitteln zu subventionierten Preisen für die Bedürftigen, das Gesundheits- und das Bildungswesen, die Elektrifizierung ländlicher Gebiete und andere Entwicklungs- und Wohlfahrtsmaßnahmen. Einige Programme seien nicht verwirklicht worden. Die Mängel bei Grunddienstleistungen führten zur Unzufriedenheit unter den Menschen. Zudem sei das Image der Partei durch Hochmut, Bürokratismus und Vernachlässigung der Interessen der Bürger beschädigt worden. Korruption und Fehlverhalten unter einer kleinen Gruppe von Parteiführern sei zunehmend auf Ablehnung in der Bevölkerung gestoßen.

Auch in den Debatten wurde auf Mißbrauch von Parteiämtern, Fraktionsbildung, Bruch der Parteidisziplin, Arroganz, unmoralisches Verhalten und Jagd auf Parlamentssitze durch einige führendene Genossen verwiesen. Allerdings bezog sich das nicht ausschließlich auf Westbengalen. In der politischen Resolution wird der Kampf gegen die neoliberale Politik der Allianzen der Kongreßpartei und der Indischen Volkspartei (BJP) sowie gegen »kommunale Kräfte« (damit sind Extremisten gemeint, die aus religiösen, ethnischen oder kastenpolitischen Erwägungen Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen anheizen) als wichtige Aufgabe genannt. In diesem Kampf müsse die KPI (M) Verbündete unter anderen säkularen und demokratischen Parteien finden. Ebenso wichtig sei die Mobilisierung der Massen gegen Preisauftrieb, Arbeitslosigkeit, gegen das System brutaler ausbeuterischer Kontraktarbeit und für die Lösung der mit der Agrarkrise verbundenen gravierenden Probleme. Nach wie vor sehen zahlreiche Klein- und Kleinstbauern keinen Ausweg aus der Verschuldung und töten sich selbst.

Die Partei müsse sich noch stärker zum Anwalt der diskriminierten Minderheiten machen und sich gegen Unterdrückung und für soziale Gerechtigkeit engagieren. Dabei spiele die Stärkung der linken Einheit eine ausschlaggebende Rolle. Als strategisches Ziel werde eine linke und demokratische Allianz gegen die Kongreßpartei und die BJP angestrebt.

Politbüromitglied Sitaram Yechuri führte vor Journalisten aus, daß die Marxisten einen »Pfad der sozialistischen Umgestaltung und Revolution« favorisieren. Dabei sollen die »konkreten indischen Bedingungen« berücksichtigt werden. Man strebe nach einer Transformation vom Kapitalismus zum Sozialismus, die auf dem Willen des Volkes fußt und durch friedliche Mittel erfolgt. Yechuri sagte, die Partei habe die Erfahrungen in China, Rußland, Kuba, Südafrika, Venezuela und Nordkorea analysiert, um daraus relevante Schlußfolgerungen für die Entwicklung der eigenen Bewegung abzuleiten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 12. April 2012


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