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Pufferzone für die Jarawa

Indien will indigene Gruppe künftig besser schützen

Von Hilmar König *

Auf Kritik im In- und Ausland am Umgang mit der indigenen Gruppe der Jarawa auf den im Golf von Bengalen gelegenen Andaman-Inseln hat Indiens Regierung mit einer Gesetzesänderung reagiert. Sie legt unter anderem eine fünf Kilometer tiefe Pufferzone um das Jarawa-Reservat fest. Unklar bleibt jedoch, wie die neue Verordnung durchgesetzt werden soll.

Die Behörden des Unionsterritoriums der Andamanen und Nikobaren sind außerdem mit dem Verlauf der Pufferzone nicht einverstanden, weil darin auch touristische Sehenswürdigkeiten – Kalksteinhöhlen und Schlammvulkane – liegen, die der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich wären. Deshalb verlangt die Inselverwaltung in Port Blair Aufschub, um Pläne für eine alternative Grenzziehung der Pufferzone auszuarbeiten.

Die Verordnung bezieht sich auf alle Reservate dieses Gebietes, nicht nur auf die Siedlungen der Jarawa. In den Pufferzonen sind touristische Einrichtungen verboten und kommerzielle Unternehmen reguliert. Das würde nach Ansicht der Informationsministerin Ambika Soni »die indigenen Gruppen vor unerwünschten äußeren Einflüssen schützen«. Von solchen Einflüssen sind die etwa 400 Jarawa bereits seit längerem betroffen. Die Gruppe siedelt seit Tausenden Jahren als Jäger und Sammler in den Wäldern. Doch durch ihr Gebiet führt der viel befahrene National Highway 223, der als »Andaman Trunk Road« (ATR) bekannt ist. Er bildet täglich für Hunderte Holztransporter, Lastautos, Busse und mit Touristen besetzte Minivans die hauptsächliche Verkehrs- und Transportader zwischen der Hauptstadt Port Blair und der nördlichsten Stadt Dighlipur. Reisebüros haben sich darauf spezialisiert, auf dieser Route Begegnungen mit Jarawa zu organisieren, was unliebsame Zwischenfälle zur Folge hatte. Besonders zu »Tänzen« animierte Jarawa-Frauen, die Lebensmittel erbettelten, sorgten in der indischen und internationalen Presse für negative Schlagzeilen über »Menschensafaris«.

Die Gesetzesergänzung ist nun eine Reaktion auf diese Entwicklungen. Sie ist nach Einschätzung von Menschenrechtaktivisten ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch ein halbherziger. Die Organisation Survival International, die sich weltweit für die Rechte indigener Völker einsetzt, kommentierte, Indien habe eine Chance verpaßt. Man hätte das Problem durch Schließung der ATR aus der Welt schaffen können. Genau das sah schon ein Urteil des Höchsten Gerichtshofes aus dem Jahre 2002 vor. Der Press Trust of India meldete, daß ein Richtlinienentwurf des National Wildlife Board ausdrücklich einen generellen Verkehrsstopp auf der ATR fordert, »um die Ausbeutung der Jarawa zu beenden«.

Eine Expertengruppe des National Advisory Council, ein von der Kongreßparteivorsitzenden Sonia Gandhi geleitetes Gremium, das die Regierungspolitik beobachtet, hat vorgeschlagen, wenigstens den Teil der ATR zu sperren, der durch das Jarawa-Gebiet führt. Kritiker fürchten jedoch, daß rund um das Reservat vorerst alles beim Alten bleiben werde, weil es keine Instanz gibt, die die neue Verordnung im Alltag durchsetzt.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 18. September 2012

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