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Zeit für einen Freundschaftsvertrag

Zurückhaltende Reaktion Pakistans auf indische Initiative für Frieden und gute Nachbarschaft

Von Hilmar König, Delhi

Die Eröffnung der vierten Busverbindung zwischen Indien und Pakistan nahm Premier Manmohan Singh am Freitag zum Anlass, dem Nachbarn eine neue Friedensinitiative anzubieten. Islamabad reagierte zwar zurückhaltend, erkennt in der Offerte jedoch »viele positive Gedanken«.

Für Indiens religiöse Minderheit der Sikhs ging am Freitag ein Traum in Erfüllung. Der erste Bus nach mehr als 50 Jahren brachte Pilger vom indischen Amritsar ins pakistanische Nankana Sahib, den Geburtsort von Baba Guru Nanak, den Begründer des Sikhismus. Seit der Teilung des Subkontinents im Jahre 1947 liegt das größte Sikh-Heiligtum auf pakistanischem Gebiet und war über Jahrzehnte für die Gläubigen aus Indien nahezu unerreichbar. Ab jetzt haben sie eine Direktverbindung nach Nankana Sahib.

Indiens Premier sorgte dafür, dass die Eröffnung der Buslinie nicht nur Jubel unter den Sikhs auslöste, denen er selber angehört, sondern auch über die Region hinaus Aufmerksamkeit fand. Er erwiderte die jüngsten Vorschläge des pakistanischen Präsidenten General Pervez Musharraf zur Lösung des Kaschmirkonflikts mit einer »Vision von einem Vertrag über Frieden, Sicherheit und Freundschaft« zwischen beiden Ländern. Der im Jahre 2004 in Gang gekommene Friedensdialog müsse, »mit Bedeutung und Substanz versehen«, schließlich in einem solchen Vertrag gipfeln, regte er an. Die Zeit dafür sei reif und wenn alle Beteiligten gewillt seien, die Grundrealitäten anzuerkennen und Lehren aus der Geschichte zu ziehen, dann könne man gemeinsam vorwärts schreiten. In Indien, Pakistan, der gesamten Region verbreitete fundamentale Probleme wie Armut, Krankheiten und Unwissenheit verlangten ein konzertiertes, energisches Vorgehen.

In seiner in Punjabi gehaltenen Rede ging der indische Regierungschef auch auf den Kaschmirdisput ein: »Es ist ein Fehler, die Normalisierung unserer Beziehungen auf anderen Gebieten an die Lösung dieser Frage zu knüpfen.« Genau das jedoch ist das Konzept der pakistanischen Regierung. Delhi weiche aber auch dem Suchen nach pragmatischen, praktischen Lösungen des Konflikts nicht aus, versicherte er. Man müsse einen »kooperativen, konsultativen Mechanismus« für beide Teile Kaschmirs finden.

Die von der pakistanischen Außenamtssprecherin Tasnim Aslam formulierte erste Antwort Islamabads auf Singhs Offerte schätzten politische Beobachter als »maßvoll zurückhaltendend« ein. Ins Visier nahm sie nicht überraschend die Bemerkungen zum Kaschmirproblem, das sie als Grundübel des gespannten, von Misstrauen und nicht selten von Feindschaft gekennzeichneten Nachbarschaftsverhältnisses bezeichnete. Die Grenzkontrolllinie in Kaschmir sei Teil des Problems und nicht die Lösung. Diese Trennlinie und der Status quo in dieser Region seien unakzeptabel für Pakistan und für die Kaschmiren. »Wir brauchen Ernsthaftigkeit und Flexibilität, um das Erbe der Vergangenheit zu bewältigen«, so Frau Aslam. Zugleich sagte sie, die Rede Singhs »reflektierte viele positive Gedanken und eine starke Anerkennung der Notwendigkeit, in der Frage Jammus und Kaschmirs voran zu kommen«. Eine brüske Ablehnung der indischen »Vision« gab es also nicht, auch wenn Islamabad an der Priorität Kaschmirs nicht rütteln lässt. In jedem Fall hat Manmohan Singh ein neues Element in den Dialogprozess gebracht.

* Aus: Neues Deutschland, 27. März 2006


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