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Freihandel mit existenzbedrohenden Folgen?

Linksfraktion im Bundestag kritisiert Folgen des Abkommens zwischen der EU und Indien

Von Martin Lejeune *

Die LINKE thematisiert die Probleme, die das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien mit sich bringen könnte, nun mit einem Antrag an die Bundesregierung.

Das geplante EU-Indien-Freihandelsabkommen (EIF) bringt katastrophale Auswirkungen für die ärmeren Bevölkerungsgruppen in Indien mit sich. Am Dienstag beschloss die Linksfraktion im Bundestag einen Antrag, der von der Bundesregierung eine Stellungnahme zu den EIF-Verhandlungen fordert. Darüber hinaus bringen die Abgeordneten einen gleichlautenden Entschließungsantrag in den Entwicklungsausschuss ein. In diesem beziehen sich die Abgeordneten auf Artikel 23 des Grundgesetzes, der die Bundesregierung dazu verpflichtet, den Bundestag in EU-Angelegenheiten umfassend und frühestmöglich zu unterrichten. Doch dazu sei es in Bezug auf das EIF noch nicht gekommen, kritisiert Annette Groth, Bundestagsabgeordnete der Links-partei. »Schwarz-Gelb verstößt gegen seine Verpflichtungen gegenüber dem Parlament. Die Verhandlungen werden hinter verschlossenen Türen geführt und die Öffentlichkeit zu diesem Thema nicht informiert.«

Die EU-Kommission führt die Verhandlungen mit Indien auf der Grundlage des Verhandlungsmandats, das sich aus der »Global Europe -- Competing in the World«- Strategie ableitet. 2006 wurden die Weichen der europäischen Außenhandelspolitik mit dieser von Kritikern als aggressiv bezeichneten Marktöffnungsstrategie neu gestellt. Die EU beugte sich damit dem Druck der mächtigen Industrie- und Handelslobby in Brüssel. Bilaterale Handels- und Investitionsverträge werden seither auch mit Entwicklungsländern nur noch zur Verbesserung der externen Wettbewerbsfähigkeit der EU beschlossen. »In ihren Liberalisierungsforderungen nimmt die Kommission dabei weder Rücksicht auf die Entwicklungsinteressen breiter Bevölkerungsgruppen in Indien noch auf positive Erfahrungen einer relativ starken Regulierung, die in einigen Sektoren der indischen Volkswirtschaft trotz der Liberalisierung, die in den 90er Jahren eingesetzt hatte, weiterhin besteht«, heißt es in der Begründung des Entschließungsantrags.

Den letzten Anstoß für die Verabschiedung des Antrags gaben die großen Demonstrationen vom Mai, bei denen Gewerkschaften und Milchbauern in Indien gegen das EIF demonstrierten. Groth, die sich seit Jahren mit den Verhandlungen befasst, warnt, dass durch das EIF Indien mit Billigmilch aus der EU überschwemmt werde und Millionen von Milchbauern in ihrer Existenz bedroht seien.

Indien ist auch einer der größten Hersteller von Generika und exportiert diese in Entwicklungsländer. Die Ärzte ohne Grenzen wiesen kürzlich in einem offenen Brief an das Wirtschaftsministerium darauf hin, dass die Produktion dieser Generika durch das EIF gefährdet wird. »Mir ist wichtig, dass dieses Abkommen und die katastrophalen Auswirkungen in Entwicklungsländern auch bei uns thematisiert werden«, begründet Groth die Notwendigkeit des Antrags. »Wir machen uns mitschuldig an zunehmender Arbeitslosigkeit und Armut, wenn wir diese Abkommen einfach so passieren lassen.«

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird bei seiner heutigen Sitzung auch über den Entschließungsantrag beraten und, das zeigt die Erfahrung mit früheren Anträgen der LINKEN, vermutlich ablehnen. »Vielleicht enthalten sich ja die Grünen«, hofft Groth.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2010


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