Indien und Pakistan beenden Dialog-"Pause"
Gemeinsame Anti-Terror-Gruppe vereinbart
Von Hilmar König, Delhi *
Nach einer »Pause« von vier Monaten trafen sich die Staatssekretäre der Außenministerien Indiens
und Pakistans am Dienstag und Mittwoch in Delhi zur Fortsetzung des Dialogs.
Wann immer die Atommächte Indien und Pakistan an den Verhandlungstisch zurückkehren, atmen
Millionen Bewohner in Südasien auf, wächst doch damit die Hoffnung auf Entspannung und
Sicherheit. Der Dialog auf Ebene der Staatssekretäre war im Juli unterbrochen wurden, nachdem
Extremisten in Mumbai mehrere Sprengstoffanschläge auf Vorortzüge verübt und damit über 180
Menschen in den Tod gerissen hatten. Indien machte dafür militante Organisationen verantwortlich,
die ihre Wurzeln in Pakistan haben.
Im September setzte jedoch erneut Tauwetter in den bilateralen Beziehungen ein, als Indiens
Premier Manmohan Singh und Pakistans Präsident General Pervez Musharraf sich zu einem Treffen
während des Gipfels der Blockfreien in Havanna entschlossen. Dabei vereinbarten sie, einen
gemeinsamen »Antiterror-Mechanismus« zu schaffen und den Friedensdialog auf allen Ebenen
wieder anzuschieben. In diesem Kontext hatten nun auch die zweitägigen Gespräche von Pakistans
Außenamtssekretär Riaz Muhammad Khan und seinem indischen Partner Shiv-shankar Menon ihre
Bedeutung. Auch wenn die Zeit offensichtlich noch nicht reif ist, den geplanten »Antiterror-
Mechanismus« in Gang zu setzen, sollen Einzelheiten dazu beraten worden sein.
Das Kernproblem dabei stellen die konträren Grundpositionen dar. Pakistan sieht das Treiben
militanter Gruppen im indischen Jammu und Kaschmir als Teil eines »Befreiungskampfes« an.
Indien verurteilt hingegen jeden Anschlag, in dem Zivilisten zu Schaden kommen, als Terrorakt.
Dennoch wird man über kurz oder lang in dieser Frage an einem Strang ziehen müssen, weil sonst
die Normalisierung des Nachbarschaftsverhältnisses Illusion bleibt.
Vereinbart wurde zunächst, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zum Kampf gegen den Terrorismus
einzurichten. »Ihr Mandat wird sein, auch durch den regelmäßigen und zeitnahen Austausch von
Informationen Anti-Terror-Maßnahmen zu prüfen«, hieß es in der Abschlusserklärung des Treffens.
Ausführlich widmete man sich den vertrauensbildenden Maßnahmen im pakistanischen und
indischen Teil Kaschmirs, die bereits wirksam sind, beispielsweise dem Busverkehr über die
Grenzkontrolllinie hinweg. Aber auch neue Vorstellungen wurden erörtert: eine Busverbindung
zwischen Kargil im indischen Ladakh und dem nordpakistanischen Skardu, die Aufnahme des
Gütertransports über die Grenze im Frühjahr nach der Schneeschmelze, mehr Pilgerreisen zu
religiösen Stätten und eventuell ein Lkw-Verkehr zwischen Rajasthan und der pakistanischen
Provinz Sindh.
Die Absicht, eine Vereinbarung zu Maßnahmen über die Minimierung des nuklearen Risikos zu
unterzeichnen, wurde wegen nicht näher erläuterter »prozeduraler Erfordernisse« in letzter Minute
aufgegeben. Auch bei der Entmilitarisierung des Siachen-Gletschers, des höchsten Schlachtfeldes
in der Welt, kam man zu keinem greifbaren Ergebnis.
Indiens Außenminister Pranab Mukherjee empfing Staatssekretär Khan zu einem
Höflichkeitsbesuch, bei dem er die Wiederaufnahme der Kontakte begrüßte und sich für Fortschritte
im acht Themenfelder umfassenden Dialog aussprach. Alles in allem keine sensationellen
Ergebnisse, aber deutliche Signale, sich weiter für Entspannung und Frieden einsetzen zu wollen.
* Aus: Neues Deutschland, 16. November 2006
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