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Westerwelle wirbt für die Wirtschaft

Interesse an Rüstungsexporten nach Indien

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat die Atommacht Indien zu verstärkten Bemühungen bei der nuklearen Abrüstung aufgerufen.

Es wäre ein »großer Schritt nach vorn«, wenn Indien das umfassende Teststoppabkommen CTBT ratifizieren würde, sagte Westerwelle am Dienstag nach Treffen mit Premierminister Manmohan Singh und Außenminister S. M. Krishna in Delhi. Deutschland würde es auch begrüßen, wenn Indien sich dem System der nuklearen Nichtverbreitung annähere. Den Beitritt zu dem entsprechenden Abkommen lehnt Delhi bislang strikt ab.

Gleichzeitig betonte der Vizekanzler das Interesse an deutschen Rüstungslieferungen nach Indien. Es gebe dafür mehrere Angebote. Die deutschen Unternehmen könnten dabei mit Unterstützung der Bundesregierung rechnen. Zur Modernisierung seiner veralteten Luftwaffe prüft die indische Regierung auch die Anschaffung von Eurofightern. Erwartet wird, dass beim Berlin-Besuch von Premier Singh voraussichtlich im Dezember darüber gesprochen wird.

Eine enge Abstimmung mit Indien vereinbarte Westerwelle für die Zeit des gemeinsamen nichtständigen Sitzes im UNO-Sicherheitsrat ab 1. Januar. Nach seinen Angaben wollen sich die Mitglieder der G4-Gruppe (Brasilien, Japan, Indien, Deutschland) schon in nächster Zeit treffen, um das weitere Vorgehen bei der von ihnen angestrebten UN-Reform festzulegen.

Nach Westerwelles Worten sind Deutschland und Indien durch eine »gemeinsame Wertegemeinschaft« eng verbunden. Ohne funktionierende demokratische Institutionen wäre die wirtschaftliche »Erfolgsgeschichte« Indiens in den vergangenen Jahren nicht möglich gewesen, sagte er in einer Rede vor dem Institut für Technologie in Delhi. Das Aufkommen einer Mittelschicht mit 260 Millionen Menschen sei auch ein Zeichen für wachsende soziale Gerechtigkeit in dem bevölkerungsmäßig zweitgrößten Land der Erde. Deutsche Unternehmen stünden bereit, Indien beim Ausbau der Infrastruktur und einer modernen Energieversorgung »mit innovativen und kreativen Lösungen« zu helfen. Der Minister warb dafür, dass mehr als die derzeit etwa 4000 indischen Studenten nach Deutschland zum Studium kommen.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Oktober 2010


Pluralität als Mitbringsel

Von Antje Stiebitz **

Deutschland ist für Indien der fünftgrößte Handelspartner. Umgekehrt lag der Subkontinent auf der Liste der deutschen Partner 2009 beim Import auf Platz 26 hinter Rumänien, beim Export auf Platz 19 hinter Japan. Nicht gerade vordere Ränge, aber von wachsender Bedeutung. Denn mit einem Wirtschaftswachstum von 7,2 Prozent ist Indien - nach China - eine der weltweit am stärksten expandierenden Wirtschaftsmächte. Ein Boom, der auf Renditen hoffen lässt. Dazu kommt die gerade vollzogene gemeinsame Aufnahme als nichtständige Mitglieder in den UN-Sicherheitsrat: Zwei gute Gründe, die Außenminister Guido Westerwelle nach fast einjähriger Amtszeit endlich nach Indien führen.

Bemerkenswert, was er dort zur gerade viel diskutierten Muli-Kulti-Debatte äußerte: Das multi-ethnische Indien mit seinen diversen Religionsgemeinschaften sende »ein starkes Signal an andere Gesellschaften aus«. Leider nehmen wir hierzulande oft nur wahr, wie sich auf dem Subkontinent von Zeit zu Zeit religiöser Hass entlädt. Doch gibt es kaum ein anderes Land, das eine derartige Vielfalt an Religionen, Sprachen und Ethnien zulässt - auf engstem Raum. Hoffentlich bringt Westerwelle seinem Koalitionspartner ein paar Anregungen aus der Ferne mit. Denn auf dem Weg in eine plurale Gesellschaft können wir von Indien lernen.

** Aus: Neues Deutschland, 19. Oktober 2010 (Kommentar)


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