Bomben sollten Friedensprozess treffen
Indien und Pakistan wollen sich vom Attentat auf »Freundschaftsexpress« nicht beirren lassen
Von Hilmar König, Delhi *
Am Vorabend des Indien-Besuchs des pakistanischen Außenministers explodierten in einem
Schnellzug von Indien nach Pakistan Sprengsätze. Mindestens 67 Passagiere fanden bei dem
Anschlag den Tod.
Für Indiens Eisenbahnminister Lalu Prasad Yadav stand sofort fest, dass es sich um Sabotage, um
einen »Akt von Terrorismus« handelte. »Die Absicht ist klar. Die Explosionen zielen darauf, die
Friedensgespräche entgleisen zu lassen«, erklärte er in einer ersten Stellungnahme. In der Nacht
zum Montag waren in dem zwischen Indien und Pakistan verkehrenden Schnellzug mehrere
Bomben detoniert. Zwei Waggons brannten völlig aus. Es gab mindestens 67 Todesopfer – die
meisten sind Pakistaner, die auf der Heimreise waren. An den Gleisen und in einem Waggon fand
man in der Nähe der Ortschaft Deewana, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Delhi, zwei weitere
Sprengsätze, die nicht gezündet worden waren.
Indien hat in der Folge auf allen Bahnhöfen, auch der U-Bahn in Delhi, die Sicherheit sichtlich
verstärkt. Ebenso werden die Busse von Delhi und von Amritsar nach Lahore schärfer kontrolliert.
In dem Zug, der gewöhnlich ohne Stopp bis zur Grenzstation Attari durchfährt, befanden sich 527
Fahrgäste. Sie sollten in Attari in den »Samjhauta Express« umsteigen, der sie ins knapp 30
Kilometer entfernte pakistanische Lahore bringt. Das Hindi-Wort »Samjhauta« heißt Übereinkunft,
Kompromiss. Der auch »Freundschaftsexpress« genannte Zug gilt als Symbol für die
Friedensbemühungen zwischen den beiden rivalisierenden Atommächten. Bis zum vorigen Jahr war
die Strecke zwischen Attari und Lahore die einzige Eisenbahnverbindung zwischen den
Nachbarstaaten.
Pakistans Regierung will sich von dem Anschlag nicht beirren lassen. Auch sie geht von einem
terroristischen Hintergrund aus. Jetzt müsse man den Friedensprozess erst recht vorantreiben,
sagte Außenminister Khurshid Kasuri. Selbstverständlich wolle er an diesem Dienstag wie geplant
nach Indien reisen, um den Friedensdialog fortzusetzen. Das sei die einzige richtige Antwort auf die
Tat.
Wer die Drahtzieher des Verbrechens sind, ist noch ungewiss. Allerdings ist es sicher kein Zufall,
dass die Sprengkörper kurz vor Kasuris Besuch explodierten. So verwundert es nicht, dass der erste
Verdacht auf die im indischen Teil von Jammu und Kaschmir operierenden kaschmirischen Rebellen
fiel. Diese kämpfen seit 1989 für die Unabhängigkeit beziehungsweise für einen Anschluss an
Pakistan. Rund 50 000 Tote sind in dem Konflikt bislang zu beklagen.
Seit dem 2004 begonnenen Tauwetter in den indisch-pakistanischen Beziehungen geraten die
Aufständischen immer mehr ins Abseits. Ihnen passt der Friedensdialog nicht, in den sich auch die
kaschmirische Koalition »Hurriyat-Konferenz« in jüngster Zeit mit moderaten Tönen eingeschaltet
hat. Die Militanten wollen keinen Kompromiss und argumentieren, dann wären alle ihre Opfer
umsonst gewesen. Sie lehnen auch die seit einiger Zeit kursierenden Vorschläge des pakistanischen
Präsidenten General Pervez Musharraf zur Beilegung des Kaschmirproblems ab.
Der »Samjhauta Express« verkehrte nach dem Terroranschlag auf Indiens Parlament 2001 drei
Jahre nicht. Erst seit Aufnahme des Friedensdialogs im Frühjahr 2004 rollte er wieder.
* Aus: Neues Deutschland, 20. Februar 2007
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