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Anschlag vor Oberstem Gericht in Delhi

Elf Menschen starben in der indischen Hauptstadt / Bekenntnis islamischer Extremisten

Von Hilmar König *

Indien ist am Mittwoch (7. Sept.) erneut von einem terroristischen Anschlag heimgesucht worden. Vor dem Gebäude des Obersten Gerichts in Delhi explodierte am Vormittag ein Sprengsatz. Dabei wurden elf Menschen getötet und rund 50 verletzt. Innenminister Palaniappan Chidambaram, der am Mittag den Ort des blutigen Geschehens inspizierte, machte ein noch nicht identifiziertes »Terrormodul« für den Anschlag verantwortlich.

Eine Schlange von etwa 200 Leuten hatte sich vor dem Tor Nummer 5 des Gebäudes im Zentrum der indischen Hauptstadt gebildet. Sie wollten sich am Empfangsschalter registrieren lassen. Der Mittwoch ist stets ein besonders geschäftiger Gerichtstag, weil die Bürger öffentliche Beschwerden einreichen können. Da ging der wohl in einer Aktentasche versteckte Sprengkörper hoch und löste Panik aus. Bereits im Mai war hier ein ähnliches Attentat verübt worden, allerdings ohne Schaden anzurichten. Am 13. September 2008 hatten an drei verschiedenen Einkaufsplätzen in Delhi gezündete Bomben insgesamt 25 Menschen getötet. Einem Anschlag im April 2006 auf die Jama- Moschee in der Altstadt Delhis fielen 14 Menschen zum Opfer. Und im Oktober 2005 kamen bei Explosionen auf zwei Märkten und in einem Bus 59 Bürger ums Leben.

Die Nationale Ermittlungsagentur und die Nationale Sicherheitsgarde nahmen umgehend ihre Arbeit auf. Sie assistieren die Delhier Polizei bei den Untersuchungen. Die zu dieser Zeit versammelten Abgeordneten des Parlaments verurteilten in einer kurzen Sitzung einmütig den Terrorschlag und beschlossen, ihre Beratungen zu unterbrechen. Premier Manmohan Singh, der sich zu einem offiziellen Besuch im Nachbarland Bangladesch aufhält, sagte in Dhaka, es habe sich um eine feige Attacke gehandelt. »Es ist ein langer Krieg. Alle politischen Parteien sollten gemeinsam diese Geißel vernichten …Wir werden nicht nachgeben«, erklärte er.

Das Attentat geschah zu einem Zeitpunkt, da die Regierung der Vereinten Progressiven Allianz wegen zahlreicher Bestechungsaffären ohnehin unter dem Druck der Öffentlichkeit steht und der von dem Sozialaktivisten Anna Hazare geführten Bewegung »Indien gegen Korruption« Zugeständnisse beim Verfassen eines strikten Antikorruptionsgesetzes machen musste. Die Opposition beschuldigt diese Regierungskoalition, zu lasch im Kampf gegen terroristische Aktivitäten zu sein. So warf Ravi Shankar Prasad, der Sprecher der rechten Indischen Volkspartei, am Mittwoch nicht überraschend der Regierung »Sicherheitsschwächen« vor. Aber auch von links kam Kritik. Dorasamy Raja von der Führung der KP Indiens verlangte zu prüfen, ob der Sicherheitsapparat oder die Politik versagt habe. »Ich glaube, es handelt sich um einen Fehler des Innenministeriums«. äußerte er.

Unterdessen bekannten sich islamische Extremisten zu dem Bombenanschlag. Laut der Nachrichtenagentur IANS übernahm die von den Nachbarländern Pakistan und Bangladesch aus operierende Terrorgruppe Harkat-ul Jihadi-e-Islami in einer Botschaft an mehrere Medien die Verantwortung für das Attentat.

* Aus: Neues Deutschland, 8. September 2011


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