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Atomtests in Indien und Pakistan

Am 11. und 13. Mai hat Indien atomare Testexplosionen durchgeführt, gefolgt von Pakistan, das am 28. und 30. Mai seinerseits Atomsprengköpfe zündete. Die Beschaffenheit der Sprengsätze sowie die entsprechenden Erklärungen der beiden Regierungen schaffen die Tatsache, dass Indien und Pakistan nun definitiv zu den Atomwaffenstaaten zu zählen sind. Beide Staaten sind waffentechnisch in der Lage, Atomsprengköpfe militärisch einzusetzen. Die Atomtests Indiens und Pakistans haben die Welt aus einer nur scheinbaren atomaren Ruhephase aufgestört. Lange war bekannt, dass beide Staaten an Atomwaffenprogrammen arbeiteten; beide haben weder den Atomwaffensperrvertrag noch den Teststoppvertrag (CTBT) unterzeichnet. Die Empörung der Weltöffentlichkeit über die Tests war berechtigt, die Empörung der Atomwaffenstaaten dagegen war zumindest zum Teil heuchlerisch (die USA verhängten Wirtschaftssanktionen, die aber nicht von sehr langer Dauer waren: Anfang November wurden sie wieder aufgehoben). Denn die Kritik an Indien und Pakistan beruht auf der Voraussetzung, dass nur die fünf "offiziellen" Atomwaffenstaaten (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) Atomwaffen besitzen dürfen, alle anderen dagegen nicht. Diese Aufteilung der Welt in Besitzer und Nichtbesitzer von Atomwaffen war einer der Gründe für Indien und Pakistan, dem Atomwaffensperrvertrag (der 1995 unbefristet verlängert wurde) nicht beizutreten. Statt dessen haben sie eine völlige Atomabrüstung verhandelt sehen wollen. Dagegen aber sträuben sich die Atomaffenstaaten, allen voran die USA, die z.B. auch noch nach der Unterzeichnung des Teststoppabkommens (Ende 1996) wiederholt sogenannte sub-kritische Tests durchführten (1997 und 1998). Erinnert werden sollte auch daran, dass die USA in ihrer Militärstrategie schon immer eine nukleare Erstschlagsoption aufrechterhalten haben - es blieb dem UdSSR-Nachfolgestaat Russland vorbehalten, Anfang der 90er Jahre diesbezüglich mit den USA gleichzuziehen. Kurzum: Die Forderungen der Atomwaffen besitzenden Staaten an Indien und Pakistan (warum nicht auch an Israel?!), in gegenseitige Verhandlungen über eine atomare Abrüstung einzutreten, bleibt so lange unglaubwürdig, als die Fordernden nicht gewillt sind, ihre eigenen Atomwaffenpotentiale selbst in multilateralen Verhandlungen zur Disposition zu stellen. Widersprüchlich bleibt aber auch eine Haltung wie die der indischen Regierung, die einerseits die Forderung nach einer völligen atomaren Abrüstung weltweit wiederholt, andererseits aber glaubt, dies dadurch unterstreichen zu können, dass sie sich auf die gleiche Ebene mit den bisherigen Atomwaffenstaaten begibt.

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