Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Indien, Pakistan und der indisch-pakistanische Konflikt

Juni/Juli 2006

Donnerstag, 1. Juni, bis Sonntag, 11. Juni
  • Zwei Selbstmordattentäter haben in Pakistan bei einem Anschlag auf einen Militärkonvoi am 2. Juni mindestens vier Soldaten mit in den Tod gerissen. Acht weitere Soldaten wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen verletzt, als sich die Männer in einem Dorf in Nord-Wasiristan an der Grenze zu Afghanistan in ihrem Auto in die Luft sprengten. Der Konvoi befand sich den Angaben zufolge auf dem Weg in die 200 Kilometer südwestlich von Islamabad gelegene Stadt Bannu, als er wegen einer Panne anhalten musste. Es ist bereits der zweite Anschlag auf pakistanische Soldaten in der Region innerhalb einer Woche. Am 28. Mai waren bei einem Autobombenanschlag nahe der Stadt Miranschah ein Soldat und ein Polizist getötet worden.
  • In Pakistan sollen nach dem schweren Erdbeben vom vergangenen Oktober rund 55.000 Menschen endgültig umgesiedelt werden. Nach amtlichen Angaben vom 3. Juni geht es bei dem Umsiedlungsprogramm darum, zukünftige Wohnungen nicht in Gefahrenzonen für eventuelle Erdrutsche zu errichten. Die Gefahr von Erdrutschen steigt mit der Saison der sommerlichen Monsun-Regenfälle. Durch das Erdbeben der Stärke 7,6 waren am 8. Oktober mehr als 73.000 Menschen ums Leben gekommen und 3,3 Millionen obdachlos geworden.
  • Der früher als erwartet hereingebrochene Monsun-Regen hat in Indien bisher mindestens 133 Menschen den Tod gebracht. Allein am 4. Juni starben 28 Menschen, wie die Regierung mitteilte. In zahlreichen Bundesstaaten stünden Dörfer unter Wasser, Straßen und Bahngleise seien unterspült worden. Die Monsun-Opfer seien durch Blitzschläge getötet worden, ertrunken oder in schweren Stürmen unter ihren Häusern begraben worden. Am schlimmsten betroffen sei der Osten des Bundesstaates Assam im Nordosten des Subkontinents. Der Monsun-Regen hat das Land eine Woche früher getroffen als gewohnt. Die Fluten rufen Erinnerungen wach an die schweren Überschwemmungen des vergangenen Jahres, in denen hunderte Menschen ums Leben kamen.
  • Mit einiger Verspätung hat der deutsche Autobauer Volkswagen nun grünes Licht für eine Montagefabrik in Indien bekommen. Die Regierung des Bundesstaates Punjab erklärte, sie werde den Bau der Großanlage für umgerechnet rund 257 Millionen Euro genehmigen. Dort sollen jährlich 100.000 Fahrzeuge vom Band laufen und 5000 Menschen arbeiten. Die Behörden boten VW drei Standorte sowie den Anschluss an Wasser- und Energieversorgung an. VW hielt sich mit einer Zusage jedoch zurück. Die Verträge seien noch nicht unterzeichnet, sagte ein Sprecher des Konzerns. Mit einer schnellen Entscheidung sei nicht zu rechnen. Bislang betreibt Volkswagen in Indien nur eine vergleichsweise kleine Fabrik zur Endmontage von rund 25.000 Skodas pro Jahr. (AFP, 9. Juni)
  • Mutmaßliche Stammesführer sprengten am 10. Juni nahe Quetta drei Erdgas-Pipelines in die Luft. Mehrere tausend Haushalte waren nach den Anschlägen von der Versorgung abgeschnitten, wie die Behörden mitteilten. Verletzt wurde niemand. In der Unruheprovinz Belutschistan kommt es immer wieder zu Aufständen und Anschlägen rivalisierender Stämme, die von der Zentralregierung in Islamabad eine stärkere Beteiligung an den Einnahmen aus den Bodenschätzen verlangen.
  • Indien hat nach Medienberichten vom 11. Juni erfolgreich eine Mittelstreckenrakete getestet. Nach Informationen der Nachrichtenagentur PTI verfügt die Boden-Boden-Rakete über eine Reichweite von bis zu 350 Kilometern und ist kernwaffentauglich. Die Raketen sind in Indien entwickelt worden. Zum Rüstungsprogramm des Landes gehören weitere Kurz- und Mittelstreckenraketen.
  • Bei einem Angriff der pakistanischen Sicherheitskräfte auf ein Ausbildungslager von Militanten sind nach Militärangaben mehr als 30 Islamisten getötet worden. Die getöteten Männer, darunter arabische und usbekische Kämpfer, seien an Anschlägen in Pakistan und Afghanistan beteiligt gewesen, erklärte ein Sprecher der Sicherheitskräfte am 11. Juni. Auch sieben Angehörige lokaler Stämme, denen Verbindungen zu Al Kaida und Taliban vorgeworfen werden, seien unter den Opfern gewesen. Bei der Militäraktion am Morgen des 10. Juni in Drub Lokai in der Region Nord-Waziristan nahe der afghanischen Grenze seien die Soldaten von Militärhubschraubern unterstützt worden.
Montag, 12. Juni, bis Sonntag, 18. Juni
  • Bei einem Bombenanschlag in der südwestpakistanischen Stadt Quetta (Hauptstadt der Provinz Baluchistan) sind am 12. Juni fünf Menschen getötet und 17 weitere verletzt worden. Der Sprengsatz war in einer Plastiktüte neben einem Tee-Verkaufsstand versteckt, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Unter den Todesopfern sei ein zehnjähriger Junge. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat.
  • Indien hat den ranghohen UN-Beamten Shashi Tharoor als Kandidaten für die Nachfolge von UN-Generalsekretär Kofi Annan nominiert. Die indische Regierung habe andere Staaten über den Vorschlag informiert und sie um ihre Unterstützung für Tharoor gebeten, sagte Außenminister Navtej Sarna am 15. Juni vor Journalisten in Neu-Delhi. Tharoor ist derzeit als einer der Stellvertreter Annans für Kommunikation zuständig. Er arbeitet seit 1978 bei den Vereinten Nationen. Annans Amtszeit endet zum Jahresende.
  • Am 15. Juni haben sich die Staatschefs der 6 Mitglieder der Shanghaier Kooperations Organisation (SCO) in Shanghai zu ihrem 6. Gipfel getroffen. Begrüsst wurden sie durch Chinas Präsidenten Hu Jintao. Die SCO hatte sich vor fünf Jahren gegründet und schon jetzt haben etliche Staaten ihren Beitritt zur SCO kundgetan. Laut dem Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Liu Jianchao, sind auch Spitzenpolitiker der Beobachterländer anwesend. So werden die Präsidenten der Mongolei, Pakistans und des Irans der Konferenz als Beobachter beiwohnen. Weiterhin hat sich der indische Minister für die Ölindustrie und Erdgas, Deora angesagt. Der afghanische Präsident, der Vorsitzende des Exekutivrates der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Vladimir Rushailo und der stellvertretender Generalsekretär der ASEAN, Wilfrido v. Villacorta wurden als Gäste eingeladen.
  • Unbekannte haben in der pakistanischen Hafenstadt Karachi am 15. Juni ein Polizeifahrzeug angegriffen und fünf Menschen erschossen. Ein Soldat kam zudem ums Leben, als eine Bombe neben einem Militärkonvoi nahe der Grenze zu Afghanistan explodierte. Im Südwesten des Landes, wo Rebellen um die Kontrolle von Gasvorkommen kämpfen, wurden zwei weitere Menschen durch eine Mine getötet. "Es sieht aus, als wenn es sich um eine gezielte Tötung handelt", sagte ein leitender Polizeivertreter zu dem Überfall in Karachi. Vier der Todesopfer seien Polizisten, darunter auch der stellvertretende Leiter eines Gefängnisses. Bei dem fünften Toten handelt es sich einem Krankenhausvertreter zufolge um einen Autofahrer, der zufällig vorbei kam. Wer hinter der Gewalttat steckt, ist unklar. Der Vizechef des Gefängnisses hatte jedoch seit geraumer Zeit Drohungen von Kriminellen erhalten.
  • In Pakistan ist eine Hilfsarbeiterin zusammen mit ihren beiden Töchtern sowie einer weiteren Frau erschossen worden. Unbekannte Täter eröffneten am frühen Morgen des 16. Juni im Haus der Familie das Feuer auf die schlafenden Opfer, wie die Regierung mitteilte. Der Hintergrund der Tat in der Stammesregion Aurakzai, rund 250 Kilometer südlich von Peshawar, war zunächst nicht bekannt.
  • Beim Sturz eines vollbesetzten Lastwagens in eine Schlucht im Himalaya im indischen Teil von Kaschmir sind mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Die insgesamt 46 Arbeiter waren auf dem Weg von Jammu in die Sommerhauptstadt Srinagar, als der Fahrer bei Ramban rund 160 Kilometer von Jammu die Kontrolle verlor über das Fahrzeug verlor, wie die Polizei am 18. Juni mitteilte. Der Wagen stürzte 106 Meter tief in die Schlucht. Rettungskräfte konnten 26 Menschen bergen, von denen drei jedoch später ihren Verletzungen erlagen.
Montag, 19. Juni, bis Freitag, 30. Juni
  • Der Frauenmangel im indischen Unionsstaat Gujarat hat nach einem Zeitungsbericht vom 19., Juni ein Geschäft mit Leihfrauen hervorgebracht. Einige Ehemänner böten ihre Frauen anderen Männern zum Führen des Haushalts und zur Gesellschaft an, berichtete die "Times of India" unter Berufung auf Polizeikreise. Sex gehöre zum Paket dazu. Die Zeitung führte das Beispiel eines Landarbeiters an, der seine Frau für umgerechnet rund 140 Euro pro Monat einem reichen Landbesitzer überlasse. Das normale Einkommen aus der Landarbeit beträgt rund 20 Euro pro Monat. In Teilen Indiens nimmt der Mangel an Frauen spürbar zu. Ein Grund dafür sind Abtreibungen von Mädchen, weil sie als stärkere Belastung der Familie angesehen werden. Landesweit kamen 2001 nach offiziellen Statistiken auf 1.000 Jungen nur 927 Mädchen, in Gujarat waren es 828. In Teilen des Unionsstaates stehen Schätzungen der Behörden zufolge nur etwa 700 Mädchen jeweils 1.000 Jungen gegenüber.
  • Zweieinhalb Jahre nach der Aufnahme von Friedensgesprächen zwischen Indien und Pakistan haben die beiden Länder in der umstrittenen Region Kaschmir eine zweite Buslinie eröffnet. Die Buslinie solle die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan stärken, sagte die Chefin der regierenden Kongresspartei, Sonia Ghandi, am 20. Juni an der Kontrolllinie. Die Einweihung der Strecke von Poonch über die Kontrolllinie bis nach Rawlakot fand unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Busverbindung soll die Zusammenführung von Familien ermöglichen, die auf der jeweils anderen Seite der Kontrolllinie leben.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 26. Juni im Nordwesten Pakistans einen militärischen Kontrollposten angegriffen und sieben Soldaten getötet. Fünf weitere wurden nach offiziellen Angaben verletzt. Der Anschlag ereignete sich in der Nähe von Miran Schah, der größten Stadt in der Stammesregion von Nord-Waziristan. Dort verüben mutmaßliche Mitglieder des Terrornetzwerks Al Kaida und Extremisten mit Verbindungen zu den Taliban im benachbarten Afghanistan regelmäßig Anschläge auf pakistanische Soldaten. Wer hinter dem neuerlichen Anschlag steckte, war zunächst nicht bekannt.
  • Ein führendes Mitglied der tamilischen Rebellen hat sich für das Attentat von 1991 auf den früheren indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi entschuldigt. "Das ist eine große Tragödie, eine monumentale historische Tragödie, die wir zutiefst bereuen. Wir rufen die Regierung und das Volk von Indien auf, großmütig zu sein und die Vergangenheit ruhen zu lassen", sagte der Chef-Unterhändler der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), Anton Balasingham, am 27. Juni in einem Interview des indischen Senders NDTV. Die LTTE hatten das Attentat auf Gandhi verübt, weil sich Indien während seiner Regierungszeit in den Krieg in Sri Lanka eingemischt hatte.
  • Im Kampf gegen den Terrorismus wird Pakistan die Truppen im Grenzgebiet zu Afghanistan um 10.000 Soldaten aufstocken und deren Anzahl damit mehr als verdoppeln. Mit den zusätzlichen Soldaten sollten Anhänger der radikal-islamischen Taliban in der Region bekämpft werden. Das sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice nach einem Treffen mit Pakistans Präsident Pervez Musharraf am 27. Juni in Islamabad. Rice warb um mehr Zusammenarbeit zwischen Pakistan, Afghanistan und den USA im Kampf gegen den Terrorismus.
  • Der gesuchte Taliban-Führer Mullah Omar hält sich laut pakistanischen Angaben vermutlich in Afghanistan auf. Pakistan werde handeln, sobald verlässliche Geheimdienstinformationen über Omars Aufenthaltsort vorlägen, sagte Außenminister Khursheed Kasuri am 28. Juni der Nachrichtenagentur AP in Islamabad. Die US-geführten Koalitionstruppen haben im Süden Afghanistans eine groß angelegte Offensive gestartet, nachdem die Aufständischen in den vergangenen Wochen ihre Angriffe verstärkt hatten.
Samstag, 1. Juli, bis Sonntag, 9. Juli
  • Eine Einigung über die Liberalisierung des Welthandels steht weiterhin aus. Ein Ministertreffen bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf endete am 1. Juli ohne Ergebnisse. Der Handelskommissar der Europäischen Union, Peter Mandelson, warnte vor einem Scheitern der gesamten Doha-Runde, wenn nicht noch in diesem Sommer Fortschritte erzielt würden. Der indische Handelsminister Kamal Nath erklärte die Gespräche indessen schon jetzt für gescheitert. Die Doha-Runde - benannt nach der Hauptstadt von Katar, wo sie vor fünf Jahren initiiert wurde - zielt auf einen weiteren Abbau protektionistischer Hürden im Welthandel ab. Das bisherige Angebot der Europäischen Union sieht vor, die Einfuhrzölle auf landwirtschaftliche Produkte aus Nicht-EU-Staaten um durchschnittlich 39 Prozent zu reduzieren. Eine von Indien und Brasilien angeführte Gruppe von 20 Entwicklungs- und Schwellenländern, genannt G-20, verlangt jedoch eine Absenkung der Importzölle um 54 Prozent.
  • Bei Gefechten zwischen Soldaten und mutmaßlichen islamischen Extremisten im indischen Teil Kaschmirs sind in der Nacht zum 3. Juli insgesamt neun Menschen getötet worden. Bei den Opfern handle es sich um acht Extremisten und einen Soldaten, teilten Polizei und Streitkräfte mit. In Kaschmir kämpfen verschiedene Gruppierungen für die Unabhängigkeit des Territoriums von Indien beziehungsweise für den Anschluss an Pakistan.
  • Die USA stehen kurz vor einem größeren Waffengeschäft mit Pakistan. Islamabad will 36 Kampfjets vom Typ F-16 kaufen, wie das Weiße Haus am 3. Juli bekannt gab. Die Kosten für das Paket wurden mit fünf Milliarden Dollar (3,9 Milliarden Euro) angegeben. Der Sprecher von US-Präsident George W. Bush, Tony Snow, bezeichnete Pakistan als "wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten" der USA im Kampf gegen den Terrorismus. Indien, das sich mit dem Nachbarland Pakistan um die Kaschmir-Region streitet, reagierte verärgert auf die Ankündigung aus Washington.
  • Mehr als vier Jahrzehnte nach ihrem Grenzkrieg haben China und Indien einen Pass auf der historischen Seidenstraße im Himalaya-Gebirge wieder geöffnet. Die Wiedereröffnung des Abschnitts der Seidenstraße markiere den Beginn "eines neuen Zeitalters der Hoffnung und des Wohlstands", sagte der Chef der autonomen chinesischen Region Tibet, C. Phuntso, bei der Feierlichkeit am Nathu-La-Pass am 6. Juli. Zu der Zeremonie bei eisigen Temperaturen in 4545 Metern Höhe hatten sich auf beiden Seiten rund hundert Händler eingefunden, die symbolisch die Grenze passierten und auf der anderen Seite mit Musik, Girlanden und Seidenschals begrüßt wurden.
    Der Grenzübergang soll künftig von Anfang Juni bis Ende September geöffnet sein. Aus Indien dürfen den Vereinbarungen zufolge 29 Arten von Waren ausgeführt werden, darunter Textilien, Tee, Gerste, Reis und Kräuter. Chinesische Händler dürfen in Indien 15 verschiedene Waren verkaufen, wie Pferde, Ziegen, Schafe, Ziegenhäute oder Rohseide. Offizielles Zahlungsmittel auf beiden Seiten soll der US-Dollar sein. Chinas Botschafter in Indien, Sun Yuxi sagte, nun werde die Grenze für Händler geöffnet, bald vielleicht auch für Touristen.
    Der Nathu-La-Pass war 1962 nach einem kurzen Grenzkonflikt zwischen China und Indien geschlossen worden. Er verbindet die Tibetregion mit dem indischen Bundesstaat Sikkim, das bis 1975 ein unabhängiges Königreich war. Erst vor drei Jahren verzichtete China auf sämtliche Ansprüche an Sikkim, was deutlich zur Entspannung der Beziehungen zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Erde beitrug und schließlich auch die Wiedereröffung des Abschnitts der Seidenstraße ermöglichte.
  • Truppen aus Indien und Bangladesch haben sich am 6. Juli an der gemeinsamen Grenze einen Schusswechsel geliefert. Wie ein indischer Offizier mitteilte, feuerten beide Seiten etwa 300 Patronen ab. Es sei niemand verletzt worden, aber an die 200 Bewohner der Grenzzone des indischen Bundesstaates West-Bengalen seien vorsorglich evakuiert worden. Er sagte, die Soldaten aus Bangladesch hätten das Feuer eröffnet, als indische Sicherheitskräfte Viehschmuggler zurück über die Grenze jagten.
  • Indien hat erstmals eine atomwaffenfähige Mittelstreckenrakete vom Typ Agni-III getestet. Wie das Verteidigungsministerium am 9. Juli in Neu Delhi mitteilte, wurde die Rakete von der Insel Wheeler abgefeuert, die 180 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt des Bundesstaates Orissa, Bhubaneswar, liegt. Raketen dieses Typs könnten von indischem Territorium aus Peking und Schanghai erreichen. Der indische Verteidigungsminister Pranab Mukherjee hatte im Mai in Neu Delhi mitgeteilt, die Agni-III-Rakete stehe zum Abschuss bereit. Allerdings habe sich die indische Regierung vor einem Test "Zurückhaltung auferlegt".
    Die indische Regierung hat den Test einer atomwaffenfähigen Rakete für gescheitert erklärt. Die Rakete vom Typ Agni III habe ihr Ziel verfehlt, sagte der indische Verteidigungsminister Pranab Mukherjee am Abend des 9. Juli. Man werde das Entwicklungsprogramm jedoch fortsetzen und die Fehler korrigieren. Die Rakete wurde in Ostindien abgefeuert und schlug in der Nähe der Nikobaren in der Bucht von Bengalen im Meer ein. Sie kann mit einem Atomsprengkopf bestückt werden und bis zu 3.000 Kilometer weit fliegen. Es war der erste Test dieses Raketentyps.
Montag, 10. Juli, bis Sonntag, 16. Juli
  • Der UN-Sondergesandte in Afghanistan, der deutsche Tom Koenigs, rief die Internationale Gemeinschaft am 10. Juli zu mehr finanzieller, militärischer und politischer Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus auf. Er sagte, die in Afghanistan operierenden Rebellen würden aus Pakistan logistisch und ideologisch unterstützt. Die Internationale Gemeinschaft müsse die Regierung in Islamabad im Kampf gegen Terroristen unterstützen, aber auch Druck auf sie ausüben.
  • Die indische Finanzmetropole Bombay (Mumbai) ist am 11. Juli von einer Serie von Bombenanschlägen erschüttert worden, bei der 163 Menschen getötet und 464 weitere verletzt wurden. In kurzen Zeitabständen wurden sieben Sprengsätze während der Rush-hour an Bahnhöfen, in Vorortzügen und in einer U-Bahn gezündet. Die Regierung beschloss während einer Krisensitzung die Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen. Bei früheren Anschlägen hatte die indische Regierung Moslem-Fundamentalisten aus der umstrittenen Kaschmir-Region als Urheber bezeichnet.
    Nach den Bombenexplosionen boten sich Szenen des Grauens. "Ich habe mitgeholfen, die Leute hier reinzutragen", sagte ein 24-jähriger im staatlichen Kem-Krankenhaus. "Einige haben keine Augen mehr, oder keine Hände - sie wurden zerstört." Im Fernsehen waren Opfer der Anschläge zu sehen, die blutüberströmt durch die Straßen schwankten. Andere wurden von Freiwilligen zu den Rettungswagen geschleift.
    Der indische Ministerpräsident Manmohan Singh habe "jede erdenkliche Hilfe" zugesagt, erklärte der Regierungschef des Bundesstaates Maharashtra, Vilasrao Dshmukh. Zugleich kündigte er finanzielle Entschädigungen für die Opfer der Anschläge an.
    Bombay, die Hauptstadt Maharashtras, war in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach Schauplatz schwerer Bombenanschläge. Eine der blutigsten Anschlagsserien ereignete sich im Jahr 1993. Damals wurden 250 Menschen getötet und mehr als tausend verletzt. Kurz vor der jüngsten Anschlagsserie in Bombay waren bei Granateneinschlägen in Srinagar im indischen Teil Kaschmirs an der Grenze zu Pakistan laut Polizei acht Touristen getötet worden.
  • Nach der Serie vom Bombenanschlägen mit mindestens 183 Toten und 624 Verletzten in Bombay haben die indischen Ermittler am 12. Juli pakistanische Extremisten als Drahtzieher vermutet. Der "Tatmodus" entspreche dem Vorgehen der Extremistengruppe Lashkar-e-Taiba aus Pakistan, sagte am 12. Juli der Polizeichef des Bundesstaates Maharashtra, P.S. Paricha. Er könne dies allerdings nicht mit "letzter Sicherheit" sagen, weil dafür die Untersuchungsberichte von Experten abgewartet werden müssten. Die Gruppe Lashkar-e-Taiba ("Armee der Reinen") ist sowohl in Pakistan als auch in Indien verboten. Ein Lashkar-e-Taiba-Sprecher in Srinagar dementierte jede Verwicklung seiner Gruppe in die Anschläge.
  • Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Terroranschläge in Bombay aufs Schärfste verurteilt. In einer einstimmig verabschiedeten Erklärung werden alle Staaten zur Zusammenarbeit mit den indischen Behörden aufgerufen, um die Täter zur Strecke zu bringen. "Jeder Akt des Terrorismus ist ungeachtet seiner Motive kriminell und ungerechtfertigt, wo immer, wann immer und von wem auch immer er begangen wird", betonten die Ratsmitglieder am Abend des 12. Juli in New York. Der Terrorismus in jeglicher Form sei eine der ernsthaftesten Bedrohungen des Friedens und der Sicherheit in der Welt, hieß es weiter. Deshalb müsse den Tätern ebenso das Handwerk gelegt werden wie den Drahtziehern und den finanziellen Unterstützern solcher Verbrechen. Zugleich bekundeten die Ratsmitglieder ihr tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen der gut 200 Todesopfer und mit den mehr als 700 Verletzten von Bombay.
  • Pakistan hat jegliche Beteilung an den Terroranschlägen in Bombay abermals kategorisch zurückgewiesen. "Man kann Pakistan wirklich nicht für alles verantwortlich machen, das ist schlicht unfair", sagte Außenminister Khurshid Kasuri am 12. Juli in einem Interview der Nachrichtenagentur AP. Der Kaschmir-Konflikt sei nicht das einzige Problem des Nachbarstaats Indien. "Es gibt dort viele Gruppierungen, die alle ihr eigenen Süppchen kochen." Kasuri verurteilte die "verabscheuungswürdigen Taten" in Bombay.
  • Nach den verheerenden Terroranschlägen in Bombay hat die indische Polizei rund 350 Menschen festgenommen. Die meisten Verhaftungen erfolgten in der Nacht zum 13. Juli im nordöstlichen Vorort Malwani, wie Polizeisprecher S. Goshal mitteilte. Die Betroffenen würden verhört. Den Angaben zufolge befinden sich unter ihnen viele gewöhnliche Kriminelle. Der Polizei zufolge verdichtete sich der Verdacht, dass die Anschläge vom 11. Juli auf das Konto der in Kaschmir aktiven Untergrundorganisation Lashkar-e-Tayyaba gehen könnten.
    Ein Anrufer erklärte unterdessen der kaschmirischen Nachrichtenagentur KCNS, das Terrornetzwerk Al Kaida habe sich in der Region organisiert. Der Mann gab sich als Abu al-Hadeed aus und rief die Muslime in Kaschmir zum Heiligen Krieg auf. "Wer auch immer hinter den Anschlägen in Bombay steckt, wir erklären unsere Dankbarkeit und Freude", sagte er zu der Bombenserie, bei der 200 Menschen getötet und 700 verletzt worden waren. Sollte sich die Erklärung als korrekt erweisen, wäre es das erste Mal, dass sich das Netzwerk von Osama bin Laden in Kaschmir etabliert hätte.
  • Ein prominenter schiitischer Geistlicher in Pakistan ist am 14. Juli einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Ein Selbstmordattentäter zündete in der Hafenstadt Karachi eine Bombe in der Nähe des Wohnhauses von Allama Hassan Turabi. Eine dritte Person wurde ebenfalls getötet. Die Behörden fürchten jetzt, dass die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten neu entfacht werden. Nach der Bluttat versammelten sich etwa 300 Jugendliche in der Nähe von Turabis Haus und skandierten Parolen gegen Amerika und Israel.
  • Hinter den Anschlägen auf den Nahverkehr von Bombay steckt laut indischen Medienberichten der pakistanische Geheimdienst. Die koordinierte Bombenserie trage "alle Markenzeichen des ISI", berichtete die renommierte Zeitung "Hindustan Times" am 14. Juli unter Berufung auf indische Geheimdienstkreise. Pakistan wies die Darstellung zurück: "Das ist unbegründet", sagte Außenamtssprecher Tasnim Aslam.
    Die Zeitung "The Indian Express" schrieb am 14. Juli, der nationale Sicherheitsberater M.K. Narayanan habe "mit dem Finger auf Pakistan gezeigt". Auch in anderen Medien wurde unter Berufung auf Geheimdienstkreise über eine Verwicklung Pakistans spekuliert. Allerdings wird der ISI nach fast jedem Terroranschlag in Indien verdächtigt. Ebenso regelmäßig weist Pakistan die Anschuldigungen zurück.
  • Am 14. Juli hat der indische Ministerpräsident, Manmohan Singh, Pakistan die Mitschuld an den Anschlägen in Bombay gegeben. In dem Attentat wurden fast 200 Menschen getötet. Die Attentäter seien „von Elementen jenseits der Grenze unterstützt“ worden, sagte Singh. Bevor der Friedensprozess fortgeführt werden könne, müsse Islamabad die terroristischen Aktivitäten unterbinden, die von seinem Territorium ausgingen.
    Für die kommende Woche waren weiter Verhandlungen angesetzt, diese seien jetzt „unwahrscheinlich“ geworden, meldete die Nachrichtenagentur PTI.
    Der pakistanische Ministerpräsident, Musharraf sicherte Indien die Hilfe für die Aufklärung des Attentates zu. (FR 15. Juli)
  • Nach einem Mordanschlag auf einen prominenten schiitischen Geistlichen in Pakistan ist es am 15. Juli bei dessen Beisetzung zu Ausschreitungen gekommen. Hunderte Jugendliche zogen nach Berichten der Polizei und von Augenzeugen randalierend durch ein Geschäftsviertel von Karachi. Sie steckten einen Verkaufsstand von Pizza Hut, zwei Tankstellen und Autos in Brand und griffen mehrere Geschäfte an.
  • Die indische Regierung verschob ein für den 20. und 21. Juli im Rahmen der Friedensgespräche in Neu Delhi geplantes Treffen der Außen-Staatssekretäre der beiden Länder auf unbestimmte Zeit. Indische Medien werteten dies am 16. Juli als ein "Zeichen des Protestes".
Montag, 17. Juli, bis Montag, 31. Juli
  • Die Anschlagserie von Bombay am 11. Juli ist ein weiterer Rückschlag für das Verhältnis zwischen den beiden Staaten. Jedoch ist die Lage seit 2002 stabiler geworden, und trotz der Attentatserie in Delhi, Varanasi und Bombay sind Indien und Pakistan von einem Krieg weit entfernt. (FR 17. Juli)
  • In der Nacht zum 17. Juli hatten etwa 800 Rebellen eines der Salwa-Judum-Camps gestürmt und ein Blutbad angerichtet. Mindestens 27 Adivasi, darunter drei Frauen und zwei Kinder, seien mit Messern und Äxten "zerhackt" worden, hieß es. Am 18. Juli wurden weitere sechs Adivasi getötet. Die Rebellen wollen damit offenbar die Adivasi warnen, sich gegen sie zu stellen.
    Der Konflikt zwischen der indischen Regierung und der maoistischen Rebellen wurde seit Anfang des Jahres 2006 verschärft. Vor allem eskaliert die Gewalt in der indischen Bundesstaat Chhattsgarh. Dabei geraten zwischen den Fronten der Regierung und der Rebellen die ärmsten der Armen Indiens, die Adivasi. Sie werden in der, von der Regierung gegründeten Miliz, Salwa-Judum (Friedensmarsch) angeworben und trainiert. Aus Angst vor der Gewalt sollen in Chhattsgarh inzwischen fast 50000 Menschen, die meisten Adivasi in eines der Salwa-Judum-Notcamps geflohen sein, die von der Regierung aufgebaut wurde.
    Amnesty International wirft Salwa-Judum und der Regierung von Chhattsgarh vor, die Adivasi im Kampf gegen die Maoisten zu missbrauchen. (FR 20. Juli)
  • Eineinhalb Wochen nach den Anschlägen in Bombay (am 11. Juli) räumte der indische Premierminister, Manoham Singh, Mängel im Kampf gegen radikal-islamische Terrorgruppen und maoistischen Rebellen ein. Singh betonte am 20. Juli erneut, die Maoisten seien die vermutlich größte Gefahr für die innere Sicherheit in der Geschichte des Landes. (FR 21. Juli)
  • Bei einem Feuergefecht in einem Waldstück des südlichen Unionsstaates (in Andhra Pradesh) wurden am 23. Juli Burra Chinnamaiah, der lokale Chef der KPI (Maoisten), und sieben seiner Mitstreiter, darunter fünf Frauen, getötet.
    Andhra Pradesh ist eine der 13 Unionsstaaten, in denen die auch unter dem Begriff Naxaliten bekannte maoistische Guerilla seit Jahrzehnten agiert.
  • Das US-Repräsentantenhaus hat am 27. Juli mit überwältigender Mehrheit das geplante Atomabkommen mit Indien befürwortet. Der Senat muss noch zustimmen. Bush hatte mit dem indischen Premierminister Manmohan Singh im März vereinbart, dass die USA künftige Know-how, technische Ausrüstung sowie Brennmaterial für die friedliche Nutzung der Kernenergie liefern.


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