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Unternehmer auf Lösungssuche

Zelaya soll in Honduras wieder regieren – für ein paar Stunden

Von André Scheer *

In Honduras bröckelt die Unterstützung für das Regime der Putschisten. Bereits am Montag hatten Abgeordnete der den Staatsstreich unterstützenden Parteien das Dekret abgelehnt, mit dem das Regime den Ausnahmezustand über das zentralamerikanische Land verhängt und die verfassungsmäßigen Grundrechte aufgehoben hatte.

Der honduranische Industriellenverband ANDI hat dem Regime seinerseits einen »Kompromißvorschlag« unterbreitet, wonach der am 28. Juni gestürzte Präsident Manuel Zelaya sein Amt für wenige Stunden wieder übernehmen solle, um dann selbst zurückzutreten und die Regierungsgewalt der Armee und einem »Ministerrat« zu übergeben. Außerdem sollen 3000 Soldaten aus Kolumbien, Panama und Kanada als »Friedenstruppe« in Honduras stationiert werden. Obwohl die Details dieses Vorschlags wenig mehr sind als eine kaum verhüllte Legalisierung des Staatsstreichs, zeigt allein die Veröffentlichung dieses Vorschlags, daß die Unternehmer offenbar einsehen mußten, daß es ohne eine Rückkehr Zelayas in sein Amt nicht zu einer Beruhigung der Lage kommen wird. Die seit dem Putsch anhaltenden Massenproteste und die häufigen Ausgangssperren bedeuten für die Unternehmer Verluste von etwa 20 Millionen US-Dollar am Tag, so Schätzungen. Der meist kurzfristig erlassene Hausarrest für ein ganzes Land verhindert nicht nur, daß die Arbeiter zu den Betrieben gelangen, sondern beinhaltet auch die Schließung der Grenzübergänge von Honduras zu seinen Nachbarländern. Honduras ist durch seine geographische Lage aber ein Land, durch das praktisch der gesamte internationale Warenverkehr Mittelamerikas läuft.

In Brasilia hat unterdessen der Präsident des brasilianischen Abgeordnetenhauses, Michel Temer, die Reise einer Parlamentarierdelegation nach Honduras angekündigt, die sich dort über die Lage in der brasilianischen Botschaft informieren soll. In Gesprächen mit Parlamentsabgeordneten aus Honduras wollen die Vertreter von sechs Parteien die Respektierung der Unverletzlichkeit der diplomatischen Vertretung einfordern, die seit der Rückkehr Zelayas nach Honduras und seiner Zuflucht in der Botschaft vom Militär abgeriegelt ist. Mit lautstarker Lärmbeschallung und dem Einsatz giftiger Gase haben die Putschisten wiederholt versucht, die in dem Gebäude ausharrenden Menschen zum Verlassen zu zwingen.

* Aus: junge Welt, 1. Oktober 2009

Kommuniqué der Regierung Manuel Zelaya

Erklärung der demokratisch gewählten honduranischen Regierung zur Verhängung des Ausnahmezustandes

Von Manuel Zelaya


Das Ministerkabinett und Team des demokratisch legitimierten Präsidenten der Republik, dass sich seit dem schwarzen Sonntag des 28. Juni, dem Tag des unheilvollen Staatsstreichs, in ständiger Tagung befindet, gibt folgendes Kommuniqué an die nationale und internationale Öffentlichkeit heraus:
  1. Das Putschistenregime, angeführt von Roberto Micheletti, das aufrechterhalten, gestützt und gefördert wird von einer Clique aus Militärs, Politikern und Unternehmern, hat ein illegales Dekret erlassen, um den Ausnahmezustand auszurufen, die verfassungsmäßigen Rechte auszusetzen und um auf diese Art und Weise die diktatorischen und unterdrückerischen Maßnahmen der De-Facto-Regierung auszuweiten und zu vertiefen.
  2. Mit der Verkündung dieses verfassungswidrigen und unterdrückerischen Dekretes will das Putschistenregime die Wahlen sabotieren und den Wahltermin auf unbestimmte Zeit verschieben. Kürzlich noch hatten Michelitti und seine Clique versucht, die Wahlen zu benutzen, um auf betrügerische Weise internationale Legitimität zu erlangen. Nachdem dieses Manöver aufgrund des einstimmigen Widerspruchs der internationalen Gemeinschaft scheiterte, haben sich die Putschisten entschieden, sich an der Macht festzukrallen und Bedingungen zu schaffen, die den allgemeinen Wahlen zuwider und entgegen laufen.
  3. Die wahre Absicht von Diktator Micheletti ist es für unbestimmte Zeit an der Spitze der De-Facto-Regierung zu bleiben. Dazu muß er die Wahlen sabotieren. Um dies zu erreichen wird ein Repressionsinstrumentarium benötigt, wie das Dekret des Ausnahmezustandes und der Beseitigung der individuellen und elementaren bürgerlichen Freiheiten, die durch die Verfassung garantiert werden.
  4. Mit der Verabschiedung dieses illegalen und undemokratischen Erlasses zeigt das Putschistenregime seine wahren Absichten und demonstriert gleichzeitig seine inneren Widersprüche und Risse. Einerseits demütigt und missachtet es das Parlament, indem dieses zur Diskussion eines Erlasses aufgefordert wird, der vorher bereits als offizieller Erlass in einer Zeitung veröffentlicht wurde. Andererseits betrügt und diskreditiert es seine eigenen politischen Verbündeten, die im Wahlprozess eingebunden sind. Durch die Schaffung eines Klimas, das den Wahlen entgegenläuft, verspotten und beleidigen Micheletti und seine Clique die unterschiedlichen Präsidentschaftskandidaten, die dem laufenden Wahlprozess Legitimität verleihen sollen. Aber nicht nur das. Der erwähnte Erlass öffnet die Tore für weitere und systematischere Menschenrechtsverletzungen und bereitet den Weg zur Errichtung eines dauerhaften Zustands der Gewalt und der Unterdrückung seitens der Putschisten gegen unsere Bevölkerung.
  5. Aus allen diesen Gründen verurteilen wir, das Ministerkabinett und das Arbeitsteam des Präsidenten Zelaya, diesen illegalen Erlass. Wir rufen die Bürger auf, entschieden und mit vereinten Kräften, diese Pläne der Diktatur zur weiteren Unterdrückung zu verhindern.
Tegucigalpa, Honduras, 29. September 2009
Ministerkabinett und Arbeitsteam des verfassungsmässigen Präsidenten
Manuel Zelaya Rosales

Übersetzung: Albert Koestler

Quelle: Portal amerika21.de, 1. Oktober 2009; www.amerika21.de





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