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Menschenrechte nur für Neoliberale

Der honduranische Putsch und die FDP: Fragwürdige Haltung von Friedrich-Naumann-Stiftung, Gerhardt, Hoyer und Co.

Von Erika Harzer *

Knapp acht Wochen nach dem Putsch in Honduras ist laut Amnesty International die Menschenrechtslage besorgniserregend. Ähnliche Ergebnisse präsentierten bereits vorher andere internationale Menschenrechtsdelegationen, die Honduras aufsuchten.

Wolfgang Gerhardt, früherer FDP-Vorsitzender, scheint allerdings anderer Meinung zu sein. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk bezweifelte er Anfang August, dass es in diesem mittelamerikanischen Land seit dem 28. Juni Tote, Verletzte und Vergewaltigungen gegeben habe.

Welche Rolle die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, kurz FNF, deren Vorsitzender Gerhardt ist, im Vorfeld und während des Putsches spielt, sucht DIE LINKE mit einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung zu klären. »Angesichts der aktuellen Äußerungen aus der FNF, in denen der international verurteilte Staatsstreich in Honduras gerechtfertigt wird und angesichts der offenkundigen engen Zusammenarbeit der FNF mit führenden Unterstützern des Putsches«, so die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, veranlasst die LINKE »eingehender zu untersuchen, zu welchen Zwecken die FNF die ihr vom Entwicklungsministerium (BMZ) überlassenen Steuergelder in Honduras verwendet und ob die Verwendung der FNF-Mittel in Honduras den Zielen der Förderrichtlinien des BMZ entsprechen ... Es stellt sich auch die Frage, ob die FNF ihre derzeitigen Öffentlichkeitsaktivitäten vom Interesse leiten lässt, eine Rückkehr des Präsidenten Zelaya nach Honduras zu verhindern.«

Inwieweit aus den zu erwartenden Antworten tatsächlich erschließbar wird, welche Ziele die FNF mit ihrer klaren Parteinahme für die Putschisten in Honduras verfolgt, sei dahingestellt, sie könnten allerdings hilfreich sein für die Entwicklung der Vorstellung dessen, was unter einer freidemokratisch angeführten Außenpolitik zu erwarten sein würde.

Ein Fingerzeig darauf gab Anfang August ein Expertengespräch der FNF in den Räumen des Bundestages mit dem Titel: »Rechtsstaat in Gefahr – der vermeintliche Militärputsch in Honduras und Perspektiven für das internationale Krisenmanagement«. »Mehr Objektivität und eine differenziertere Darstellung der Ereignisse« war als Ziel formuliert ebenso wie »möglichst parteiübergreifend über gangbare Wege aus der Krise und die politische Zukunft des Landes zu diskutieren«. Weder ein Hinweisschild neben der Tür des Tagungsraums noch sonst im Gebäude des Bundestags verwies auf diese Veranstaltung. Mitarbeiter der Fraktion die LINKE durften auf Anfrage ebenso wenig teilnehmen wie Redakteure der unabhängigen Monatszeitschrift »Lateinamerika Nachrichten«. Ihr telefonischer Akkreditierungsversuch scheiterte an Gabriele Reitmeier, Referatsleiterin Politikberatung und Internationale Politikanalyse der FNF. Der Grund war simpel: Schließlich habe diese Zeitschrift bisher kritisch über die Position der FNF berichtet.

Warum diese Scheu vor kritischer Öffentlichkeit, wenn Gäste aus Honduras über die dortigen Ereignisse im Beisein der FDP-Politiker Dr. Wolfgang Gerhardt und Dr. Werner Hoyer berichteten? Saßen in der Runde doch auch leitende Mitarbeiter des Lateinamerikareferats im Auswärtigen Amt, das bisher gegenüber Honduras die EU-Linie und damit die Verurteilung des Putsches vertritt.

Eine Erklärung liegt sicherlich darin, dass die honduranischen Gäste allesamt dem Lager derjenigen angehören, die den Staatsstreich in Honduras unterstützen. Octavio Sanchez Barrientos, ehemaliger Minister unter Präsident Maduro und Mitglied der Nationalen Partei, suchte die Begründung zur Verschleppung Zelayas in der honduranischen Verfassung. Eine stark strapazierte Geschichte, die den Verfassungsbruch der jetzigen De-facto-Machthaber nicht trägt. Auch Ramon Villeda Bermudez, Mitglied der Liberalen Partei und im Aufsichtsrat der honduranischen Zentralbank, versuchte den Putsch als normal vollzogenen Machtwechsel zu schildern. Das sich in Honduras kein Putsch abgespielt habe, zeige sich für ihn auch daran, dass die US-Botschaft nicht über die Vorgänge im Vorfeld informiert gewesen sei.

Etwas deutlicher wurde Fernando Garcia Merino vom honduranischen Industriellenverband ANDI in seiner Beschreibung der Notwendigkeit einer Absetzung Zelayas, da dieser durch den Beitritt des Landes ins Bündnis Bolivarianische Alternative für Amerika (ALBA) einen klaren Bruch mit der unternehmerischen und politischen Elite des Landes vollzogen habe. Diese im August 2008 stattgefundene Aufnahme ins linke, von Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez initiierte ALBABündnis brachte den Stein ins Rollen, der schließlich zur Verschleppung des Präsidenten in den frühen Morgenstunden des 28. Juni führte. Wichtig war natürlich auch die Menschenrechtsfrage. Geladen war dafür der Menschenrechtsombudsmann der Regierung, Ramón Custodio, von dem zu hören war, dass es in Honduras seit dem Putsch keine systematischen Menschenrechtsverletzungen gebe. Die einzigen Vorkommnisse seien zum Beispiel Stromausfall oder teilweise zu verzeichnende Einschränkungen der Pressefreiheit gewesen oder auch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Bei den Todesfällen sei bisher nicht bewiesen, durch wen die Personen umgekommen seien.

Custodio, »früher ein geachteter Menschenrechtler, versucht seit Wochen, den Staatsstreich zu rechtfertigen und die seither begangenen Menschenrechtsverletzungen zu leugnen«, empört sich Martin Wolpold-Bosien, Mitarbeiter der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN.

Thilo Hoppe, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kritisiert die Reaktion der Naumann-Stiftung auf den honduranischen Putsch als verheerend. »Während die internationale Staatengemeinschaft den Druck auf die Putschisten erhöht, hofiert die Naumann-Stiftung mit dem Menschenrechtsombudsmann Ramón Custodio, einen klaren Befürworter des Putsches vom 28. Juni 2009. Der Auftrag der Stiftung – Demokratie zu fördern – wird ad absurdum geführt. Und das mit Steuergeldern.«

Dass dieses kleine, auf der politischen Landkarte eigentlich recht unbedeutende Honduras derart im Fokus der FNF steht, liegt sicherlich auch daran, dass Präsident Zelaya einst der große Hoffnungsträger der liberalen Stiftung war. Unmittelbar nach dessen Regierungsbildung Anfang 2006 verkündete die FNF erfreut, dass im honduranischen Parlament »jetzt eine 39-köpfige Naumann-Fraktion« säße. Der Bruch mit diesem Hoffnungsträger, der laut Christian Lüth, Projektleiter der FNF in Tegucigalpa, »die Herzen und Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, vor allem der Liberalen in aller Welt« höher schlagen ließ, vollzog sich auch für die Naumann-Stiftung durch Zelayas Öffnung hin zu einer Bündnispolitik mit Hugo Chávez. Der Ziehsohn machte sich selbstständig und ging eigene, mehr noch, verbotene Wege. Die Verschleppung Zelayas zog einen vorläufigen Schlussstrich gegenüber dessen Politikwandel, den auch die FNF nicht mehr zu unterstützen bereit war. In Berichten »aus aktuellem Anlass« suchte Lüth der Gruppe um den De-facto-Präsidenten Roberto Micheletti eine moralische Legitimität zu bescheinigen. Auf der FNF-Homepage ist nach dem »Expertengespräch« zur Lageeinschätzung nachzulesen: »Für Honduras stehe jetzt viel auf dem Spiel. Man wolle sich nicht zum Satellitenstaat von Hugo Chávez degradieren lassen.«

Dr. Werner Hoyer, außenpolitischer Sprecher der FDP, dringt nach dem Expertengespräch darauf, eine eigenständige Lateinamerikapolitik zu entwickeln. Nur darüber könne man dieser Region gerecht werden, die viel zu wichtig sei, um sie den Spaniern zu überlassen. Auch Wolfgang Gerhardt kritisiert am Beispiel Honduras gegenüber »Welt«-Online die spanische Außenpolitik, sie habe vorschnell ihre Lagebewertung vorgenommen, der sich »dann leider die anderen EU-Länder angeschlossen« hätten.

Acht Wochen sind seither vergangen und Honduras ist noch weit entfernt von der »absoluten Normalität«, die Lüth schon am 14. Juli in seinem Bericht für das bitterarme Land feststellen wollte. Das Gegenteil ist der Fall. Der Widerstand im ganzen Land gehört ebenso zur Tagesordnung wie wachsende Repression durch Polizei und Militär und eine bedrohliche Zunahme der Menschenrechtsverletzungen. Und doch scheint der Naumann-Stiftung viel daran gelegen, die Ereignisse als normale Geschehnisse zu interpretieren. Auch wenn dafür Zeugen wie Ramón Custodio herhalten müssen.

* Aus: Neues Deutschland, 22. August 2009


"Die üblichen Lügen der Putschisten"

Honduras’ Präsident Manuel Zelaya will zurück ins Amt. Linksparteien beraten in Mexiko-Stadt

Von André Scheer **

Der Putsch in Honduras und die US-Militärbasen stehen im Zentrum des 15. Sao Paulo-Forums. In Mexiko-Stadt tagt dieser breite Zusammenschluß aller wichtigen Parteien der lateinamerikanischen Linken, der 1990 auf Initiative der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) gegründet worden war, seit Donnerstag (20. Aug.). Am Sonntag (23. Aug.) sollen die Beratungen zu Ende gehen.

Honduras ist durch die Linkspartei UD vertreten, deren Parlamentsabgeordnete Silvia Ayala sowie Generalsekretär Martín Pineda über die Situation in ihrem Land berichten wollen. Gegenüber der kubanischen Agentur Prensa Latina kritisierte Ayala vor allem, daß nach mehr als 50 Tagen unter der Herrschaft der Putschisten Repression und Kriminalität massiv zunehmen. Das Regime von Roberto Micheletti tue alles, um an der Macht zu bleiben und eine Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya zu verhindern, warnte die Abgeordnete. Zugleich gewinne die Widerstandsbewegung aber weiter an Stärke und habe neue Schichten der Bevölkerung in ihre Aktionen einbeziehen können, so Ayala. So habe sich eine Vereinigung von »Rechtsanwälten im Widerstand« gebildet, die im ganzen Land kostenlos die Verteidigung der von den Putschisten wegen ihrer Beteiligung an den Protesten verhafteten oder aus ihren Unternehmen entlassenen Menschen übernimmt.

In den von den Putschisten kontrollierten Medien des mittelamerikanischen Landes wird die Teilnahme Ayalas und Pinedas am Forum in Mexiko als »Flucht« gewertet und verbreitet, die linken Politiker hätten in Mexiko Asyl beantragt. Beide weisen diese Darstellung strikt zurück. Auf diese Weise wollten die Putschisten ihre Rückkehr nach Honduras verhindern, erklärte Ayala, die ebenso wie Pineda am Wochenende in ihr Heimatland zurückkehren will.

Ebenfalls nach Honduras zurückkehren will auch der rechtmäßige Präsident des Landes, Manuel Zelaya. Zu Wochenbeginn hatte er in einer von Nicaragua aus veröffentlichten offiziellen Erklärung erneut seinen Anspruch bekräftigt, das Präsidentenamt wieder einzunehmen. Informationen, wonach er darauf verzichtet habe, seien »nichts anderes als die üblichen Lügen der Putschisten«, betonte Zelaya.

Seine Vizeaußenministerin Beatriz Valle weckte am Mittwoch neue Erwartungen: In Tegucigalpa kündigte sie an, Zelaya werde noch »vor dem 1. September« nach Honduras kommen. »Wer glaubt, daß der Präsident Zelaya nicht ins Land zurückkehren wird, irrt sich«, betonte sie.

Auch die Widerstandsbewegung läßt keine Anzeichen einer Schwächung erkennen. Am Donnerstag demonstrierten erneut Tausende Menschen vier Stunden lang in Tegucigalpa, um die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung zu fordern. Juan Barahona, einer der führenden Vertreter des Widerstandsbündnisses Nationale Front gegen den Staatsstreich, freute sich: »Dieser 54. Tag des Widerstandes war ein Erfolg. Er schmeckt nach Sieg!« Der Zeitpunkt rücke näher, an dem das Volk seinen Erfolg feiern könne, »denn der Widerstand existiert nicht nur in der Hauptstadt, sondern in allen 18 Departements des Landes«, erklärte er bei einer Kundgebung nur rund 300 Meter von der wichtigsten Kaserne der honduranischen Streitkräfte entfernt.

** Aus: junge Welt, 22. August 2009


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