Sternmarsch nach Tegucigalpa *
Zu Großkundgebungen gegen die honduranischen Putschisten wurden am Dienstag (11. Aug.) Zehntausende Menschen in Tegucigalpa und San Pedro Sula erwartet. Nachdem Demonstrationszüge aus allen Teilen des Landes tagelang unterwegs waren, sollten die verschiedenen Marschsäulen in den beiden wichtigsten Städten Honduras’ zusammentreffen. Erneut sollte ein mächtiges Zeichen des Protestes gegen das am 28. Juni an die Macht geputschte Regime und der Unterstützung des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya gesetzt werden. Zugleich wurde weltweit zu Solidaritätsaktionen für das honduranische Volk aufgerufen.
Bereits am Montag (10. Aug.) war in San Pedro Sula ein erster Demonstrationszug eingetroffen, der von Zelayas Ehefrau Xiomara Castro angeführt wurde. Auch in die Vororte Tegucigalpas waren Tausende gekommen. Im Gebäude der Beschäftigren der Nahrungsmittelindustrie nahmen Aktivisten gespendete Lebensmittel, Trinkwasser, Decken und andere Dinge entgegen, um die Demonstranten versorgen und unterbringen zu können. Ärzte, Psychologen und Krankenschwestern kümmerten sich um die gesundheitliche Betreuung der Menschen, die teilweise mehr als 100 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hatten. Sprecher der Widerstandsbewegung berichteten, daß die Demonstranten unterwegs von der Bevölkerung als Zeichen der Solidarität mit Speisen und Getränken versorgt worden sind.
»Wir wissen, daß dies eine entscheidende Woche sein wird«, erklärte der Gewerkschafter Eulogio Chávez gegenüber der Agentur IPS. Auch die Angestellten im Gesundheitswesen, des Telefonunternehmens sowie der Elektrizitätswerke sind von ihren Gewerkschaften zum Streik aufgerufen worden. Den Putschisten war es indes offenbar gelungen, den Ausstand der Meteorologen durch Streikbrecher zu unterlaufen. So konnten die Flughäfen des Landes nach mehreren Stunden den Betrieb wieder aufnehmen.
Eine ursprünglich ebenfalls für Dienstag geplante Delegationsreise der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nach Honduras mußte hingegen auf Druck der Putschisten verschoben werden. Am Wochenende hatte das Regime den Besuch von sechs amerikanischen Außenministern überraschend abgesagt, weil auch OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza der Gruppe angehören sollte. Es sei »unmöglich«, die Delegation zu empfangen, solange Insulza ihr angehöre. Denn er habe die Außenminister von Ländern »ausgeschlossen«, deren Regierungen sich für die Argumente der Putschisten »offen« gezeigt hätten, erklärte die Vizeaußenministerin des Regimes, Martha Lorena Alvarado. Als »ideal« bezeichneten es die Putschisten hingegen, wenn Deutschland, Großbritannien und Brasilien eine Delegation bilden würden. Am Montag ruderte das Regime dann wieder zurück und erklärte nun, auch Insulza zu akzeptieren, wenn dieser nur als »Beobachter« teilnehme. Die OAS wollte am Dienstag (nach jW-Redaktionsschluß) entscheiden, ob sie diese Bedingung annimmt und wann sie die verschobene Reise nachgeholt wird.
* Aus: junge Welt, 12. August 2009
"Die Menschen wollen sich nicht mehr belügen lassen"
Marsch auf die Hauptstadt: 150000 Honduraner verlangen Rücktritt der
Putschregierung. Ein Gespräch mit Eduardo Maldonado **
Eduardo Maldonado ist Programmchef von Radio Globo in Tegucigalpa
(Honduras) und Leiter der populären Sendung »Hable como habla«. Seit dem
Putsch vom 28. Juni sind Radio Globo und besonders diese Sendung zur
wichtigsten Stimme im Kampf um die Wiederherstellung der Demokratie in
Honduras geworden.
Frage: Als einziger Sender des Landes läßt Radio Globo seit sieben Jahren
Arbeiter, Bauern und Ureinwohner zu Wort kommen.Täglich erhalten Sie
jetzt Hunderte Anrufe und Mails von Menschen, die sich wütend über den
Sturz des Präsidenten Manuel Zelaya äußern. Welche politische Wirkung
hat Ihr Programm?
Maldonado: Wir senden rund um die Uhr, kein anderer Sender erreicht so viele Hörer wie wir. Seit dem Putsch haben wir über alle wichtigen Aktionen der
Widerstandsbewegung berichtet - deswegen nennen wir uns auch »radio en
resistencia« (Radio im Widerstand). Unser Ziel: Das Land muß seine
demokratische Ordnung zurückgewinnen!
Wir haben beispielsweise darüber berichtet, daß Menschen erschossen
wurden und daß der Putsch eine Aktion der Unternehmer und Generäle war.
Wir nennen nicht nur die Namen der Verantwortlichen, sondern rufen auch
zu Demonstrationen gegen sie auf.
Am Tag des Putsches hatte Militär für kurze Zeit Ihre Rundfunkstudios
besetzt, eine Zeitlang mußten Sie illegal senden. Am 5. August wurde bei
der Rundfunkbehörde Conatel sogar die Schließung des Senders beantragt.
Wollen die Putschisten Radio Globo jetzt den Saft abdrehen?
Ich bin ziemlich sicher, daß ihnen das nicht gelingt. Uns wird immer
wieder mit Schließung gedroht, hin und wieder wird auch der Sendebetrieb
unterbrochen. Wir haben uns ein großes Prestige dadurch erworben, daß
wir den Putschisten nicht nachgegeben haben. Dasselbe gilt für Radio
Progreso und einige lokale Sender.
Im TV-Bereich sieht es so aus, daß Kanal 36 der einzige unabhängige
Sender ist. Er strahlt morgens zwei und abends drei Stunden »Hable como
habla« (»Sag was du willst«) aus. Die Sendung wird auch von Maya-TV
übernommen, dessen sonstiges Programm ebenso wie alle anderen
Fernsehsender auf Seiten der Putschisten steht.
Die massive Propaganda hat nichts daran ändern können, daß das
honduranische Volk seit anderthalb Monaten ununterbrochen gegen die
Putschisten demonstriert. Woher kommt dieser Widerstandsgeist?
Zelaya hatte den Armen im Land zum ersten Mal das Gefühl gegeben, gehört
zu werden. Das Volk ist aufgewacht, die Menschen wollen nicht mehr von
korrupten Politikern und gierigen Unternehmern belogen und ausgebeutet
werden.
Die Putschisten hatten wohl gedacht, das Volk sei immer noch so wie vor
30 Jahren - da haben sie sich aber getäuscht! Sie meinten wohl, daß ihr
Staatsstreich nach drei oder vier Tagen so gut wie vergessen sei, aber
nichts ist falscher als das: Wir kämpfen jetzt schon seit anderthalb
Monaten! Bis zum morgigen Dienstag erwarten wir in Tegucigalpa
mindestens 150000 Demonstranten, die aus dem Landesinneren zur
Hauptstadt marschieren. Sie werden nicht eher gehen, bevor das Regime
des Putschanführers Roberto Micheletti gestürzt ist. In San Pedro Sula,
der zweitwichtigsten Stadt des Landes, rechnen wir sogar mit 200000
Demonstranten.
Zelaya wollte eine Meinungsumfrage über die Einberufung einer
verfassunggebenden Versammlung durchführen - das war letztlich der
Auslöser für den Staatsstreich. Wovor haben die Putschisten Angst?
Sie wissen, das wäre der Anfang davon, daß die Menschen sich nicht mehr
von der Oligarchie manipulieren lassen. Die Bevölkerung will eine
Verfassungsreform, damit sich in unserem Land etwas ändern kann.
Interview: Manola Romalo
** Aus: junge Welt, 10. August 2009
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