Der Widerstand auf dem Marsch
Honduras: Tausende protestieren gegen die Putschisten
Von André Scheer *
Mit brutaler Gewalt ist die Polizei am Mittwoch (5. Aug.) in Tegucigalpa
gegen etwa 3000 Studierende vorgegangen, die an der Nationalen Autonomen
Universität von Honduras (UNAH) gegen das Regime der Putschisten
demonstriert hatten. Auf dem Gelände der Hochschule wurde auch die
Rektorin der Universität, Julieta Castellanos, von Polizisten
geschlagen, bis sie zu Boden ging. Augenzeugen berichteten, daß es von
seiten der Polizei keine Räumungsaufforderungen oder sonstige Ansagen
gegeben habe. Die Polizei sei angerückt und habe sofort begonnen,
Tränengasgranaten in die friedlich protestierende Menge zu schießen.
Rektorin Castellanos erklärte, daß sie von den Protesten der
Studierenden gewußt habe und mit einem Polizeikommissar in Verbindung
stand, der sich nur mit seinem Nachnamen Somoza vorgestellt hatte. Als
sie mitbekam, wie die Polizei gegen die Demonstranten vorging und daß
diese versuchten, sich auf dem Universitätsgelände in Sicherheit zu
bringen, sei sie hinausgegangen, um das Eindringen der Polizisten auf
das Universitätsgelände zu verhindern. Eine der von der Polizei
abgeschossenen Tränengasgranaten sei etwa zehn Meter von ihr entfernt
explodiert, berichtete die Akademikerin. Die Autonomie der Hochschulen
gegenüber der Staatsmacht wird in Lateinamerika von allen Seiten auch
als Konsequenz aus den Erfahrungen der Militärdiktaturen der 60er und
70er Jahre hochgehalten. »Es gab für die Polizei keinen Grund, auf den
Campus vorzudringen, wir werden die Polizei deshalb verklagen«, erklärte
die Rektorin.
In Mexiko hat der rechtmäßige Präsident von Honduras, Manuel Zelaya,
unterdessen erklärt, er verliere allmählich die Geduld. Der als
Vermittler auftretende Präsident von Costa Rica, Óscar Arias, sei zwar
guten Willens, er habe die Putschisten aber viel zu sanft und
verständnisvoll behandelt und den Moment verpaßt, an dem er hätte
»zudrücken« müssen.
Die wichtigsten Unterstützer des Staatsstreiches in Honduras kamen nicht
aus der Regierung von Barack Obama, »aber sehr wohl aus den Reihen der
Falken in Washington, die ihn befördert haben«, erklärte Zelaya vor
einigen hundert Menschen bei einer Solidaritätsveranstaltung in
Mexiko-Stadt. Es handele sich dabei um »konservative Gruppen in
Washington, die im Inland von Demokratie reden und nach außen Diktaturen
und fast terroristische Aktivitäten unterstützen«. Die Putschisten seien
gerade dabei, die Präsidenten Lateinamerikas zu besiegen, da es nicht
gelungen sei, den Staatsstreich umzukehren, warnte Zelaya. Der Präsident
kritisierte erneut, daß Washington bislang nicht genügend unternommen
habe, um das Regime in Tegucigalpa von der Macht zu verdrängen.
Unterdessen hat am Mittwoch (5. August) in Honduras der Nationale Widerstandsmarsch begonnen, zu dem die Nationale Front gegen den Staatsstreich aufgerufen hatte. Wie der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes CUTH, Israel Salinas, mitteilte, hätten sich Tausende Menschen aus den verschiedenen Dörfern und Gemeinden auf den Weg gemacht. Ihr Ziel seien die beiden größten Städte des Landes, Tegucigalpa und San Pedro Sula. Die Menschen legten zwischen 15 und 20 Kilometer am Tag zurück, ohne dabei jedoch die Straßen zu blockieren, erläuterte Salinas. Er kündigte an, daß die Demonstrationszüge am kommenden Dienstag oder Mittwoch ihre Ziele erreichen werden. Einer Meldung von Radio Globo zufolge hat sich die Ehefrau von Präsident Zelaya, Xiomara Castro, im westhonduranischen Copán der Demonstration angeschlossen.
* Aus: junge Welt, 7. August 2009
Honduranischer Hilferuf an Europa
Regierung Zelaya und viele Organisationen fordern Sanktionen gegen
Putschisten
Von Harald Neuber, Tegucigalpa **
Am Donnerstag (6. Aug.) fand in Tegucigalpa eines der bislang größten
Treffen des zivilen Widerstands gegen das Putschregime statt - in der
Residenz des Geschäftsträgers der Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Honduras, Michael Zinn.
Es war eine illustre Gesellschaft: Auf Einladung der Vizevorsitzenden
der Linksfraktion im Bundestag, Monika Knoche, war am frühen
Donnerstagabend nicht nur das Kabinett des gestürzten Präsidenten Manuel
Zelaya in die sechste Etage des Gebäudes »El Jarro« in Tegucigalpa
gekommen. Anwesend waren auf der Dachterrasse des Fünf-Etagen-Hauses am
Boulevard Morazán im Westen der honduranischen Hauptstadt auch führende
Köpfe der »Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich«, eines
Zusammenschlusses von rund 100 Organisationen der Demokratiebewegung,
die seit dem Militärputsch am 28. Juni für eine Rückkehr zu Demokratie
und verfassungsmäßiger Ordnung kämpfen. Der Empfang wurde von der
honduranischen Presse begleitet, auch der lateinamerikanische
Fernsehsender Telesur hatte ein Team geschickt.
»Ich habe es für selbstverständlich gehalten, all diese Vertreter der
friedlichen Widerstandsbewegung einzuladen«, sagte Knoche im Gespräch
mit dem Neuen Deutschland. Schließlich habe sowohl die Bundesregierung
als auch die Europäische Union den Staatsstreich verurteilt und eine
Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten gefordert. »Nun geht es darum,
dieses Ziel umzusetzen«, sagte Knoche.
Das Zusammentreffen mit den führenden Kreisen der honduranischen
Demokratiebewegung war der Höhepunkt einer knapp einwöchigen Reise einer
Delegation der Linkspartei nach Honduras.
Begleitet wurde Monika Knoche von Alexander King, der die
Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel vertrat. Früher in der Woche schon
waren die beiden deutschen Vertreter mit Zelayas »Kabinett im
Widerstand« zu einer intensiven Beratung zusammengekommen. Bei diesem
ersten Treffen in der Residenz eines Ministers in den Bergen nahe
Tegucigalpa besprachen beide Seiten konkrete Schritte gegen die
zunehmend aggressiv herrschende Putschregierung. Die Minister der
geschassten Regierung hatten dabei dringend weitere Sanktionen gegen die
Machthaber unter Führung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto
Micheletti gefordert. »Wir dürfen aber nicht erlauben, dass diese
Sanktionen die Ärmsten dieses Landes treffen«, merkte Carlos Orbin
Montoya, Gastgeber und rechtmäßiger Direktor der Zentralamerikanischen
Bank für Wirtschaftliche Integration in Honduras, an. Der Druck solle
besonders dort verstärkt werden, wo es die Putschisten am meisten
schmerzt - bei ihren wirtschaftlichen Interessen, fügte Fredis Cerrato,
Staatssekretär für Industrie und Handel, hinzu. »Gemeinsam fordern wir
deshalb unter anderem die Aussetzung der Handelspräferenzen der EU für
Honduras und das Einfrieren finanzieller Hilfen, solange der legitime
Präsident nicht wieder im Amt ist«, sagte Alexander King nach der
Arbeitssitzung.
Konkrete Forderungen wurden an die Delegation aus dem Bundestag auch von
der Widerstandsbewegung erhoben. Bei einem Treffen mit der Führung des
Protestbündnisses drängten die Aktivisten auch auf ein verstärktes
Engagement der sozialen Bewegungen und der Linken in Europa. Nur so
könne der Druck auf das autoritäre Putschregime erhöht werden, sagte der
Gewerkschaftsführer Juan Barahona. Bislang hätten die Strafmaßnahmen der
Europäischen Union noch zu wenig Wirkung erzielt, so der Tenor im
Führungsgremium der Widerstandsfront. Die derzeit für die Mitglieder des
»Kabinetts« Michelettis geltenden Sanktionen müssten auch auf
Unterstützer des Regimes ausgeweitet werden.
Bestätigt wurde diese Einschätzung durch ein Gespräch der Delegation mit
dem Vorsitzenden der Fraktion der Liberalen Partei im Nationalkongress.
Mit verschränkten Armen hörte sich Marco Antonio Andino die Position der
deutschen Abgeordneten bei einem Treffen im Sitzungssaal des
Nationalkongresses an. »Wissen Sie«, sagte der Unterstützer des
Micheletti-Regimes dann: »Uns ist egal, ob Sie in Europa noch so viel
Druck auf uns ausüben: Wir werden hier an der Macht bleiben.«
** Aus: Neues Deutschland, 8. August 2009
Honduras: Meteorologen im politischen Streik. Flugverkehr stark beeinträchtigt ***
Die Putschisten in Honduras sehen sich einem unerwarteten Problem gegenüber. Die Meteorologen des mittelamerikanischen Landes haben sich den Streiks im öffentlichen Dienst angeschlossen, um gegen den Staatsstreich vom 28. Juni zu protestieren. Der Ausstand soll bis zur Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya fortgesetzt werden, kündigten Gewerkschaftssprecher an. Als unmittelbare Folge wird der Flugverkehr auf den honduranischen Flughäfen massiv behindert, da die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), eine UN-Einrichtung, die für die Festlegung internationaler Standards im Luftverkehr zuständig ist, das Starten und Landen von Flugzeugen verbietet, wenn keine aktuellen Wetterdaten vorliegen. Die Fluggesellschaft TACA aus dem benachbarten El Salvador hat bereits die Konsequenzen gezogen und alle Flüge von und nach Honduras abgesagt.
Ramón García von der honduranischen Meteorologenvereinigung unterstrich, daß allein das Putschregime verantwortlich sei, wenn es den Flugverkehr aufrechterhalte und es dabei zu einem Unfall kommen sollte. Zugleich betonte er gegenüber dem von den Putschisten mit Schließung bedrohten Rundfunksender Radio Globo, daß niemand sie zur Wiederaufnahme der Arbeit zwingen könne. »Wenn sie uns Soldaten schicken, überlassen wir ihnen das Büro«, erklärte er und verwies darauf, daß es für ihre Arbeit keinen schnellen Ersatz gäbe, weil Meteorologen in Honduras nicht ausgebildet werden. »Wenn wir aufhören, die Militärbasen zu informieren, hat Washington keine Daten«, fügte er hinzu.
Auch außerhalb der Flughäfen gehen die Proteste gegen die Putschisten weiter, wie auf unserem Foto von Frauen in der Hauptstadt (Aufschrift: »Putschisten -Mörder«). Die seit über fünf Wochen vom medizinischen und Pflegepersonal bestreikten 28 staatlichen Krankenhäuser wurden von Soldaten besetzt. In Tegucigalpa verhinderte eine starke Polizeikette, daß Demonstranten die Residenz von Kardinal Oscar Rodríguez erreichten, dem sie Unterstützung der Putschisten vorwarfen. Vor der US-Botschaft riefen etwa 5000 Demonstranten Washington zu einem energischeren Vorgehen gegen das Regime auf.
*** Aus: junge Welt, 8. August 2009
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