Weiter im Widerstand
"Ausbeutung und Ausplünderung": Honduranische Opposition klagt Putschisten an
Von André Scheer *
In der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa sind in der vergangenen Woche erneut Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die zunehmende Repression zu demonstrieren. Nachdem allein in diesem Monat drei Journalisten und zwei Bauern ermordet worden waren, traf es am 23. März den Lehrer Manuel Flores, ein bekanntes Mitglied der Widerstandsbewegung gegen den Putsch vom 28. Juni 2009. Eine Gruppe junger Männer war in das Institut San José del Pedregal eingedrungen, in dem Flores arbeitete, und erschoß ihn.
Während die honduranische Polizei von einem kriminellen Hintergrund ausgeht, machen Gewerkschafter die Regierung für das Verbrechen verantwortlich. »Die Sicherheitskräfte des Staates haben einen weiteren Compañero getötet, der ein Mann mit klaren ideologischen Überzeugungen war«, erklärte Luis Sosa, ein führendes Mitglied der Lehrergewerkschaft, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag.
Selben Tags ordnete ein Richter die Inhaftierung von 15 Führungsmitgliedern der Gewerkschaft der Autonomen Universität von Honduras (Sitraunah) an, die seit mehr als einem Monat für höhere Löhne streikt. Die Männer hatten sich freiwillig den Behörden gestellt, nachdem gegen sie Haftbefehl wegen Aufruhr, Nötigung und Amtsanmaßung erlassen worden war. Ihr Verteidiger Jorge Lagos kritisierte die Entscheidung des Richters als »ungerecht und empörend«. In Honduras sei es »ein Verbrechen, Gewerkschafter und Widerständler gegen die Putschisten« zu sein, sagte er der Agentur Prensa Latina.
Der lange schwelende Tarifkonflikt an der Universität hatte sich Ende Februar zugespitzt, als die Beschäftigten die Hochschule besetzten. Unterstützt werden sie von zahlreichen Studierendenverbänden und der Dozentenvereinigung, die sich auch gegen eine Erhöhung der Studien- und Prüfungsgebühren wehren. Die Direktorin der größten Universität des Landes, Julieta Castellanos, verweigert bislang jeden Dialog mit den Streikenden.
Für die Nationale Front des Volkswiderstandes (FNRP), ein breites Bündnis, das seit dem Staatsstreich vom vergangenen Juni die Aktionen gegen die Putschisten organisiert, ist die zunehmende Repression eine direkte Folge der Politik von Staatschef Porfirio Lobo. Dessen Autorität erkennt die FNRP nach wie vor nicht an, weil sie aus der unter Kontrolle der Verantwortlichen für den Staatsstreich im vergangenen November durchgeführten Wahl hervorgegangen ist. »Die honduranische Oligarchie setzt mit ihrer Vertretung, dem De-facto-Regime von Porfirio Lobo Sosa, einen Plan durch, um sich durch die Ausbeutung und Ausplünderung des Volkes zu bereichern.« Sie würde mit Hilfe der Staatsgewalt »das neoliberale Modell wieder zu etablieren, das in unserem Land so viel Armut und Abhängigkeit hervorgebracht hat«, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung des Bündnisses. Der einzige Weg, zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukehren, die eine demokratische Beteiligung der Bevölkerung erlaube, sei die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung, unterstreicht die FNRP.
Für Lobo kommt diese erneute Zuspitzung der Auseinandersetzungen denkbar ungelegen, denn sein Regime setzt alles daran, Normalität und ein Ende der Isolation vorzutäuschen. So traf er sich in der vergangenen Woche mit rund 50 Botschaftern der Länder, die seine Regierung bislang anerkannt haben. Zu diesen gehören auch die Staaten der Europäischen Union, die Lobo sogar zum EU-Lateinamerika-Gipfeltreffen eingeladen haben, das im Mai in Madrid stattfinden soll. Die meisten Regierungen Lateinamerikas haben das Regime hingegen bislang nicht anerkannt. Beim lateinamerikanisch-karibischen Gipfeltreffen im Februar in Mexiko blieb Honduras ebenfalls ausgeschlossen und eine Rückkehr des Landes in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist bislang ebenfalls nicht absehbar.
* Aus: junge Welt, 29. März 2010
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