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Widerstand in Honduras plant Volksbefragung

Bevölkerung soll am Jahrestag des Putsches über Verfassungsreform entscheiden

Von Harald Neuber *

Die Demokratiebewegung in Honduras erhöht den Druck auf die Regierung. In ihrem jüngsten Kommuniqué kündigte das zentrale Protestbündnis, die Frente Nacional de Resistencia Popular (FNRP), zu Wochenbeginn eine Umfrage über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung an.

Die Volksbefragung soll am 28. Juni stattfinden, dem ersten Jahrestag des Militärputsches gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung unter Führung des liberalen Politikers Manuel Zelaya. Die militärische Erhebung hatte damals eine landesweite Befragung über die Einberufung einer Verfassungsversammlung verhindert. Die Umfrage war von der Zelaya-Regierung initiiert worden. Die verfassunggebende Versammlung ist weiterhin einer der wichtigsten Forderungen der FNRP, die unmittelbar nach dem Staatsstreich gegründet wurde.

In dem Kommuniqué zeigte sich die FNRP überzeugt, dass die Verfassungsversammlung »den unveränderlichen Willen des Volkes ausdrücken wird, eine wahrhafte Demokratie zu errichten und das von der Oligarchie errichtete System der Ungerechtigkeit und Repression zu verändern«. Zugleich rief das Bündnis zum zweiten landesweiten Kongress »für die Neugründung von Honduras« auf. Das Treffen wird vom 12. bis zum 14. März in La Esperanza stattfinden.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Situation der Menschenrechte unter der Führung des neuen Staatschefs Porfirio Lobo. Der konservative Unternehmer war Ende November als Sieger aus einem Wahlprozess hervorgegangen, der von den Putschisten vorbereitet und kontrolliert wurde. Die Legitimität des Lobo-Regimes wird von der Mehrheit der UNO-Staaten nicht anerkannt. Menschenrechtsorganisationen und Demokratiebewegung dokumentieren seit der Machtübernahme Lobos die Verletzungen der Menschenrechte. Ende Februar stellten Mitglieder der Demokratiebewegung eine Bilanz vor: 254 Menschenrechtsverletzungen seien unter der Herrschaft Lobos gezählt worden, hieß es bei der Pressekonferenz in Tegucigalpa. Mit der Einberufung einer Wahrheitskommission »versuchen sie nur, ihre immer schmutzigeren Hände rein zu waschen«, sagte der oppositionelle Staatsanwalt Hari Dixon.

Eine weiterhin »prekäre Menschenrechtslage« konstatierte unlängst in Berlin auch der Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Auf Initiative des Grünen-Abgeordneten Thilo Hoppe hatten die Menschenrechtsaktivisten Bertha Oliva und Jesús Garza von den andauernden Übergriffen auf Regimegegner berichtet. Der Bundestag werde die Lage in Honduras »aufmerksam beobachten und die Einhaltung der Menschenrechte anmahnen«, erklärte Hoppe daraufhin.

Für die Bundesregierung gilt das nicht. Nach ND-Informationen aus Brüssel haben sich Vertreter Berlins in entscheidenden EU-Gremien »weisungsgemäß« dafür ausgesprochen, Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten zur Amtseinführung des neuen Staatschefs Porfirio Lobo zu entsenden. »Die Bundesregierung versucht, die Unrechtmäßigkeit und Ungesetzlichkeit des aktuellen Regimes zu verschleiern«, so Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Linksfraktion im Bundestag. Berlin behaupte weiterhin, dass mehr als die Hälfte der honduranischen Wähler Lobo gewählt haben – obgleich dies widerlegt wurde.

* Aus: Neues Deutschland, 11. März 2010


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