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Auf Schleichwegen

Rückkehrversuch von Honduras' Präsidenten Zelaya erneut gescheitert. Zeltlager an der nicaraguanischen Grenze eingerichtet

Von André Scheer *

Ein am Freitag (24. Juli) verhafteter Unterstützer des gestürzten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya ist am Samstag (25. Juli) an der Grenze zu Nicaragua tot aufgefunden worden. Nur wenige Meter von einer der durch das Militär eingerichteten Straßensperren entfernt entdeckten Anwohner auf einem unbebauten Grundstück den von Folterspuren gezeichneten Leichnam. Wie der lateinamerikanische Nachrichtensender TeleSur berichtete, war Pedro Ezequiel zuvor von der honduranischen Polizei in El Paraíso festgenommen worden, weil er angeblich Marihuana geraucht habe. El Paraíso war am Wochenende zum Treffpunkt Tausender Unterstützer Zelayas geworden, die ihn dort bei seiner Rückkehr nach Honduras empfangen wollten.

Respektvoll behandelt

Mit einem Großaufgebot von Soldaten und Polizei hatten die Putschisten am Freitag erneut eine Rückkehr Zelayas in sein Heimatland verhindert. Für wenige Minuten konnte der Präsident zwar den Boden seines Landes betreten, mußte sich jedoch kurz darauf wieder nach Nicaragua zurückziehen. Die an dem von Reisenden normalerweise als »kleine, freundliche Zollstation« beschriebenen Grenzposten Las Manos stationierten Soldaten hätten ihn zwar respektvoll behandelt und ihm gesagt, sie hätten nichts gegen ihn, so Zelay. Sie hätten ihn jedoch nicht mit Generalstabschef Romeo Vásquez, dem militärischen Führer der Putschisten, verbinden können oder wollen.

Nur wenigen hundert Menschen war es gelungen, über Schleichwege durch die Berge bis unmittelbar an die Grenze zu gelangen, um Zelaya zu begrüßen. Tausende andere wurden von den Straßensperren aufgehalten, die das Militär zwischen El Paraíso und Las Manos errichtet hatte. Wegen eines Verstoßes gegen die von den Putschisten über die gesamte Grenzregion verhängte Ausgangssperre wurde auch Rafael Alegría, einer der bekanntesten Vertreter der Widerstandsbewegung in Honduras, verhaftet, jedoch am Sonntag wieder freigelassen. Zu den Festgenommenen gehören Medienberichten zufolge auch Zelayas Arbeitsministerin Mayra Mejía und der Chef des Nationalen Jugendinstituts, Gustavo Cáceres. Gegen weitere hochrangige Vertreter der rechtmäßigen Regierung wurden durch die Putschisten Haftbefehle erlassen, so gegen Rixi Moncada, die Sprecherin von Zelayas Delegation während der Vermittlung in Costa Rica.

Die Putschisten richten sich offenbar auf eine weiter steigende Zahl von Gefangenen ein. Wie Demonstranten berichteten, ist ein wenige Kilometer von El Paraíso entferntes Sportstadion durch die Militärs zu einem Gefangenenlager umgebaut worden. »Hier ganz in der Nähe gibt es ein Stadion, in dem Spiele der nationalen Liga ausgetragen werden. Es scheint, als wenn sie es so herrichten, daß sie die Leute dorthin bringen können, die sie verhaften«, berichtete ein Augenzeuge der venezolanischen Agentur ABN, die sich an die Situation nach dem Putsch in Chile erinnert fühlte, als das Stadion von Santiago ebenfalls zu einem Gefängnis und Folterkeller umfunktioniert wurde.

Gespräche in Washington

Manuel Zelaya will bis auf weiteres an der Grenze zu Honduras ausharren. »Wir sind entschlossen, bis zu den letzten Konsequenzen zu gehen, um die Demokratie und die Menschenrechte zu verteidigen«, wandte sich Zelaya über Megaphon an seine Anhänger. Auf nicaraguanischer Seite wurde eine Zeltstadt eingerichtet, um die Demonstranten zu beherbergen, die dort »zwei oder drei Tage« auf weitere Unterstützer warten wollen. »Der Sieg ist unser und in unseren Händen«, zeigte sich Zelaya überzeugt. Er wolle auch nicht ausschließen, über einen anderen Punkt der Grenze nach Honduras einzureisen: »Wir können über die Grenze gehen, die wir mit El Salvador und mit Guatemala haben, wir sind überall organisiert. Oder wir können direkt in San Pedro Sula landen, die Hubschrauber sind bereit, ich habe bereitstehende Flugzeuge, und ich habe ein Volk, das mich begleitet«, erklärte Zelaya.

US-Außenministerin Hillary Clinton kritisierte die Aktion Zelayas als »rücksichtslos«. Dies werde nicht dazu beitragen, die demokratische und verfassungsmäßige Ordnung in Honduras wiederherzustellen. Ein Sprecher des Außenministeriums teilte mit, daß Zelaya am Dienstag zu Gesprächen in Washington erwartet werde.

* Aus: junge Welt, 27. Juli 2009


"Sie betrachten Honduras als ihren Betrieb"

Gestürzter Präsident setzt im Kampf gegen Putschisten auf Kraft der sozialen Bewegung. Ein Gespräch mit Manuel Zelaya Rosales **

Manuel Zelaya Rosales ist Präsident der Republik Honduras. Er wurde am 28. Juni durch einen Militärputsch gestürzt und außer Landes gebracht.

Das Putschistenregime, das Sie gestürzt hat, ist international isoliert und im Inland mit einer starken Widerstandsbewegung konfrontiert. Trotzdem zeigt es sich unnachgiebig. Wie erklären Sie sich das?

Sie sind wie Raubtiere aus dem Urwald, die ihre Beute mit Zähnen und Klauen verteidigen. Sie betrachten Honduras als ihren Betrieb, als einen Besitz, den man ausbeuten kann. Dabei handelt es sich um zehn Familien, die ihre wirtschaftlichen und finanziellen Pfründe und ihre Privilegien behalten wollen.

Sie haben auf einer Pressekonferenz erklärt, daß es rechte politische Kreise in Nordamerika gibt, die den Staatsstreich unterstützt haben und dies weiterhin tun ...

Es gab Äußerungen von diesen Leuten, die sich offen für den Putsch ausgesprochen haben. Darunter befinden sich US-amerikanische Senatoren und Kongreßabgeordnete. Mister Otto Reich zum Beispiel war in den Jahren 2003 und 2004 unter Bush junior US-Sondergesandter für die westliche Hemisphäre und hat erklärt, daß er für den Staatsstreich ist. Es gibt Belege und Beweise, daß die Falken des Expräsidenten George W. Bush hinter dem Putsch stecken.

Welche Bedeutung hat die oppositionelle, gewerkschaftliche und soziale Bewegung im Moment?

Sie kämpfen gegen den Putsch und werden nicht damit aufhören, solange die Auswirkungen dieser Schmähung des honduranischen Volkes nicht beseitigt sind. Die Putschisten fordern die Welt heraus, und man muß sie stoppen.

Von seiten der Massenbewegung heißt es immer wieder, zwei Elemente seien nicht verhandelbar: einerseits die Ablehnung einer Amnestie für die Putschisten und andererseits das Referendum über die Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung. Wie sehen Sie diese beiden Punkte?

Es wäre lächerlich, die Putschisten für das, was sie getan haben, auch noch zu belohnen. Ich glaube, daß die sieben Punkte, die der costaricanische Präsident Oscar Arias vorgeschlagen hat, von einer politischen Amnestie sprechen, nicht aber von einer Amnestie für die Straftaten.

Was die sozialen Reformen anbelangt, muß die Suche nach einer neuen Strategie zur Fortsetzung dieser Reformen Teil eines umfassenderen Diskussionsprozesses innerhalb der Gesellschaft sein. Die Putschisten wollen aber die Wiederherstellung des demokratischen Systems nicht akzeptieren. Sie wollen ein Regime, das außerhalb des Gesetzes steht. Das Schlimmste ist, daß sie es mit Hilfe von Gewalt durchsetzen wollen, und das können wir nicht akzeptieren.

Welche Rolle spielt die Position der Vereinigten Staaten und welche die der Streitkräfte?

Wir haben am 22. Juli einen Brief an US-Präsident Barack Obama geschrieben und ihn respektvoll gebeten, die Maßnahmen nicht nur gegen den repressiven Staat, sondern auch gegen die Personen zu intensivieren, die den Putsch geplant und durchgeführt haben. Nun erwarten wir eine Antwort mit dem Ziel, daß diese Maßnahmen dabei helfen, die Ordnung und den Rechtsstaat wieder herzustellen. Wenn dies nicht geschehen sollte, würden wir weiter in einem extrem prekären Zustand verharren -- nicht nur ich, der ich einem Putsch zum Opfer fiel, weil ich die Rechte der Gesellschaft verteidigt habe, sondern die gesamte Bevölkerung.

Und was die Armee betrifft?

Wenn die Streitkräfte nur dazu dienen, Staatsstreiche durchzuführen, müßten wir ihre Rolle logischerweise neu bewerten. Ich glaube allerdings, daß es in diesem Fall nur ein kleiner Führungskreis war, der den Putsch angeordnet hat. Ich bin sicher, daß die Offiziere und die neue Generation von Soldaten, die Gefahr laufen, einer blutbefleckten Armee anzugehören, mit dem Geschehenen nicht einverstanden sind.

Haben Sie keine Angst verhaftet oder -- schlimmer noch -- umgebracht zu werden?

Ich habe überhaupt keine Angst. Aber es ist logisch, daß ich vorsichtig bin und die gebotenen Vorkehrungen ergreife. Wenn das Leben einen Sinn haben soll, muß man Mühen auf sich nehmen und den Preis dafür zahlen. Manchmal ist ein Opfer notwendig, um soziale Errungenschaften zu erreichen und ich bin bereit, diese Anstrengung für die Freiheit, die Demokratie und den Frieden des Landes zu unternehmen.

Interview: Giorgio Trucchi, Managua

Übersetzung: Andreas Schuchardt
Dieses Gespräch erschien zuerst in Liberazione (24.7.2009)

** Aus: junge Welt, 27. Juli 2009


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