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Honduras: Nach der Wahl die Qual der Zahl

Ein Sieg von Juan Orlando Hernández wird von seinen Konkurrenten bestritten

Von Jutta Blume, Tegucigalpa *

Der Konservative Juan Orlando Hernández führt nach Auszählung der Hälfte der Stimmen bei der Präsidentenwahl in Honduras. LIBRE und Antikorruptionspartei erkennen die Zahlen nicht an.

Nach Auszählung von über der Hälfte der abgegebenen Stimmen für die Präsidentschaftswahl in Honduras führt der Kandidat der Nationalen Partei, Juan Orlando Hernández, mit 34,2 Prozent vor Xiomara Castro von der linksgerichteten Partei Freiheit und Neugründung (LIBRE) mit 28,5 Prozent. An dritter Stelle liegt der Kandidat der Liberalen, Mauricio Villeda, mit 21 Prozent, dahinter Salvador Nasralla von der Antikorruptionspartei (PAC) mit 15,7 Prozent. Die Auszählung der Stimmen für die Abgeordneten und für die Kommunalwahlen wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen.

Im Laufe des Wahlabends erklärten sich sowohl Xiomara Castro als auch Juan Orlando Hernández zum Wahlsieger, Castro auf der Grundlage einer Nachwahlbefragung, die LIBRE organisiert hatte. Kurz nach 21 Uhr schrieb Castro auf Twitter: »Nach den Hochrechnungen, die ich erhalten habe, kann ich sagen: Ich bin die Präsidentin von Honduras.« Nach Bekanntgabe der ersten Zahlen der Wahlbehörde TSE erklärte zuerst Salvador Nasralla von der PAC, dann auch die LIBRE-Führung, man werde die Zahlen der Wahlbehörde nicht anerkennen. Nasralla sagte gegenüber Radio Globo, dass 25 Prozent der Auszählungslisten, wie sie den Parteien übermittelt wurden, nicht mit den Werten übereinstimmen, die die TSE angibt. Die Auszählung der Stimmen erfolgt in Honduras zum ersten Mal öffentlich in den Wahllokalen, in jedem Wahllokal sind – zumindest dem Gesetz nach – Vertreter aller Parteien anwesend.

Während die Leiterin der EU-Wahlbeobachtungsmission, die Grüne Europa-Abgeordnete Ulrike Lunacek, am Sonntagabend von einem weitgehend ruhigen und fairen Wahlverlauf sprach, berichtet der Runde Tisch der Wahlanalyse, an dem verschiedene Menschenrechtsorganisationen vertreten sind, von gravierenden Vorfällen wie der Präsenz Bewaffneter in mehreren Regionen, die den Zugang zu den Wahllokalen verhindert hätten. In Cantarranas im Departamento Francisco Morazán seien zwei Mitglieder der Partei LIBRE ermordet worden.

Sollte Juan Orlando Hernández wirklich die Wahl für sich entscheiden, befürchtet die politische Opposition eine weitere Militarisierung des Landes. Hernández war bis zu seiner Präsidentschaftskandidatur Parlamentspräsident unter Porfirio Lobo Sosa. Er tritt für eine Politik der harten Hand ein, mit der er Gewalt und allgemeine Unsicherheit im Land bekämpfen möchte. Er steht federführend hinter der Schaffung neuer Spezialeinheiten der Polizei wie etwa der Militärpolizei, die im Oktober ihre Arbeit aufgenommen hat. Menschenrechtler kritisieren, dass sie eher der Einschüchterung der Opposition als der öffentlichen Sicherheit dient.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 26. November 2013


»Ein neuer Putsch gegen das Volk«

Wahl in Honduras: Linkspartei LIBRE erkennt Sieg der Rechten nicht an

Von André Scheer **


In Honduras haben führende Vertreter der Linkspartei LIBRE die vom Obersten Wahlgericht (TSE) verbreiteten vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom Sonntag zurückgewiesen. Nach Auszählung von gut der Hälfte der Stimmen sah das TSE am Montag den Kandidaten der rechtsgerichteten Nationalen Partei, Juan Hernández, mit 34,14 Prozent der Stimmen vor Xiomara Castro, die für die LIBRE ins Rennen gegangen war und auf 28,43 Prozent gekommen sein soll. Auf dem dritten Platz lag demnach Mauricio Villeda, der für die Liberale Partei 21,03 Prozent geholt habe. Von unabhängigen Fernsehsendern verbreitete Nachwahlbefragungen hatten hingegen Castro klar vor Hernández gesehen.

Gut vier Jahre nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Manuel Zelaya, dessen Ehefrau Xiomara Castro ist, sollten die Wahlen einen Schlußstrich unter die seither anhaltende politische Krise in dem zentralamerikanischen Land ziehen. Doch schon im Wahlkampf war die aus der Widerstandsbewegung gegen die Putschisten hervorgegangene Partei »Freiheit und Neugründung« (LIBRE) Ziel von Anschlägen und Verfolgungen. Einer unabhängigen Erhebung zufolge wurden mindestens 18 Politiker der Partei ermordet. Auch am Wahltag selbst gab es zahlreiche Berichte über Unregelmäßigkeiten. So sollen offenbar von Menschen, die seit Jahren tot sind, Stimmen abgegeben worden sein. Vertreter der bürgerlichen Parteien verteilten vor den Wahllokalen Geschenke, und unmittelbar nach Beendigung wurden zahlreiche Abstimmungszentren durch das Militär besetzt, die eine unabhängige Überprüfung der dem Gesetz nach öffentlichen Auszählung verhinderten.

Xiomara Castro, die sich nach den ersten Prognosen zur Wahlsiegerin erklärt hatte, rief ihre Anhänger auf, den Erfolg zu verteidigen. Ihre Partei erkenne die vom TSE verbreiteten Ergebnisse nicht an. So seien bis zu 20 Prozent der Akten wegen angeblicher »Auffälligkeiten« nicht gewertet worden. Wenn das so sei, müsse die gesamte Wahl für ungültig erklärt werden, forderte Expräsident Zelaya. Endgültige Ergebnisse wollte das TSE erst am Montag abend (Ortszeit) veröffentlichen und rief die Beteiligten zu »Geduld« auf. Es seien noch fast die Hälfte der Stimmen nicht gezählt worden, Veränderungen seien nach wie vor möglich.

Darauf vertrauen will die indigene Menschenrechtsaktivistin Bertha Cáceres jedoch nicht. Dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur sagte sie, die honduranische Rechte habe sich darauf vorbereitet, den Bürgern durch Wahlmanipulationen ein »faschistisches Modell« aufzuzwingen. Ihre Bürgerrechtsorganisation COPINH habe vielerorts die Auszählung überwacht, und in den meisten Wahllokalen habe sich Xiomara Castro durchsetzen können. »Es wird ein neuer Putsch gegen das Volk durchgeführt. Deshalb halten wir es für gerechtfertigt, daß das Volk aufsteht, um diesen Prozeß zu verteidigen.«

** Aus: junge welt, Dienstag, 26. November 2013


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