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USA morden in Honduras

Washington setzt in Zentralamerika Taktiken wie im Irak und Afghanistan ein

Von Andreas Knobloch *

Ein Agent der US-Antidrogenbehörde DEA hat am vergangenen Samstag in Honduras einen mutmaßlichen Drogenhändler erschossen. Das ist nicht das erste Mal, doch anders als in früheren Fällen hat die US-Regierung diesmal zugegeben, daß der Schütze tatsächlich ein US-Beamter und kein honduranischer Polizist war. Er habe jedoch in Notwehr gehandelt, so die US-Botschaft in Tegucigalpa. Der Beamte habe entsprechend den Einsatzregeln gehandelt, die in einem bilateralen Abkommen zwischen Honduras und den USA festgelegt sind. Waffengebrauch ist demnach gestattet, wenn Menschenleben in Gefahr sind.

Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des Dorfes Brus Laguna im Norden des zentralamerikanischen Landes. Vier Hubschrauber des US-Außenministeriums mit honduranischen Polizisten und Beamten eines DEA-Einsatzkommandos an Bord griffen ein, als auf einem illegalen Flugfeld aus einem Kleinflugzeug Drogen entladen wurden. Es gab vier Festnahmen, mehrere Waffen und 360 Kilogramm Kokain wurden sichergestellt. Der fünfte Verdächtige sei getötet worden als er versuchte, eine Waffe zu ziehen, erklärte der Sprecher der US-Botschaft, Stephen Posivak.

Während sich honduranische Menschenrechtsgruppen und Medien angesichts der zunehmenden Beteiligung der US-Amerikaner an solchen Operationen besorgt zeigen und die nationale Souveränität untergraben sehen, sprach Posivak von einem »großartigen Beispiel positiver US-amerikanisch-honduranischer Zusammenarbeit«.

Der Schußwechsel rückt erneut die Beteiligung der USA an Antidrogeneinsätzen in Zentralamerika, vor allem in Honduras, in den Fokus der Öffentlichkeit. Diese werden offensichtlich ausgebaut. Allein in den vergangenen 15 Monaten waren die nordamerikanischen Agenten immer öfter an Einsätzen beteiligt, bei denen mehrere Menschen getötet wurden. Erst Mitte Mai waren bei einer Aktion gegen Drogenschmuggler in der Nähe von Ahuas, rund 20 Kilometer von Brus Laguna entfernt, unter Beteiligung der DEA vier Menschen umgebracht worden. Der Fall hatte erheblichen Wirbel verursacht, weil es sich bei den Getöteten um unbeteiligte Zivilisten gehandelt haben soll. Bereits damals war spekuliert worden, daß US-Beamte die tödlichen Schüsse abgegeben hätten.

Als Teil einer aggressiven Strategie gegen die in der Region operierenden Drogenkartelle haben die USA in den vergangenen Monaten ihre militärische Präsenz in Honduras massiv ausgebaut. Dabei werden Taktiken aus der Aufstandsbekämpfung und Truppen mit Erfahrung aus den Kriegen in Afghanistan und Irak eingesetzt, wie die New York Times Anfang Mai enthüllte. Die wachsende US-Präsenz in Honduras seit dem Staatsstreich 2009 wird begleitet von Menschenrechtsverletzungen sowie Morden und dem »Verschwindenlassen« politischer Gegner und Journalisten.

Anfang Juni forderte eine Gruppe von 40 honduranischen Wissenschaftlern und früheren Regierungsvertretern in einem Brief an US-Präsident Barack Obama und dessen Außenministerin Hillary Clinton einen Stopp der Unterstützung der honduranischen Armee und Polizei. 300 Akademiker in 29 Staaten haben sich dem Aufruf angeschlossen. Eine der Unterzeichnerinnen, die Anthropologin Adrienne Pine von der American University in Washington D.C., die auch zu Honduras arbeitet, erklärte: »Es ist absolut nicht angebracht, daß US-Strafverfolgungsbehörden andere Menschen in anderen Ländern töten.«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 28. Juni 2012


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