Unter der Lupe
UN-Kommission untersucht Menschenrechtslage in Honduras. Zelaya ruft zu weiterem Widerstand auf
Von André Scheer *
Eine Kommission der Vereinten Nationen untersucht seit Sonntag (18. Okt.) in Honduras die Situation der Menschenrechte nach dem Putsch vom 28. Juni. Die dreiköpfige Delegation, die voraussichtlich bis zum 7. November in dem mittelamerikanischen Land bleiben wird, soll anschließend der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, einen detaillierten Bericht vorlegen. Neben Gesprächen mit Vertretern der Widerstandsbewegung stehen auf dem Programm der Delegation auch Unterredungen mit offenen Unterstützern des Staatsstreichs wie dem honduranischen Menschenrechtskommissar Ramón Custodio. Die Namen der UN-Vertreter und weitere Details über die Aktivitäten der Gruppe wurden »aus Sicherheitsgründen« nicht mitgeteilt.
Weitere Verbote
Für den Präsidenten des honduranischen Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte (CODEH), Andrés Pavón, kann am Ende der Untersuchungen kein anderes Ergebnis stehen, als die Feststellung, daß in Honduras eine Diktatur errichtet wird. »Die UN-Berichte werden uns dazu dienen, unsere Anklagen gegen die Putschisten vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und dem Internationalen Strafgerichtshof zu untermauern«, sagte er der kubanischen Agentur Prensa Latina.
Obwohl sich die Putschisten nach wie vor bemühen, ein Bild von Ruhe und Normalität zu vermitteln, sprechen die Tatsachen eine andere Sprache. Erst am Wochenende war bekanntgeworden, daß die Herrschaft der Putschisten ein weiteres Menschenleben gefordert hat. Der Vorsitzende der Gewerkschaft des Instituts für Berufsausbildung (SITRAINFOP), Jairo Sánchez, erlag am Samstag seinen Verletzungen, die er am 23. September erlitten hatte, als Militär und Polizei mit Waffengewalt gegen einen friedlichen Demonstrationszug der Widerstandsbewegung vorgegangen waren. Der Generalkoordinator der Nationalen Widerstandsfront, Juan Barahona, und Bauernführer Rafael Alegría erklärten, der Tod von Sánchez sei ein Ergebnis der Versuche des Regimes, den Kampf des Volkes für die Demokratie gewaltsam zu stoppen. Die Bewegung werde sich aber von den Verbrechen der Putschisten nicht aufhalten lassen. Seit dem Putsch sind in Honduras nach Angaben der Widerstandsbewegung mehr als 20 Menschen durch die Repression ums Leben gekommen.
Am Sonntag (18. Okt.) wurden auf Befehl der Putschisten drei weitere Rundfunkprogramme geschlossen. Die gegen Bezahlung auf dem Privatsender Radio Cadena Voces ausgestrahlten Sendungen der Frauenfriedensbewegung, des Zentrums für Frauenstudien und des Zentrums für Frauenrechte hatten seit dem Putsch eine klar ablehnende Haltung gegen den Staatsstreich eingenommen. Gladis Lanza von der Frauenfriedensbewegung wertete das Verbot der drei Programme als einen weiteren Angriff auf die Meinungsfreiheit in Honduras: »Sie glauben, daß sie uns damit zum Schweigen bringen können, aber wir werden andere Wege finden, um über die Verletzung der Menschenrechte und die Willkür zu informieren und die Forderung nach einer Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu verbreiten.« Bereits am 28. September hatten die Putschisten die Sendeeinrichtungen des Fernsehsenders Canal 36 und von Radio Globo besetzt und abgeschaltet.
Winkelzüge
Unterdessen standen die vor fast zwei Wochen begonnenen Verhandlungen zwischen Vertretern des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya, der sich seit dem 21. September in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa aufhält, und Abgesandten des Putschistenregimes zu Wochenbeginn vor dem Scheitern, nachdem die Putschisten mit immer neuen Winkelzügen versucht hatten, eine Entscheidung über die Rückkehr Zelayas in sein Amt zu vermeiden. So soll nach Vorstellungen des von den Putschisten eingesetzten »Übergangspräsidenten« Roberto Micheletti der Oberste Gerichtshof über eine Wiedereinsetzung Zelayas entscheiden, obwohl dieser sich vor und nach dem Staatsstreich als juristische Speerspitze der Putschisten geoutet hatte. Im Gegensatz dazu fordert Zelaya eine Entscheidung des Parlaments: »Der Kongreß muß das Dekret zu meiner Absetzung aufheben, denn an dem Tag, als ich aus dem Land verschleppt wurde, war es der Kongreß, der getagt, mich per Dekret für abgesetzt erklärt und einen anderen Präsidenten vereidigt hat, obwohl er gar nicht befugt ist, einen Präsidenten der Republik abzusetzen.« Zelaya rief dazu auf, den gewaltfreien Widerstand bis zum Sieg fortzusetzen: »Der Kampf geht weiter, bis wir ein Land der Gerechtigkeit und der Gleichheit mit einer wirklich partizipativen Demokratie erreicht haben.«
* Aus: junge Welt, 20. Oktober 2009
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