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Systematische Repression in Honduras

Menschenrechtsverletzungen nach Staatsstreich festgestellt / Katholische Kirche gespalten

Von Harald Neuber *

Während der gewählte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, von Nicaragua aus seinen zweiten Rückkehrversuch in Angriff genommen hat, legte eine internationale Beobachterdelegation ihren Bericht vor: Seit dem Militärputsch vom 28. Juni seien Medien und Aktivisten der Demokratiebewegung schweren Drohungen ausgesetzt, heißt es in dem Bericht der insgesamt 17 Beobachter aus elf Staaten.

Sollte Präsident Manuel Zelaya die Rückkehr nach Honduras schaffen, trifft er ein anderes Land an. Bereits am Donnerstag hatte der Deutsche Martin Wolpold-Bosien im ND-Interview einige der erschütternden Ergebnisse der Untersuchung einer Beobachterdelegation geschildert. Die nun vorliegenden Berichte lassen weitere Details über das Niveau der Repression erkennen. Demnach kam es in den vergangenen knapp vier Wochen zu »massiven und widerrechtlichen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung«. Mindestens fünf Menschen seien bisher im Zusammenhang mit dem Staatsstreich getötet worden, es kam zu 1275 Verhaftungen.

Erneut stellten die Menschenrechtsbeobachter schwere Einschränkungen der Pressefreiheit fest. Betroffen davon seien unter anderem die Sender Canal 36, Radio TV Maya und Radio Globo. »Die internationale Gemeinschaft muss jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in Honduras beenden, solange die Menschenrechtsverletzungen andauern«, forderte Wolpold-Bosien im Namen der Delegation. Auch müsse die EU, über die bisher zurückgestellte Budgethilfe hinaus, alle Kooperationsprogramme mit staatlichen Institutionen in Honduras auf Eis legen. Die EU-Botschaften sollten bedrohten Aktivisten Schutz gewähren.

Im Hinblick auf die andauernden Menschenrechtsverstöße trifft auch die Haltung der katholischen Elite in Honduras bei kirchlichen Organisationen in Deutschland auf Kritik. Besonders beanstandet wird die Haltung des Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Honduras, Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga. Der Geistliche hatte Mitte des Monats der deutschen »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« ein ausführliches Interview gegeben. Darin sprach er sich gegen eine Rückkehr des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya aus. Dieser habe jegliche rechtliche Autorität verloren, behauptete Rodríguez Maradiaga. Hinter den »angeblichen Volksprotesten« in Honduras sieht der Kardinal »Agenten des venezolanischen Geheimdienstes«.

Der Hauptgeschäftsführer der katholischen Hilfsorganisation Misereor in Deutschland, Josef Sayer, teilt die Haltung Rodríguez Maradiagas zum Teil. In Honduras habe kein Militärputsch stattgefunden, sagte er im Gespräch mit ND. Auch sei nach Zelayas Deportation vom Parlament ein neuer Präsident gewählt worden.

Andere christliche Hilfsorganisationen widersprachen dieser Haltung eindeutig. Albrecht Schwartzkopf von der Christlichen Initiative Romero aus Münster wies auf die »unterschiedlichen politischen Meinungen in der katholischen Kirche von Honduras« hin. Vor allem die Diözese von Santa Rosa de Copán vertrete »eine Meinung, die den Volksbewegungen nahe steht«. Auch das renommierte Institut für Theologie und Politik lehnt die Haltung des Vorsitzenden der honduranischen Bischofskonferenz entschieden ab. Wenn die Meinung des Kardinals zuträfe, »dann gibt es in einer Demokratie Mittel, um diese Situation zu klären«, sagte der Mitarbeiter des Instituts, Ludger Weckel. Durch seine Parteinahme für die Putschisten spiele der Geistliche mit dem Feuer. »Auf dem Spiel steht nicht nur die augenblickliche Situation in Honduras, sondern die grundsätzliche Frage, wie gesellschaftliche Konflikte in Lateinamerika gelöst werden«, sagte Weckel.

Auch das ökumenische Netzwerk INKOTA mit Sitz in Berlin protestierte gegen die Stellungnahmen des Kardinals Rodríguez Maradiaga. »Seine öffentliche Parteinahme für die Putschistenregierung trifft auf unser Unverständnis«, sagte Mitarbeiter Willi Volks: »Wir hätten von ihm erwartet, dass für er eine schnelle Rückkehr zur Verfassungsmäßigkeit eintritt.« Stattdessen heize Maradiaga die Spannungen weiter an. Die unruhigen Zeiten in Honduras dauern an.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juli 2009


"Betroffene haben berichtet, daß sie mißhandelt wurden"

Internationale Delegation in Honduras: Menschenrechte nach Putsch systematisch verletzt. Ein Gespräch mit Armin Paasch **

Armin Paasch ist Pressereferent der Nichtregierungsorganisation »FIAN e.V. – Mit Menschenrechten gegen Hunger« (FoodFirst – Informations- & Aktions-Netzwerk), die ein Mitglied der Delegation nach Honduras stellte.

Am Donnerstag (23. Juli) hat eine internationale Menschenrechtsdelegation ihre Reise durch Honduras beendet und in Tegucigalpa ihren Abschlußbericht vorgestellt. Wie ist die Situation vier Wochen nach dem Putsch gegen die Regierung Zelaya?

Es wurde festgestellt, daß es seit dem Staatsstreich in Honduras zu gravierenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Es wurden Gewerkschafter, oppositionelle Politiker und Journalisten ermordet. Nach unseren Informationen handelt es sich um mindestens fünf Tote. Über 1275 Menschen wurden verhaftet. 15 Betroffene haben uns berichtet, daß sie in den Gefängnissen schwer mißhandelt wurden. Die Putschregierung hat eine Ausgangssperre erlassen und fundamentale Grundrechte aufgehoben.

Sie erwähnen in dem Bericht, daß auffallend viele Ausländer festgenommen wurden. Wie ist das zu erklären?

Es sind besonders viele Nikaraguaner verhaftet worden, insbesondere Jugendliche. Die Regierung hat die Festnahmen mit der Bedrohung der nationalen Sicherheit begründet. Allerdings sind nach unseren Informationen die meisten der inhaftierten Nikaraguaner einfache Arbeiter, Migranten mit Verwandten in Honduras oder Geschäftsleute. Von einer Bedrohung der nationalen Sicherheit durch sie kann keine Rede sein. Vielmehr vermuten wir dahinter eine gewisse Fremdenfeindlichkeit, die von den nationalen Medien zur Zeit auch geschürt wird.

Die großen Medien berichten sehr wohlwollend über die unrechtmäßige Regierung. Wie beurteilen Sie den Umgang mit kritischen Journalisten? Gibt es Beschneidungen der Pressefreiheit?

Die meisten Medien befinden sich in der Hand der beiden dominierenden Parteien in Honduras. Darüber hinaus gibt es gravierende Eingriffe in die Pressefreiheit gegenüber denjenigen, die immer noch kritisch berichten wollen. Zahlreiche Journalisten sind verhaftet worden. Es gibt anonyme Morddrohungen. Drei Sender sind in der Hauptstadt Tegucigalpa vom Militär besetzt worden. Eine kritische Berichterstattung wird immer schwieriger.

Dennoch kommen die Menschen offenbar an die Informationen.

Ja, trotz aller Repression ist es dem Regime nicht gelungen, die Demokratiebewegung niederzuknüppeln und kleinzuhalten. Die Informationen verbreiten sich gößtenteils über Mund-zu-Mund-Propaganda. Es gibt immer noch eine große Mobilisierung, insbesondere von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen. In der offiziellen Presse ist allerdings wenig vom Widerstand zu lesen.

Wie waren die Arbeitsbedingungen für Ihre Delegation?

Die Delegation konnte mit einigen hochrangigen Vertretern sprechen. Es fanden unter anderem Treffen mit Kongreßabgeordneten, dem Generaldirektor der Nationalen Polizei und dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs statt. Das heißt, es gab durchaus Gesprächsbereitschaft seitens der Putschregierung. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Menschenrechte verletzt werden und die Autoritäten dafür mitverantwortlich sind. Es ist erschreckend, wie der Putschregierung nahestehende Journalisten die Pressekonferenz, auf der die Delegation am Donnerstag ihren Abschlußbericht präsentierte, behindert haben. Sie gingen auf die Menschenrechtler zu, als wollten sie sie bedrohen. Anwesende regimekritische Journalisten wurden ständig unterbrochen und niedergeschrien.

Welche Schlüsse ziehen Sie nach der Reise, was muß passieren?

Wir bleiben dabei, daß es sich um einen Putsch handelt und nicht um eine Notwehrmaßnahme gegen die Pläne der Regierung Zelaya, eine zweite Amtszeit anzustreben. Das hatten beispielsweise die Welt, die FAZ und jüngst die Friedrich-Naumann-Stiftung kolportiert. Auch der UN-Sicherheitsrat muß sich einschalten und die Absetzung der Regierung deutlich als Putsch verurteilen, wie das auch die meisten Regierungen und internationalen Organisationen schon getan haben. Wir fordern die EU und die USA auf, jegliche Entwicklungs- und jegliche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Honduras auf Eis zu legen, solange die Menschenrechtsverletzungen andauern und die verfassungsmäßige Ordnung nicht wieder hergestellt ist.

Interview: Johannes Schulten

** Aus: junge Welt, 25. Juli 2009


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