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Honduras' Putschisten übergeben Staffelstab

Nationale und internationale Kritik an der für heute geplanten Amtseinführung von Porfirio Lobo

Von Harald Neuber *

Begleitet von Protesten im eigenen Land und auf internationaler Ebene, übergibt das seit Ende Juni herrschende Putschregime in Honduras am heutigen Mittwoch die Regierungsmacht an den konservativen Politiker Porfirio Lobo. Beigelegt ist die tiefe politische Krise damit jedoch mitnichten.

An breiter Akzeptanz kann sich Porfirio Lobo nicht erfreuen. Die anhaltende Isolation der Putschisten, zu denen auch Lobo und seine Nationale Partei zählen, wird unter anderem durch die kümmerliche internationale Präsenz bei der Amtseinführung deutlich. Nach Angaben der spanischen Nachrichtenagentur EFE hatten vorerst nur drei Präsidenten ihr Kommen bestätigt: Ricardo Martinelli aus Panama, Leonel Fernández aus der Dominikanischen Republik und Ma Ying-jeou aus dem international ebenso isolierten Taiwan.

Parallel zu seiner Machtübernahme setzt Lobo alles daran, Akzeptanz für seine Regierung zu erlangen. Mitte vergangener Woche verfasste er gemeinsam mit seinem Amtskollegen Leonel Fernández ein Abkommen »für die nationale Versöhnung und die Stärkung der Demokratie in Honduras«. Wichtigster Punkt darin ist die Ausreise des letzten demokratisch gewählten Präsidenten Manuel Zelaya. Der Liberale ist seit mehreren Monaten in der militärisch abgeriegelten Botschaft Brasiliens in Tegucigalpa gefangen. Nach dem Willen Lobos soll er nun das Land verlassen. Zudem will der Konservative eine Mehrparteienregierung bilden und eine Wahrheitskommission einberufen.

Bei Beobachtern trifft das Vorgehen dennoch auf Kritik. »Die in dem Abkommen festgelegten Schritte kosten Lobo politisch nichts«, sagt Martin Wolpold-Bosien, der Vorsitzende der Kopenhagen-Initiative für Zentralamerika, einem internationalen Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen, im ND-Gespräch. Zelaya störe im Exil weniger, glaubt Wolpold-Bosien, »und die anderen Parteien des mittelamerikanischen Landes haben den Staatsstreich mitgetragen.« Eine Ausnahme ist die linksgerichtete Demokratische Vereinigung (UD). Doch die oppositionelle Kleinpartei ist gespalten: Während der Abgeordnete Marvin Ponce und andere in der Demokratiebewegung aktiv sind, hat UD-Parteigenosse César Ham das Abkommen von Santo Domingo unterzeichnet. Nach einem Bericht der putschistennahen Tageszeitung »La Prensa« könnte Ham unter dem neuen Regimechef Lobo Leiter des bedeutenden Nationalen Agrarinstitutes werden.

Während die Putschisten und Lobo von der Parteienopposition wenig zu befürchten haben, konnte die Demokratiebewegung sich im letzten halben Jahr als dauerhafte politische Kraft etablieren. Auch am heutigen Mittwoch will die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich in der Hauptstadt Tegucigalpa zu einer Kundgebung mobilisieren. Das Bündnis der demokratischen Kräfte ist schon lange keine einfache Protestbewegung mehr. In ihren jüngsten Kommuniqués meldete sich die »Frente« auch zu sozialen Konflikten im Agrarsektor zu Wort und veröffentliche Stellungnahmen zur sozialen Lage im erdbebengeplagten Haiti.

Das Erstarken der sozialen Bewegungen nach dem Staatsstreich ist eine der positiven – und von den Putschisten nicht erwarteten – Folgen des Umsturzes vom 28. Juni. Auch deswegen reagieren die Machthaber mit Gewalt. Knapp zwei Dutzend politische Morde konnten dem Regime bereits nachgewiesen werden. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission übte in der vergangenen Woche harsche Kritik an der Aussetzung von Grund- und Bürgerrechten sowie der Gewalt gegen Akteure sozialer Bewegungen in Honduras. Die Situation gleiche der Lage vor drei Jahrzehnten, als rechtsextreme Todesschwadronen hunderte Aktivisten der Linken, aus der Gewerkschaftsbewegung und aus sozialen Organisationen ermordeten, sagte Bertha Oliva, die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation COFADEH, gegenüber der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina: »Auch heute werden politische Morde von der Justiz wieder als Raubüberfälle mit Todesfolge abgetan.«

Der COFADEH liegen Beweise dafür vor, »dass der Militärgeheimdienst G-2 Bürgermeister dazu drängt, Akteure der Widerstandsbewegung zu denunzieren«. Die Gewalt wird deswegen wohl auch unter Porfirio Lobos Präsidentschaft anhalten.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Januar 2010


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