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Krieg gegen Basisradios

In Honduras werden immer mehr Journalisten Opfer staatlicher Repression

Von Oliver Lüthi, San José *

Francisco Medina befand sich auf dem Nachhauseweg, als er in der vergangenen Woche von zwei Auftragsmördern niedergeschossen und dabei tödlich verletzt wurde. Zum Verhängnis wurde ihm seine kritische Berichterstattung als Fernsehjournalist. Als Leiter des Nachrichtenmagazins eines Lokalsenders in der nördlichen Region El Progreso hatte Medina politische Unregelmäßigkeiten in seiner Wohngemeinde und schwelende Landkonflikte in der Region thematisiert.

Die Ermordung von Medina ist kein Einzelfall. Rund ein Dutzend Journalisten wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren in Honduras Opfer von Tötungsdelikten. Die Hintergründe der Verbrechen wurden in der Regel nicht aufgedeckt und die Verantwortlichen in keinem der Fälle zur Rechenschaft gezogen.

Besonders von Verfolgung betroffen sind Journalisten alternativer Medien und Berichterstatter von Gemeinderadios. Sender wie Radio Globo, Canal 36 oder Radio Progreso, die sich offen gegen den Staatsstreich vom Juni 2009 gestellt hatten, bei dem der rechtmäßige Präsident Manuel Zelaya vom Militär gestürzt wurde, sind seither permanent Ziele von Attacken, Sabotageakten oder staatlichen Zensurmaßnahmen. Doch auch immer mehr kleine lokale Fernseh- und Radiostationen sind mit Unterdrückung und der Verfolgung durch paramilitärische Gruppen konfrontiert. Ursache der Gewalt gegenüber Journalisten ist in der Regel die Thematisierung von Streitigkeiten und Unregelmäßigkeiten, in die örtliche Unternehmer und Großgrundbesitzer verwickelt sind.

Exemplarisch für die Übergriffe der Mächtigen gegen kritische Stimmen ist der Konflikt zwischen dem auf einer Halbinsel im Süden des Landes arbeitenden Gemeinderadio »Die Stimme von Zacate Grande« und dem Großgrundbesitzer Miguel Facussé. Der Sender befindet sich auf Ländereien, die von diesem beansprucht werden. Er ist Vorsitzender der agroindustriellen Unternehmergruppe Dinant und vor allem mit der Herstellung und dem Verkauf von Palmöl reich geworden.

Seit das Radio im April 2010 zum ersten Mal auf Sendung ging, unterstützt es in seiner Berichterstattung lokale zivilgesellschaftliche Gruppen und deren Kampf gegen den Palmölkönig. Verfolgungen durch staatliche Organe und private Sicherheitskräfte des Magnaten begleiten seither die Aktivitäten des Senders. So wurde im April ein Anschlag auf das Fahrzeug eines Journalisten verübt. Bereits im März war der Direktor bei einem Attentat verletzt worden.

Die Interamerikanische Kommis­sion für Menschenrechte hat im April bei den honduranischen Behörden Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter des Senders gefordert. Allerdings ist von staatlicher Seite keine Unterstützung zu erwarten, ganz im Gegenteil: Nach dem Attentat vom März rief die Polizei direkt bei den Radiomachern an und warnte diese, »kein Aufsehen um die Sache« zu machen. Bereits im Januar hatte ein lokales Gericht gegen zwei Journalistinnen des Gemeinderadios Strafen wegen »öffentlichen Ungehorsams« verhängt.

* Aus: junge Welt, 20. Mai 2011


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