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Die Stimme der Anderen

Radio Uno sendet in Honduras gegen die herrschenden katastrophalen Zustände an

Von Knut Henkel *

Honduras gehört zu den gefährlichsten Ländern weltweit. Die Mordrate ist extrem hoch und immer wieder geraten Journalisten und die politische Opposition in den Fokus des Terrors. Radio Uno, der Sender der Ausbildungseinrichtung »Institut für Kommunikation 1. Dezember«, sorgt für Aufklärung.

Juan Ramón schiebt die Regler hoch und die Musik wird langsam lauter. Ruí Díaz und German Zepeda lehnen sich zurück und holen erst einmal tief Luft. Ihre Sendezeit, die wieder einmal ganz im Zeichen der extrem schwierigen Situation in Bajo Aguán stand, ist vorbei. Die Region im Norden des Landes, wo Tausende von Kleinbauern, um ihre Landrechte gegen die Ausdehnung der Plantagenwirtschaft im Zeichen von einigen wenigen Großgrundbesitzer kämpfen, ist eines der wiederkehrenden Themen bei Radio Uno.

Wer über die Verstrickung von Regierungsvertretern oder einflussreichen Kräften aus Polizei, Justiz oder Militär in die organisierte Kriminalität berichtet, lebt gefährlich. Doch bei der Ausbildung der Nachwuchsjournalisten am »Institut für Kommunikation 1. Dezember« wird Wert darauf gelegt, dass berichtet wird, was im Land wirklich geschieht. Das geht dann direkt bei Radio Uno, dem Sender des Ausbildungsinstituts, in San Pedro Sula über den Äther.

»Wir haben mehrere Korrespondenten vor Ort, die direkt aus den Dörfer der Region berichten«, erklärt German Zepeda. Der erfahrene Gewerkschafter ist einer der Freiwilligen, die in dem kleinen Studio im Zentrum von San Pedro Sula mitarbeiten und obendrein fährt er auch regelmäßig in die im Norden von Honduras liegende Region, um sich ein Bild der Situation vor Ort zu machen. »Immer wieder gibt es Tote in der Region, die kleinbäuerlich strukturiert ist und wo die drei, vier Großgrundbesitzer den Anbau von Ölpalmplantagen kontinuierlich ausdehnen«, erklärt Zepeda, der hauptberuflich für die Koordination der Bananengewerkschaften von Honduras arbeitet.

Auch Ruí Díaz ist ein Nach-Feierabend- Journalist. Der Lehrer beschäftigt sich mit der Situation des Bildungssystems in seinem Heimatland und kritisiert die Politik der Regierung. »Das Bildungsniveau singt und die Regierung verstärkt den Druck auf die Lehrer, die sich dagegen wehren«, kritisiert der Mann von Mitte 40 und zieht die Stirn in Falten. Dann erhebt er sich von dem Tisch mit dem Mikrofon, hinter dem ein gerahmtes Bild von Ex-Präsident Manuel »Mel« Zelaya mit dem Schriftzug »Hoch Mel! Widerstand – immer bis zum Sieg« zu sehen ist und verabschiedet sich von Juan Ramón. Der 18-jährige junge Mann ist heute für die Technik verantwortlich gewesen und ist einer der Studenten am »Institut für Kommunikation 1. Dezember«.

Ramón erhält dort eine journalistische Ausbildung, lernt wie Radio funktioniert und auch wie es um die Pressefreiheit in Honduras bestellt ist. Dafür sorgt mit Eduardo Coto Barnica, ein erfahrener Journalist, der bis zum Putsch vom Juni 2009 für Televisión Hondureña gearbeitet hat. »Damals wurden viele Kollegen entlassen. Das war Teil der Medienkampagne, die man vorbereitet hatte, um einen Staatsstreich zu einer verfassungskonformen Ablösung umzuetikettieren «, sagt der 61-Jährige. Nun leitet er Radio Uno beziehungsweise die journalistische Ausbildung am Institut.

Ramón will nach dem Abschluss als Journalist arbeiten, Zeida Bonilla, die in den nächsten Monaten ihren Abschluss machen wird, will hingegen anschließend Psychologie studieren. »Es gibt kaum Möglichkeiten beim Radio zu arbeiten«, erklärt sie freimütig.

Kritische Berichterstattung ist gefährlich. Seit Beginn des Jahres 2010 sind 17 Journalisten in Honduras ermordet worden. Anfang Dezember wurde mit Luz Marina Paz eine Radiojournalistin ermordet. Für die hohe Zahl der Morde macht Eduardo Coto Barnica die Straflosigkeit verantwortlich. »Morde an Journalisten haben keine Folgen, sie werden nicht geahndet – das ist zumindest die Botschaft dieser 17 Morde, von denen keiner bisher aufgeklärt wurde. Die Regierung hat nach Protesten von Kollegen immerhin eine gründliche Untersuchung des Mordes an Luz Marina Paz angekündigt «. Doch passiert ist wenig und umso wichtiger ist es Coto, den Schülern des Instituts beizubringen solide zu recherchieren. Erst dann darf eine Geschichte über den Äther, lautet eine Devise. Die hat Coto auch den Freizeitjournalisten Zepeda und Ruíz eingebläut, die kein Hehl aus ihrer politischen Überzeugung machen.

Der Grad zwischen Journalismus und Propaganda ist schmal mahnt Coto, der auch immer wieder das Beispiel des eigenen Sohnes anführt. »Mein Sohn arbeitet in einer der Putsch-Redaktionen und verdient gutes Geld. Ich habe ihm einst beigebracht, wie das journalistische Handwerk funktioniert, nicht beigebracht habe ich ihm allerdings wie die latente Korruption hier funktioniert. So fährt er nun Geländewagen und ich Bus«, sagt der enttäuschte Vater mit einem bitteren Lächeln. Deshalb kümmert er sich nun um die Ausbildung des journalistischen Nachwuchs und hofft, dass es bald besser wird. »Wir brauchen einen politischen Neuanfang, eine Verfassunggebende Versammlung, die nicht von den regierenden Familien manipuliert wird. Auf der anderen Seite müssen wir aus der Geschichte lernen und unseren Nachwuchs besser ausbilden«. Dafür ist Radio Uno der richtige Ort.

* Aus: neues deutschland, 13. März 2012


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