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Gegen "Regime der Bajonette"

Honduras’ Präsident Zelaya kündigt Rückkehr an. Gewerkschaften und Basisverbände rufen zum Generalstreik Ende der Woche auf

Von André Scheer *

Die Gespräche zu Honduras sind gescheitert. Unter Vermittlung des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias waren am Sonntag (19. Juli) in San José erneut Vertreter der rechtmäßigen Regierung von Honduras und Abgesandte des Putsch-Regimes vom 28. Juni zusammengekommen. Während Arias im Anschluß davon sprach, die Gespräche seien »für 72 Stunden ausgesetzt«, hatte die Delegation der Putschisten am Sonntag abend (19. Juli) den von Arias vorgelegten Sieben-Punkte-Katalog für »unannehmbar« erklärt und sich vom Verhandlungstisch zurückgezogen.

Manuel Zelayas Vertreter waren der gegnerischen Seite weit entgegengekommen: Sie akzeptierten die Vorschläge Arias’, die unter anderem eine Generalamnestie für die Putschisten und den ausdrücklichen Verzicht auf die Abstimmung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung vorsahen. Diese interpretierten das jedoch als Zeichen der Schwäche und legten ein Papier vor, in dem sie die Rhetorik von Arias’ Vorschlägen übernahmen, und zugleich die einzelnen Punkte in ihr Gegenteil verkehrten. Hatte Arias erklärt, daß Zelaya nach Honduras zurückkehren müsse, um sein Amt als Präsident des Landes wieder zu übernehmen, wurde daraus im Gegenvorschlag eine Rückkehr Zelayas »mit den notwendigen Garantien, damit er in dem bevorstehenden Prozeß seine Rechte vor den zuständigen juristischen Stellen vertreten kann«. Im Klartext: Das Regime wiederholte damit seine Ankündigung, Zelaya bei der Einreise in Honduras verhaften zu wollen.

Nach diesem Eklat gab Zelaya seine Kompromißbereitschaft offenbar auf. Gegenüber der brasilianischen Tageszeitung Folha de Sao Paulo betonte er nun, daß er die Volksbefragung über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung in jedem Fall durchführen wolle: »Das ist nicht meine Entscheidung. Ich kann nicht das Volk verraten und den Prozeß aufgeben.«

Bei einer Pressekonferenz in Managua kündigte Zelaya außerdem an, am kommenden Wochenende in sein Heimatland zurückkehren zu wollen. Die »Weltöffentlichkeit« sei von den Putschisten verspottet worden und stehe nun vor der Herausforderung, sich gegen das Regime zu behaupten. Mit Blick auf die von Arias erbetene Frist sagte Zelaya: »Wenn die internationale Gemeinschaft nach diesen 72 Stunden genügend Druck auf dieses sich nur auf die Bajonette stützende Regime ausgeübt hat, kann es sich keine 24 Stunden halten. Aber darauf können wir uns nicht verlassen, und ich werde das honduranische Volk in diesem Kampf nicht allein lassen.«

Die in der Nationalen Front gegen den Staatsstreich zusammengeschlossenen Organisationen und Bewegungen haben unterdessen vereinbart, den Kampf gegen die Putschisten weiter zu verstärken. Die Vertreter der wichtigsten Gewerkschaftsbünde und der Bauern-, Studierenden- und Jugendorganisationen sowie anderer Verbände vereinbarten bei einem mehrstündigen Treffen in Tegucigalpa, für Donnerstag und Freitag einen Generalstreik für die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung auszurufen. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes FUTH, Israel Salinas, kündigte bei einer Kundgebung an, der Streik richte sich gegen das Regime und gegen die Unternehmer, die den Staatsstreich vom 28. Juni unterstützt haben. Der Ausstand solle der Wirtschaft einen »harten Schlag« versetzen. Deshalb solle der Streik von breiten Massenaktivitäten begleitet werden, die alle wichtigen Aktivitäten im Land lahmlegen und die Unternehmer dort treffen, wo es ihnen am meisten weh tut: in ihren Geldbeuteln.

Zugleich beschloß die Widerstandsbewegung, die seit dem Staatsstreich anhaltenden Demonstrationen sowie die Besetzung von Autobahnen und Brücken fortzusetzen.

* Aus: junge Welt, 21. Juli 2009

EU legt Hilfen für Honduras auf Eis

Angesichts der stockenden Verhandlungen über ein Ende der Regierungskrise in Honduras legt die EU Finanzhilfen in Höhe von 65 Millionen Euro für das lateinamerikanische Land auf Eis. Damit solle Druck auf die Vertreter der Übergangsregierung ausgeübt werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, erklärte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Montag (20. Juli) in Brüssel. Beide Seiten sollten alles vermeiden, was die Spannungen weiter anheizen könnte, sagte Ferrero-Waldner weiter.
Quelle: AP, 20. Juli 2009



Kein Frieden der Bajonette

Von Harald Neuber **

Mit dem Scheitern der Verhandlungen zwischen der legitimen Regierung von Honduras unter Präsident Manuel Zelaya und den Putschisten wurde am Sonntag eine Farce beendet. Von Beginn an hatten die Machthaber um Armeechef Romeo Vásquez Velásquez und Roberto Micheletti keinen Deut an Kompromissbereitschaft gezeigt. So gab es keine Zweifel: Eine Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaat ist mit ihnen nicht möglich. Präsident Zelaya hat sein Äußerstes geben. Er stimmte in den Friedensplan des costaricanischen Präsidenten und Vermittlers Oscar Arias ein. Von der Demokratiebewegung im Land war er dafür kritisiert worden. Noch am Sonntag hatte das zentrale Protestbündnis, das täglich Zehntausende mobilisiert, sechs der sieben Punkte des Arias-Plans abgelehnt.

Während Zelaya nun einen neuen Rückkehrversuch plant, warnen internationale Medien vor Gewalt in dem mittelamerikanischen Land. Diese Warnung ist scheinheilig, denn die Gewalt ist seit dem 28. Juni allgegenwärtig. 1158 Festnahmen und vier ermordete Aktivisten zählt bis dato die einflussreiche »Nationale Widerstandsfront gegen den Putsch«. Der zunehmend aggressive Ton des Micheletti-Regimes macht deutlich: Nur wer »wie die USA« jetzt noch diplomatische Kontakte mit Honduras aufrecht erhält und ihnen Kredite gewährt, fördert die Gewalt.

Die sozialen und demokratischen Organisationen haben am Sonntag (19. Juli) eine Verschärfung ihres Kampfes angekündigt. Ihnen ist nach drei Wochen unter dem Putschisten klar, dass jeder Frieden mit den Machthabern ein Frieden unter dem Druck der Panzer und Bajonette wäre.

** Aus: Neues Deutschland, 21. Juli 2009 (Kommentar)


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