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Die Bevölkerung kämpft für "Mel"

Seit 62 Tagen gehen Landarbeiter, Studierende, Feministinnen und viele mehr auf die Straßen

Von Raimundo López, Tegucigalpa Prensa Latina/ND *

Die Nationale Front gegen den Staatsstreich in Honduras hat für heute weltweit zu Protestkundgebungen vor US-Botschaften aufgerufen. Das De-facto-Regime in Honduras sieht sich einer nahezu vollständigen internationalen Isolation ausgesetzt - und einem Widerstand des Volkes, der seit nunmehr 62 Tagen andauert.

Honduras taumelt seit zwei Monaten dem Staatschaos entgegen. In den frühen Morgenstunden des 28. Juni hatte ein Kommando maskierter Militärs den Präsidenten von Honduras, Manuel »Mel« Zelaya, verschleppt und nach Costa Rica deportiert. Honduras fiel an diesem Morgen in die Zeit der Militärputsche zurück, die man in dieser Region hinter sich glaubte. Es gibt seither aber auch eine andere Geschichte: Seit jenem Morgen ziehen die Gewerkschaften, die Landarbeiter, Studierende, Feministinnen, die Mitglieder progressiver Parteien und sozialer Organisationen auf die Straßen von Honduras. Seit zwei Monaten halten sie einen friedlichen Widerstand aufrecht - gegen die harte Repression von Armee und Polizei.

Spontan hatten sich Aktivisten aus all diesen gesellschaftlichen Bereichen nach dem Putsch zusammengeschlossen. Es war die Geburtsstunde der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich, einer breiten Allianz sozialer Gruppen, die ebenso Menschenrechtsorganisationen, Umwelt- und Indigenenverbände und Homosexuellengruppen einschließt.

Nach Angaben des Generalkoordinators der Widerstandsfront, des Gewerkschafters Juan Barahona, liegen die unmittelbaren Ziele in der Rückkehr der verfassungsmäßigen Ordnung und in der Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya. Die zweite große Aufgabe, sagt er, bestehe aber in dem Kampf der sozialen Bewegungen für eine Verfassunggebende Versammlung. Sie soll ein neues Grundgesetz ausarbeiten, das eine partizipative Demokratie anerkennt und einen Wandel des ungerechten sozialen Systems durchsetzt.

In Honduras leben 75 Prozent der Bevölkerung in Armut. 14 Familien der Oberschicht besitzen gemeinsam mit ausländischen Konzernen 80 Prozent des Reichtums. »Der Versuch Präsident Zelayas, diese Situation mittels einer Umfrage über eine Verfassunggebende Versammlung zu ändern, hat den Aufstand der Militärs, der Unternehmer und ihrer politischen Verbündeten provoziert«, sagt Barahona. Es sei die Hoffnung auf eine Reform des ungerechten Staates und auf ein besseres Leben, die jeden Morgen tausende Menschen zur Teilnahme an den unermüdlichen Protesten motiviert. Es sei diese Hoffnung, die ihnen die Angst vor Polizei und Militär nimmt.

»Dieses Putschregime genießt weder die Unterstützung des Volkes noch die der internationalen Gemeinschaft«, sagt der Vorsitzende der Landarbeiterorganisation Via Campesina in Honduras, Rafael Alegría: »Es ist jeden Tag einen Tag näher an seiner Niederlage.« Nach Alegrías Angaben ist die Lage kritisch. Im zu Ende gehenden Monat habe die Regierung die Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst nicht bezahlt, sagt er, und auch die Lehrer und Hochschulprofessoren seien leer ausgegangen. In den staatlichen Krankenhäusern herrsche ein zunehmender Mangel an lebenswichtigen Medikamenten.

Dennoch hat das Putschregime unter Führung von Machthaber Roberto Micheletti am Dienstag dieser Woche erneut einen friedlichen und politischen Ausweg aus der Krise zurückgewiesen: Micheletti lehnte in Verhandlungen mit einer Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) den sogenannten San-José-Plan ab, der von Costa Ricas Präsidenten Oscar Arias ausgehandelt worden war. Damit ist die OAS-Delegation unter Leitung von Generalsekretär José Miguel Insulza und mehreren lateinamerikanischen Außenministern erneut gescheitert. Präsident Zelaya hatte sich hingegen zur Unterzeichnung des Abkommens bereit erklärt. Und dies, obwohl seine legitime Rückkehr an Bedingungen wie den Verzicht auf die Einberufung der Verfassunggebenden Versammlung durch seine Regierung geknüpft war.

Politisch steht Honduras derzeit zwischen zwei bedeutenden Daten: Dem Putsch von 28. Juni und dem ursprünglichen Wahltermin Ende November. Das Regime von Micheletti will an diesem Urnengang festhalten. Die Nationale Widerstandsfront und die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten haben jedoch bereits erklärt, keine Regierung anzuerkennen, die aus Wahlen unter dem derzeitigen Regime hervorgeht. Die Rückkehr zur Demokratie müsse der erste Schritt sein.

Der Exklusivbeitrag für ND wurde vom PL-Vertreter in Berlin, Harald Neuber, übersetzt.

* Aus: Neues Deutschland, 28. August 2009


Honduras: Lage verschärft sich **

Ohne konkrete Ergebnisse ist am Dienstag (25. Aug.) die zweitägige Reise von sieben amerikanischen Außenministern und dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, nach Honduras zu Ende gegangen. Wie die Minister aus Argentinien, Kanada, Costa Rica, Jamaica, Mexiko, Panama und der Dominikanischen Republik einräumten, konnten sie die Vertreter des Putschisten-Regimes nicht zu einer Annahme des »Abkommens von San José« bewegen. Dieser von dem costaricanischen Präsidenten Óscar Arias vorgelegte Plan sieht eine Rückkehr Manuel Zelayas in das Präsidentenamt, eine Amnestie für die Putschisten, den Verzicht auf die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung sowie die Durchführung der für den 29. November geplanten Wahlen unter internationaler Kontrolle vor.

Zelaya hatte dem Plan zugestimmt, obwohl selbst Sprecher aus seinem Umfeld erklärt hatten, unter diesen Bedingungen würde er »an Händen und Füßen gefesselt« sein Amt ausüben. Der rechtmäßige Präsident habe dies jedoch akzeptiert, damit »Frieden und Ruhe« nach Honduras zurückkehren könnten. Nach dem Scheitern der Verhandlungsbemühungen der OAS wurde nun jedoch damit gerechnet, daß Zelaya seine nachgiebige Haltung aufgeben könnte. Für Mittwoch - nach jW-Redaktionsschluß - hatte er zu einer Pressekonferenz in den Räumen der honduranischen Botschaft in Managua eingeladen.

Auch Bertín Alfaro, der Chef der Lehrergewerkschaft, die mit ihren 60000 Mitgliedern die stärkste Kraft der Widerstandsbewegung, warnt davor, daß die Unnachgiebigkeit der Militärregierung zu einer weiteren Verschärfung der Lage führen könnte. »Wenn diese Situation nicht geregelt wird, werden in Honduras Guerillagruppen organisiert werden«, sagte er der argentinischen Tageszeitung Página 12. Rund 2000 Menschen würden dafür bereits in Nicaragua ausgebildet, der bewaffnete Widerstand könne »bald« beginnen.

Zelaya läuft jedoch die Zeit davon. Am 1. September beginnt offiziell die Kampagne für die Wahlen vom 29. November, die das Putschisten-Regime nun unter seiner Kontrolle durchführen will, obwohl zahlreiche Staaten und internationale Organisationen bereits angekündigt haben, daß sie weder eine solche Abstimmung noch eine aus solchen Wahlen hervorgegangene Regierung anerkennen werden.

Die Widerstandsbewegung in Honduras ruft unterdessen für den morgigen Freitag (28. Aug.) zu einem weltweiten Aktionstag gegen den Staatsstreich auf, der sich auch gegen die Unterstützung der Putschisten durch die US-Geheimdienste richten soll. Die US-Botschaft in Tegucigalpa hat angekündigt, bis auf weiteres keine Visa für die USA mehr auszustellen, um somit den Druck auf die De-Facto-Regierung zu erhöhen, doch noch das Abkommen von San José zu akzeptieren.

** Aus: junge Welt, 27. August 2009


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