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"Präsident" Lobo in der Isolation

Honduras: Staatsführung sieht sich innen- und außenpolitisch mit Widerstand konfrontiert

Von Harald Neuber *

Trotz diplomatischer Teilerfolge ist die Regierung von Unternehmer Porfirio Lobo international isoliert. Nun wächst auch innenpolitisch die Kritik.

Gewerkschaften und soziale Organisationen in Honduras erhöhen den Druck auf die De-facto-Regierung unter dem konservativen Unternehmer Porfirio Lobo. Nach Angaben des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur will sich der Gewerkschaftsdachverband des mittelamerikanischen Landes, (CUTH) einem laufenden Streik der Lehrer anschließen. Die Pädagogen haben ihre Proteste wegen ausstehender Zahlungen von Löhnen und Sozialabgaben in der vergangenen Woche aufgenommen. Inzwischen wurden die Aktionen der Lehrer, die eine führende Rolle in der Demokratiebewegung des Landes spielen, auf unbestimmte Zeit verlängert. Nach Angaben der Berufsverbände schuldet die Lobo-Führung allein der Bildungsbehörde INPREMA inzwischen umgerechnet knapp 160 Millionen US-Dollar.

Die Proteste kommen für die Regierung äußerst ungelegen. Porfirio Lobo versucht derzeit, die Isolation zu durchbrechen, in die das mittelamerikanische Land nach dem Militärputsch gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung unter Präsident Manuel Zelaya geraten ist. Mit dem erneuten Eintritt in den zentralamerikanischen Staatenbund SICA Ende Juli und der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Mexiko und Chile hat die Staatsführung zwar einen Teilerfolg erzielt. Vor allem die südamerikanischen Staaten - Argentinien, Bolivien, Brasilien, Ecuador, Paraguay, Uruguay und Venezuela - lehnen eine Rückkehr der Lobo-Führung in die Organisation Amerikanischer Staaten jedoch weiter ab. Ebenso wie Nicaragua erkennen sie die Wahl Lobos, einem Unterstützer von Putschistenchef Roberto Micheletti, nicht an. Zudem fordern sie die Rückkehr des exilierten Präsidenten.

Unterstützt wird diese regionalpolitische Position von der Demokratiebewegung im Land. Mehrere Dutzend Gewerkschaften und soziale Organisationen haben sich in der »Nationalen Front des Volkswiderstandes« (FNRP) zusammengeschlossen. Einer der Sprecher, Rafael Alegria, ein langjähriger Agraraktivist von internationalem Ruf, kritisierte dieser Tage umgehend die Entsendung der Botschafter aus Mexiko und Chile nach Honduras. Zwar respektiere die FRNP die Entscheidung der beiden Staaten, so Alegría. Zugleich wies er jedoch darauf hin, »dass die Demokratie in Honduras nicht wieder hergestellt wurde«.

Nach Zählungen von Menschenrechtsorganisationen wurden seit dem Putsch am 28. Juni 2009 über 5000 Menschen inhaftiert und mehr als 100 politische Morde begangen. Zuletzt fiel der Rechtsanwalt und Demokratieaktivist Marco Tulio Amaya dieser politischen Gewalt zum Opfer. Nach Informationen der honduranischen Menschenrechtsorganisation CODEH hatte der Jurist wiederholt Morddrohungen erhalten; am 20. Juli wurde er erschossen. Nicht nur dieser Fall beschäftigt inzwischen internationale Gruppierungen wie die Weltorganisation gegen Folter (OMCT), die eine Aufklärung des Mordes fordert. Auch Amnesty International hat nach Morddrohungen gegen die beiden Aktivistinnen Kenia Oliva Cardona und Gladys Lanza inzwischen Eilaktionen gestartet.

Obgleich die Lage im Land äußerst angespannt bleibt, setzten sich vor allem die USA für die Anerkennung der Lobo-Führung ein. So traf jetzt die Staatssekretärin im Washingtoner Außenministerium, Maria Ortero, mit Lobo zusammen. Es war der höchste Besuch aus den USA seit dem Machtantritt des Unternehmers in Honduras. Die FNRP protestierte umgehend: Die USA ignorierten beharrlich die Probleme und Menschenrechtsverletzungen und setzten alles daran, die Lobo-Führung zu unterstützen, hieß es in einem Kommuniqué. In der Tat setzte in der Vorwoche auch USA-Außenministerin Hillary Clinton das Thema Honduras auf die Tagesordnung, als sie mit ihrem argentinischen Amtskollegen Héctor Timerman zusammenkam.

Die Schwergewichte Südamerikas - Argentinien, Brasilien und Venezuela - bleiben bislang aber bei ihrer ablehnenden Haltung. »Wir dürfen nicht erlauben«, sagte Brasiliens Staatschef Luiz Inácio »Lula« da Silva unlängst am Rande eines Treffens mit seinem nicaraguanischen Amtskollegen Daniel Ortega, »dass der Putsch in Honduras zu weiteren antidemokratischen Abenteuern einlädt«.

Allen Beteiligten ist klar, dass die Anerkennung für die De-facto-Regierung eine Überlebensfrage ist. Zwar hat Porfirio Lobo von den internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF 300 Millionen US-Dollar überwiesen bekommen. Langfristig wird die Staatsführung auf diese Weise aber nicht überleben, wie die Zahlungsausstände an tausende Lehrer beweisen. Manuel Zelaya indes steht - obgleich im Exil in der Dominikanischen Republik - in den Startlöchern. Den streikenden Lehrern ließ er eine Grußbotschaft zukommen. Ihr Kampf sei gerechtfertigt, hieß es darin, »und das Volk muss das verstehen«.

* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2010


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