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Bauernkampf um Land

Honduras: Verbände fordern neues Agrargesetz und Bodenreform

Von Benjamin Beutler *

In Honduras eskaliert der Konflikt um Grund und Boden, nachdem die Krise schon seit Jahren schwelte. Großgrundbesitzer aus allen Teilen des zentralamerikanischen Staates melden Landbesetzungen durch mittellose Bauern und ihre Familien. Nicht nur in abgelegenen Gegenden werden Fincas in Beschlag genommen, auch in der Nähe von Städten nehmen sich die Ärmsten der Armen was sie brauchen. Am Dienstag haben nun Bauern aus dem ganzen Land ihre Zelte vor dem Kongreßgebäude in Tegucigalpa aufgeschlagen, um eine Bodenreform durchzusetzen. Bereits im Oktober hatten die 32 beteiligten Bauernverbände dem Parlament einen Gesetzentwurf übergeben, jetzt wollen sie den Druck auf die Abgeordneten erhöhen. »Es sind noch rund 2000 Bauern auf dem Weg«, kündigte Eugenio Herrera Quiroz vom Dachverband ANACH an. »Wir verlassen die Hauptstadt erst, wenn unser Gesetzprojekt hier behandelt wird.« Doch der Entwurf ist sozialer Sprengstoff. Gefordert wird ein sofortiger »Wandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die Landwirtschaft aus ihrer gegenwärtigen Rückständigkeit herauszuholen, die das Leben von Millionen Honduranerinnen und Honduranern beeinträchtigt«. Illegal erworbener Landbesitz müsse der öffentlichen Hand rückübertragen werden. Latifundien, welche die bereits bestehende 250-Hektar-Obergrenze überschreiten, sollen enteignet werden. Auch spekulatives, brachliegendes Land ohne produktive Funktion, und Gebiete, dessen Bewohner ohne Arbeitsvertrag für die Eigentümer arbeiten müssen, sollen wieder verstaatlicht werden.

Zudem wollen die Bauern Geld. Der kleinbäuerlichen Landwirtschaft fehlt es im Gegensatz zu den Großgrundbesitzern an Kapital. Zehn Prozent des Nationalhaushaltes müßten in die Förderung handwerklicher Produktion fließen, so das Papier. Nur so könne die galoppierende Armut auf dem Land gestoppt werden.

Die ungleiche Verteilung von Grund und Boden in Honduras ist eine tickende Zeitbombe. Acht von zehn Bauernfamilien haben weniger als fünf Hek­tar oder gar kein eigenes Land. Über 375000 Kleinbauern stehen Schätzungen zufolge ohne Anbauflächen da. Sieben von zehn Landbewohner sind arm, 67 Prozent gelten als »extrem arm«, haben also nicht einmal genug zu essen. Demgegenüber kontrolliert eine kleine Landlord-Elite die Filetstücke. Über ein Drittel bester Felder und Plantagen sind in der Hand von einem Prozent reicher Plantagenbosse.

Doch die Parlamentarier in der Kapitale stellen sich stur. Seit der nach dem Putsch gegen den nach links gerückten Präsidenten Manuel Zelaya durchgeführten und wegen der geringen Beteiligung und der Atmosphäre der Angst und Einschüchterung von Beobachtern als Farce bezeichneten Wahl hat die konservative »Nationalpartei von Honduras« (PNH) die Mehrheit. Ihr Kandidat Porfirio Lobo ist seit Anfang 2010 Präsident – und das Agrarbusineß kann auf ihren Mann zählen. In der Region Bajo Aguán im Norden des Landes, wo Landgüter des berüchtigten Palmöl-Multimillionärs Miguel Facussé besetzt wurden, haben Polizei und Militär auf Druck des nationalen Unternehmerverbandes ANDI mit der Entwaffnung bäuerlicher Selbstverteidigungsgruppen begonnen. Der Kampf um Land sei eine »Gefährdung der nationalen Sicherheit«, wird die Landlosenbewegung MUCA kriminalisiert. Deren Mitglied Vitalino Álvarez schlägt jetzt Alarm. Nur Bauern, nicht aber die Sicherheitsdienste der Unternehmer würden entwaffnet. Zuletzt hatten deren Killertrupps in der besetzten Facussé-Finca »Los Laureles« den 32 Jahre alten Bauern Israel García erschossen. Seit 2009 sind allein in Bajo Aguán über 60 Menschen bei Auseinandersetzungen um Land gestorben.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 9. August 2012


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