"Die Lobo-Regierung ist eine Fortführung des Putschregimes"
Der Menschenrechtsaktivist Jesús Garza zu der innenpolitischen Lage in Honduras
Jesús Garza ist Mitglied der honduranischen Sektion der Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Information and Action Network) sowie der Widerstandsfront gegen den Militärputsch in Honduras. Er arbeitet auch als Koordinator der Honduranischen Koalition der Bürgeraktion, einer Bürger- und Menschenrechtsorganisation. Über die Glaubwürdigkeit der aktuellen Regierung seines Landes und den geplanten Freihandel mit der EU sprach mit ihm für das Neue Deutschland ND-Mitarbeiter Harald Neuber.
ND: Herr Garza, in Honduras ist seit einigen Wochen eine neue Regierung unter Führung des konservativen Unternehmers Porfirio Lobo an der Macht. Hat sich die Lage im Vergleich zum diktatorischen Regime nach dem Militärputsch Ende Juni 2009 verbessert?
Garza: Nein, es hat leider keinen grundlegenden Wandel gegeben. Es gibt in Honduras nach wie vor Angriffe auf die Menschenrechte. Und es gibt, was uns große Sorgen macht, gezielte Attacken auf politische und soziale Akteure. Betroffen sind Gewerkschaftsvertreter, Frauenrechtsaktivistinnen und in einem zunehmenden Maße auch Journalisten. Gleiches gilt für Basisaktivisten der Demokratiebewegung in den Barrios und Wohnvierteln.
Dennoch scheint es positive Signale zu geben. Es soll, so ist aus Tegucigalpa zu hören, eine Wahrheitskommission eingesetzt werden, um die Verbrechen nach dem Putsch zu untersuchen.
Das stimmt, dennoch kann diese Ankündigung nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Wahrheitskommission mit denselben Leuten besetzt werden soll, die auch hinter dem Putsch standen. Diese Kommission erfüllt deswegen nicht die Bedingungen, die von der UNO in den übrigen Dutzenden vergleichbarer Gremien in der Vergangenheit gestellt wurden.
Wie ist es aktuell um die Menschenrechte in Honduras bestellt?
Die Organisation COFADEH hat in den ersten 30 Tagen der Lobo-Führung 259 Verletzungen der Menschenrechte gezählt ...
... wovon im Ausland wenig bekannt ist.
Porfirio Lobo Sosa versucht, das internationale Bild seiner Regierung zu verbessern. Das Problem ist, dass sich dieser Versuch im Land nicht positiv auf die Lage auswirkt. Seine Staatsführung, die im Grund eine Fortführung des Putschregimes ist, setzt alles daran, die andauernden Übergriffe, Misshandlungen und Morde zu vertuschen. Deswegen wissen nur sehr wenige Beobachter im Ausland, was in Honduras wirklich geschieht.
Ein nachvollziehbares Unterfangen von Porfirio Lobo, schließlich ist seine Regierung international nicht anerkannt.
Wie könnte das auch sein? Die Wahlen, aus denen er als Sieger hervorgegangen ist, waren alles andere als demokratisch. Vor allem im Land schafft das Probleme, denn die Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert ihn nicht. Er hat zwar versucht, dieser inneren Isolation mit einer Regierung der Einheit entgegenzuwirken, aber dieser Einheit gehören nur die verschiedenen Putschkräfte an. Diejenigen, die das Land von jeher beherrscht und die den Putsch durchgeführt haben, sind weiter am Ruder.
Was ist - unabhängig von der Wahrheitskommission - von den Versprechen zu halten, die in den vergangenen Monaten begangenen Verbrechen aufzuklären?
Ich gebe Ihnen zur Beantwortung dieser Frage ein Beispiel. Gegen die Militärs, die den Putsch gegen die Regierung von Manuel Zelaya durchgeführt haben, wurde von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Nach einem denkbar kurzen Prozess wurden sie dann von allen Punkten freigesprochen. Ebenso wird sich das mit der angeblichen Wahrheitskommission oder dem Versprechen verhalten, die Korruption unter dem Regime von Roberto Micheletti aufzuklären. Ich halte diese Versprechen für hochgradig unglaubwürdig.
Innerhalb der Europäischen Union spielt all das kaum eine Rolle. Vor allem die deutsche Bundesregierung drängt in Brüssel auf eine Anerkennung der Lobo-Regierung. Was halten Sie von dieser Politik?
Wichtig ist doch, dass die Europäische Union diese Führung bislang nicht offiziell anerkennt. Allerdings wurden Vertreter der honduranischen Führung zu den bevorstehenden Gesprächen über ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika eingeladen. Das könnte man als De-facto-Akzeptanz deuten. Im Zusammenhang mit den bilateralen Kontakten zur EU haben wir immer viel von den drei Säulen gehört: Politischer Dialog, Kooperation und Freihandel. Es scheint, dass der Freihandel überwiegt. Neben Deutschland drängt vor allem Spanien auf eine Anerkennung. Madrid nimmt diese Position vor allem aus wirtschaftlichen Gründen ein, denn spanische Unternehmen haben viele Interessen in Zentralamerika. Lobo wiederum braucht die Anerkennung für sein politisches Überleben, denn das Haushaltsdefizit steigt in Milliardenhöhe. Erst nach einer Anerkennung hätte er Zugriff auf neue Kredite verschiedener internationaler Entwicklungsbanken. Wir sehen hier also eine Verquickung politischer und wirtschaftlicher Interessen.
Welche Möglichkeit haben schließlich die sozialen Bewegungen, sich gegen diese Interessen durchzusetzen? Der Staatsstreich gegen Zelaya ging schließlich auf den Versuch dieser Bewegungen zurück, die Verfassung des Landes ihren Vorstellungen gemäß zu reformieren.
Im Moment haben die sozialen Bewegungen in Honduras nur sehr wenig Handlungsspielraum, weil sie in keiner Weise mit der Regierung zusammenarbeiten, die sie ja nicht anerkennen. Die Widerstandsfront, der Zusammenschluss der demokratischen Organisationen, drängt daher weiter auf die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung. Ziel ist es, wie schon im Juni 2009, soziale Rechte und Menschenrechte stärker in der Verfassung des Landes zu verankern.
* Aus: Neues Deutschland, 23. März 2010
Zurück zur Honduras-Seite
Zur Menschenrechts-Seite
Zurück zur Homepage