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Putsch mit Prüfsiegel

Honduras: Vom Regime eingesetzte Kommission legt Bericht über Staatsstreich vor

Von Benjamin Beutler *

Jetzt ist es amtlich. Die Absetzung von Honduras’ Präsident Manuel Zelaya vor zwei Jahren war ein Putsch, die Einsetzung von Roberto Micheletti als Interimspräsident durch den Nationalkongreß illegal. Zu diesem Schluß kam jetzt eine vom Regime selbst eingesetzte »Kommission für Wahrheit und Versöhnung« (CVR). Deren Koordinator, der frühere guatemaltekische Vizepräsident Eduardo Stein, übergab am Donnerstag (7. Juli) in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa seinen 1200 Seiten langen Abschlußbericht dem amtierenden Staatschef Porfirio Lobo. Wegen der »in seiner Eigenart sehr einzigartigen« Konfliktlage sei es für die Kommission zunächst »nicht leicht gewesen« klarzustellen, ob es sich tatsächlich um einen verfassungswidrigen Staatsstreich gehandelt habe, sagte Stein dabei.

Die »inakzeptable Ausweisung Zelayas«, der von Militärs im Schlafanzug gewaltsam nach Costa Rica deportiert worden war, sei ein klarer Beleg für die »erodierte Demokratie« in dem mittelamerikanischen Land, stellt der Bericht fest. Honduras verfüge über »ein politisch-institutionelles System, in dem Privilegien und die Ausübung teils willkürlicher Macht ein großes Gewicht haben«.

Weil Zelaya den Status quo seines Landes in Frage gestellt hatte, spricht der Bericht auch ihm eine »Mitverantwortung« für den Putsch zu. Als Beispiele dafür nennt das Papier den Beitritt des Landes zu dem von Venezuela geführten Erdölbündnis Petrocaribe und die »deutliche Anhebung des nationalen Mindestlohnes für Angestellte in Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor«.

Das Komitee der Familienangehörigen verschwundener Verhafteter (COFADEH) begrüßte in einer ersten Stellungnahme zwar, daß der Bericht den Putsch beim Namen nenne. Allerdings vermeide er es »feige«, dies genauso im Falle der Veranwortlichen zu tun. Außerdem sei die von der Kommission genannte Zahl von 20 Todesopfern des Putsches viel zu gering. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen seien auf deutlich höhere Zahlen gekommen.

Staatschef Lobo, der im November 2009 die unter Kontrolle der Putschisten durchgeführten Wahlen gewann, hatte die Kommission im Mai 2010 ins Leben gerufen. Rechtliche Grundlage für diesen Befriedungsversuch war Punkt sechs des »Abkommens von Tegucigalpa-San José« zwischen »Mel« Zelaya und der damaligen Micheletti-Junta

* Aus: junge Welt, 9. Juli 2011


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