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Mehr Protest als Party

Kampf gegen die Putschisten in Honduras überschattet Jubel über WM-Qualifikation

Von Harald Neuber *

Einen Abend verdrängte in Honduras der Fußball die Politik. Doch die Freude über die erste WMQualifikation seit 1982 wird durch den ungelösten politischen Konflikt und die Repression der Putschregierung getrübt.

Honduras im Wechselbad der Gefühle: Am Mittwoch vergaßen die Menschen in dem mittelamerikanischen Land für einen Moment die schwere Staatskrise und die tägliche Repression nach dem Staatsstreich am 28. Juni. Mit einem glücklichen Sieg über den regionalen Kontrahenten El Salvador sicherte sich die »Selección«, die Nationalmannschaft, das Ticket zur Fußball- Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Zehntausende jubelten in dem fußballbegeisterten Land auf den Straßen. Das Putschregime versuchte, die zweite WM-Qualifikation daher umgehend für sich zu nutzen. Machthaber Roberto Micheletti gab den Honduranern am Donnerstag zum Feiern frei.

Das kurzzeitige Stimmungshoch ändert nichts daran, dass Micheletti mit dem Rücken zur Wand steht. Seit vergangener Woche lässt der Putschistenchef drei Vertreter unter Aufsicht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit einer gleichstarken Delegation der gewählten Regierung verhandeln. Am Donnerstag dann lief ein Ultimatum von Präsident Manuel Zelaya aus. Trotz dieser Fristsetzung verlängerten dessen Unterhändler die Gespräche am Freitag: »Wir haben eine an Sicherheit grenzende Ahnung, dass eine Einigung bevorsteht«, sagte Zelayas Chefvertreter Víctor Mesa am Freitag. Die Hürde bleibt aber die Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten, der am 28. Juni von Militärs nach Costa Rica deportiert wurde. Seine Rückkehr ins höchste Staatsamt wird von allen OAS-Mitgliedstaaten -- auch der USA -- gefordert.

Die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich nahm am Donnerstag indes wieder die Proteste auf. Der Vertreter dieses zentralen Protestbündnisses, Juan Barahona, war kurz zuvor aus der präsidialen Verhandlungsdelegation ausgeschieden. »Don Juan hat sich von seiner Position zurückgezogen, weil er mit dem Verlauf der Verhandlungen nicht einverstanden war«, sagte die Europabeauftragte der »Frente«, Maria Fernanda Roca, gegenüber ND. Zum Konflikt war es gekommen, nachdem die Regierungsdelegation sich mit dem Verzicht auf die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung einverstanden erklärt hatte. In einem Kommuniqué bekräftigte die Führung des Protestbündnisses am Donnerstag ihre Loyalität gegenüber Zelaya. Unabhängig von den Verhandlungen würden die sozialen Organisationen aber die Forderung nach einer grundlegenden Staatsreform aufrechterhalten. Den Putschisten wirft die Widerstandsfront eine Verzögerungsstrategie vor. Machthaber Micheletti wolle anscheinend um jeden Preis bis zum regulären Wahltermin am 29. November durchhalten, heißt es in der Erklärung des Bündnisses. Scheiterten die Gespräche, werde man daher »eine Strategie der aktiven Nicht-Anerkennung« der Abstimmung verfolgen -- ein etwas umständlicher Euphemismus für einen Wahlboykott.

Vertreter sozialer Organisationen weisen zugleich auf die andauernde Gewalt hin. Entgegen internationaler Pressemeldungen ist der Ausnahmezustand weiter in Kraft. Zwar hat das Micheletti- Regime dessen Aussetzung bekannt- gegeben. Die Entscheidung wurde aber noch nicht im Gesetzblatt gedruckt. So schlagen Polizei und Militär wie gehabt auf Aktivisten der Demokratiebewegung ein, während nach außen der demokratische Schein gewahrt wird. So trickst sich die Diktatur von Tag zu Tag näher an die Wahlen heran, durch die sie ihre Macht zu legitimieren versucht.

Für Empörung sorgte deswegen auch ein Beschluss der Europäischen Kommission, Wahlbeobachter zu dem Urnengang zu entsenden. Ein entsprechender Entscheid wurde Vertretern der 27 Mitgliedstaaten nach Angaben der Nachrichtenagentur Prensa Latina am Freitag vergangener Woche mitgeteilt. »Die Europäische Kommission sollte zunächst die Entscheidung des laufenden Verhandlungsprozesses abwarten«, sagte im ND-Gespräch dazu der honduranische Botschafter in Berlin, Roberto Martínez Castañeda. Durch eine Entsendung von EU-Beobachtern würden die Wahlen nur legitimiert.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Oktober 2009


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