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"Ich hatte große Angst mich zu wehren"

Adalinda Gutiérrez über Machismo und Frauenrechte in Honduras


Adalinda Gutiérrez aus Honduras wagte einen mutigen Schritt: Sie klagte gegen ihren eigenen Ehemann, weil dieser sie jahrelang psychisch und körperlich misshandelte. Gerichtlich konnte sie erreichen, dass ihrem Mann 2007 Hausverbot erteilt wurde. Seitdem lebt sie allein mit ihren Kindern und kämpft für die Rechte der Frauen in ihrer Gemeinde und gegen das gesellschaftliche Schweigen. Über den Stand der Frauenrechte in Honduras sprach mit ihr für "neues deutschland" (nd) Anna Schulte.


nd: In Honduras nimmt Gewalt gegen Frauen zu. Mittlerweile geht man von einem Frauenmord pro Tag aus, wobei die Dunkelziffer noch höher liegen dürfte. Worin sehen Sie die Ursachen für die Gewalt gegen Frauen in ihrem Land?

Gutiérrez: Unser Land ist immer noch stark von Machismo und patriarchalen Strukturen geprägt. Der Mann hat das Sagen. Gesellschaftlich ist das so normal, dass viele Frauen es lange ertragen, misshandelt zu werden, weil die glauben, ihr Leben ist sonst zu Ende. Sie können sich oft nicht vorstellen, dass eine Frau auch ohne Ehemann leben kann, schämen sich und haben Angst vor dem Gerede der anderen. Weil viele Frauen obendrein finanziell komplett auf das Einkommen des Mannes angewiesen sind, ist es für die Männer leicht, ihre Frauen klein zu halten.

Sie selbst sprechen auch offen darüber, dass Sie lange große Angst vor einer Anklage hatten.

Ja, ich hatte sehr große Angst, auch vor einem Skandal. Ich habe zehn Jahre lang ertragen, dass mein Mann mich ständig gedemütigt hat. Ich wusste damals auch gar nichts über meine Rechte. Erst durch das Zentrum für Frauenrechte (CDM) habe ich etwas über die bestehenden Gesetze gelernt. Dort hat man mir geholfen, juristisch gegen meinen Mann vorzugehen.

Wie ist denn die Gesetzeslage bezüglich häuslicher Gewalt?

Seit 1997 gibt es das »Gesetzt gegen häusliche Gewalt«. Es differenziert unterschiedliche Formen der Gewalt - psychische, physische und Gewalt gegen die Eigentumsrechte der Frauen. Das Gesetz sieht dann entsprechend Strafen vor. In meiner Gemeinde La Marcala war mein Fall 2007 allerdings der erste, bei dem das auch wirklich angewandt wurde. Das zeigt, dass viele Frauen ihre Rechte gar nicht kennen. Zudem ist es häufig so, dass die Behörden sich auf die Seite der Täter stellen und die Frauen darin behindern, gegen den Mann vorzugehen statt sie zu schützen. Das macht die Situation zusätzlich schwer, denn Frauen und Angehörigen fürchten sich vor der Rache des Täters, wenn dieser nicht verurteilt wird.

Welche Strafe hat denn Ihr Mann bekommen?

Mein Mann hätte eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren bekommen können, aber das wollte ich nicht. Für mich war es das wichtigste, dass er Hausverbot bekommt. Außerdem musste er ein halbes Jahr lang jede Woche den öffentlichen Park fegen. Das ist für die Männer schlimm, denn alle sehen: Der, der dort fegt, hat seine Frau geschlagen. Dennoch: Die Gesetze sind nicht ausreichend und Frauenorganisationen fordern seit langem Verbesserungen.

Seit dem Putsch 2009 hat die Gewalt in Honduras extrem zugenommen. Ist von der aktuellen Regierung zu erwarten, dass sie den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen aktiv unterstützt?

Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Im Gegenteil: Seit 2009 ist die Gesellschaft allgemein gewalttätiger geworden und auch die Gewalt gegen Frauen hat massiv zugenommen. Immer mehr Frauen werden umgebracht. Das liegt auch daran, dass sich viele Frauen der Widerstandsbewegung gegen den Putsch angeschlossen haben. Frauen haben so mehr politisches Bewusstsein bekommen. Wenn Frauenihre Rechte besser kennen und eigenständiger werden, sehen die Männer das häufig als Bedrohung und reagieren mit Gewalt.

Wie gehen Männer in ihrer Gemeinde denn mit Frauen wie Ihnen um, die andere dazu ermutigen, sich zu wehren?

Wir gehen sehr vorsichtig vor. Wir versuchen Informationen weiterzugeben, aber mit Quellenschutz. Trotzdem ist es nicht immer ungefährlich. Neulich hat eine Frau ihren Mann anzeigt - und wir haben sie im Vorfeld darin unterstützt. Vor dem Richter hat die Frau dann alle Aussagen revidiert und uns namentlich beschuldigt, wir hätten sie zu dieser Anzeige gedrängt. Wir nehmen dieser Frau ihr Verhalten nicht übel. Ich vermute, sie hängt in ihrem inneren Trauma fest. Das ging mir ja selbst auch lange so. Aber als der Mann uns wegen Verleumdung anzeigte und uns drohte, sich zu rächen, da bekamen wir schon ein bisschen Angst. Aber heute kennen wir unsere Rechte: Wir haben ihm mit einer Gegenanzeige geantwortet.

Basta Ya! Kampagne "Frauenstimmen gegen Gewalt"

Das Frauenrechtszentrum CDM aus Tegucigalpa registrierte zwischen 2002 und 2010 mehr als 1500 Tötungsdelikte an Frauen. Jährlich werden es mehr. Inzwischen wird in Honduras somit durchschnittlich jeden Tag eine Frau umgebracht. Aufgrund der Tabuisierung von Gewalt gegen Frauen und des staatlichen Unwillens einer wirksamen Aufklärung und Verurteilung der Taten, ist die Dunkelziffer jedoch mit großer Sicherheit noch viel höher.

Statt die Frauen zu schützen, hat die De-facto-Regierung unter Roberto Micheletti im April 2009 das in Honduras herrschende totale Abtreibungsverbot noch verschärft. Seither ist sogar die Einnahme der »Pille danach« strafbar. Die aktuelle Regierung unter Porfirio Lobo hat bisher nichts unternommen, um die Rechte der Frauen zu stärken.

Mit der Kampagne »Frauenstimmen gegen Gewalt« macht die Christliche Initiative Romero in Europa auf die Situation von Frauen in Zentralamerika aufmerksam.

www.ci-romero.de/frauenstimmen_gegen_gewalt



* Aus: neues deutschland, 7. Februar 2012


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