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Verhandlungspoker in Costa Rica

Vermittler Arias legte Plan für Honduras vor / Demokratiebewegung beharrt auf Rückkehr von Präsident Zelaya und Verfassungsreform

Von Harald Neuber *

Drei Wochen nach dem Militärputsch in Honduras bleiben die Fronten verhärtet. Trotz der laufenden Gespräche zwischen Vertretern der gewählten Regierung von Präsident Manuel Zelaya und den Putschisten zeichnet sich auch nach der zweiten Verhandlungsrunde keine Lösung ab.

Am Freitag hatte Costa Ricas Präsident Oscar Arias als Vermittler einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt. Während sich die Delegation der Zelaya-Regierung zu Gesprächen darüber bereit zeigte, lehnten die Putschisten den Plan ab. »Wir werden über keinen einzigen Punkt verhandeln, der unsere Institutionen missachtet«, sagte eine der Verhandlungsführerinnen der Machthaber, Vilma Morales, nach Informationen des Fernsehsenders Telesur.

Die Putschisten beharren weiterhin auf ihrem Standpunkt, mit dem Staatsstreich die Verfassung geschützt zu haben. Ein Militärkommando hatte Präsident Zelaya am 28. Juni verschleppt und nach Costa Rica deportiert, weil er an diesem Tag eine nicht bindende Volksbefragung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung durchführen lassen wollte. Eine solche Verfassungsreform wird vehement von sozialen Bewegungen gefordert. Sie wollen mehr demokratische Mitbestimmung und soziale Rechte im Grundgesetz verankern. Auch deswegen fielen die Reaktionen zu dem Sieben-Punkte-Plan von Arias am Sonntag kritisch aus.

Sprecher der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich, dem zentralen Protestbündnis sozialer und politischer Organisationen, bestehen weiterhin auf drei Punkten: die Rückkehr von Präsident Zelaya, die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung und die strafrechtliche Verfolgung der Putschisten. Seit dem Staatsstreich sind mehrere Mitglieder der Demokratiebewegung und oppositionelle Politiker ermordet worden. Auch Vertreter der Regierungsdelegation meldeten in Bezug auf diese Punkte Gesprächsbedarf an. Über die Rückkehr des gewählten Präsidenten werde man nicht verhandeln, sagte Zelayas Delegationsleiter und Präsidialminister, Enrique Flores.

Sprecher der Demokratiebewegung hatten in den vergangenen Tagen offenbar gezielt Gerüchte über eine Rückkehr des Präsidenten gestreut, um die Putschisten zu verunsichern. Eine Rückkehr stehe »unmittelbar bevor«, sagte noch am Sonntag die Ehefrau Zelayas, Xiomara Castro. Demnach könnte Zelaya auf dem Landweg einreisen, um einen provisorischen Regierungssitz zu beziehen. Ein erster Rückkehrversuch war am 6. Juli gescheitert. Als neuer Rückreisetermin wurde von Vertretern der Regierungsdelegation der 24. Juli genannt. Die Putschisten müssten den Weg für eine Wiedereinsetzung des Präsidenten freimachen. Stellten sie sich weiterhin stur, würden »neue Aktionsformen« gewählt, so Zelaya. Mitglieder der Widerstandsfront trafen sich am Sonntag in einer Gewerkschaftszentrale in Tegucigalpa, um das Vorgehen in der vierten Woche nach dem Putsch zu beraten.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Juli 2009


Poker in San José

Honduras: Zelaya hat Arias’ Vorschläge angenommen, Putschisten zögern noch

Von André Scheer **

Während in Honduras die Anspannung stieg und die Putschisten in Erwartung einer unmittelbaren Rückkehr des am 28. Juni gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya die Ausgangssperre ausdehnten, zeichneten sich am Wochenende Fortschritte bei den von Costa Ricas Präsident Oscar Arias geleiteten Gesprächen zwischen Vertretern der rechtmäßigen Regierung und der Putschisten ab. Zelaya erklärte gegenüber internationalen Medien bereits seine Bereitschaft, den von Arias vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog umzusetzen. Dagegen erbaten sich die Vertreter des von den Putschisten eingesetzten »Übergangspräsidenten« Roberto Micheletti Bedenkzeit. Daraufhin wurden die Gespräche ausgesetzt; sie sollten am Sonntag abend (nach jW-Redaktionsschluß) fortgesetzt werden.

Die wichtigsten Bestandteile des Vorschlags von Arias beinhalten die Rückkehr Zelayas nach Honduras und seine Wiedereinsetzung als Präsident des Landes. Als Datum dafür ist offenbar der kommende Freitag vorgesehen. Unter seiner Leitung soll dann eine »Regierung der Einheit und der nationalen Versöhnung« gebildet werden, der Vertreter der wichtigsten Parteien angehören sollen. Ob damit auch konkret Personen gemeint sind, die direkt in den Staatsstreich verwickelt waren, läßt das Papier offen. Im Zusammenhang mit dem Putsch soll es eine Generalamnestie geben, während Präsident Zelaya und seine Regierung offiziell darauf verzichten sollen, bei den bevorstehenden Wahlen auch über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung abstimmen zu lassen. Die ursprünglich für den 29. November vorgesehenen Wahlen des neuen Präsidenten, der Parlamentsabgeordneten und der Bürgermeister sollen um einen Monat auf den letzten Sonntag im Oktober vorgezogen werden. Einen Monat vor der Wahl soll außerdem die Regierung den Oberbefehl über die Streitkräfte an den Wahlgerichtshof abgeben, um »die Transparenz und Normalität der Abstimmung zu garantieren«, wie es in dem Vorschlag des costaricanischen Präsidenten heißt.

Als Vertreterin Zelayas bei den Gesprächen erklärte Rixi Moncada, daß sie diese Vorschläge angenommen hätten und dankte Arias für seinen guten Willen und seine Bemühungen als Vermittler. Anschließend reiste die Regierungsdelegation nach Managua, um dort mit Zelaya selbst das weitere Vorgehen zu besprechen. Dieser hatte zuvor ebenfalls die Annahme der Vorschläge Arias’ bestätigt, solange alle öffentlichen Gewalten in die Regierung der Einheit einbezogen würden. Seine Rückkehr wolle er jedoch nicht von einer Einigung in San José abhängig machen, sie sei nur noch eine Frage von Stunden und könne noch am Montag erfolgen. Michelettis Vertreter bei den Gesprächen in Costa Rica, Carlos López, betonte hingegen, es sei noch keine Einigung erzielt worden. Man werde die Vorschläge des costaricanischen Präsidenten jedoch eingehend prüfen und hoffe, daß Arias der Welt am Sonntag »gute Nachrichten« verkünden könne.

Die Widerstandsbewegung in Honduras selbst bezweifelt, ob es sich wirklich um »gute« Nachrichten handele. Insbesondere die vorgeschlagene Generalamnestie sowohl für die Putschisten als auch für ihre Gegner stößt auf Ablehnung. Gegenüber der kubanischen Agentur Prensa Latina sagte César Silva von der Nationalen Front gegen den Staatsstreich, es sei »unmöglich, den Volkswillen mit einem Militärputsch und mit denen gleichzustellen, die unsere Verfassung besudelt und Menschen aus dem Volk verletzt und ermordet haben«. Für die Widerstandsbewegung seien sowohl die Rückkehr Zelayas in das Präsidentenamt als auch die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung nicht verhandelbar, so Silva weiter.

** Aus: junge Welt, 20. Juli 2009

Zelaya: Putschisten müssen bestraft werden ***

Der gestürzte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya hat am 19. Juli signalisiert, den Versöhnungsplan des costaricanischen Präsidenten Óscar Arias in wesentlichen Punkten nicht zu akzeptieren.

Im Telefon-Interview mit der Deutschen Welle sagte er am 19. Juli nach dem Scheitern der zweiten Vermittlungsgespräche, er sei weiterhin offen für einen Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft. Der Arias-Plan sieht unter anderen die Bildung einer Regierung der nationalen Versöhnung vor, in der alle Kräfte des Staates vertreten sein müssten.

«Allerdings nicht um jeden Preis: Wir werden weder unsere Werte noch unsere Prinzipien verletzen», sagte Zelaya. «Wir werden den Putschisten keine Zugeständnisse machen. Die Putschisten müssen bestraft werden, damit der ganzen Welt klar wird, dass so etwas nicht wieder passieren darf. Niemand kann uns das Recht nehmen, in unsere Heimat zu unseren Familien zurückzukehren.»

*** Quelle: dpa, 20. Juli 2009




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