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"Jede Billigbanane zahlen wir"

Gewerkschafterin Gloria Garcia aus Honduras wirbt in Deutschland für fair produzierte Früchte *


Gloria Garcia ist Sekretärin für Umwelt- und Gesundheitsschutz beim Gewerkschaftsbund COSIBAH.

ND: In Honduras hat es in letzter Zeit Änderungen in der Arbeitsgesetzgebung gegeben. Wie bewerten Sie diese?

Garcia: Seit einigen Monaten gibt es ein Gesetz, dass das stundenweise arbeiten legalisiert. Diese Arbeiter haben keine Rechte mehr, arbeiten wie Tagelöhner ohne jeden Anspruch auf soziale Sicherheit oder Hilfe. Die Arbeitgeber haben vortreffliche Bedingungen, um sich jeder sozialen Verantwortung zu entziehen.

Warum haben die Parlamentarier das Gesetz denn verabschiedet?

Es heißt, dieses Gesetz soll Arbeitsplätze schaffen. In der Realität sorgt es für Druck auf bestehende Verhältnisse. Dahinter steht das Interesse, Kosten zu reduzieren, Tarifverträge zu unterminieren. Allerdings sind die herrschenden Politiker nicht gut auf die Gewerkschaften zu sprechen, denn sie waren eine treibende Kraft gegen den Staatsputsch von Juni 2009.

In Honduras ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad alles andere als hoch – soll er weiter sinken?

Ich denke, das ist ein Ziel des Gesetzes. Derzeit sind rund acht Prozent der Arbeiter organisiert, diese Quote könnte sinken und die Gewerkschaften an Einfluss verlieren. Der Druck auf die Arbeitnehmer steigt. Es gibt erste Entlassungen und anschließende Neuanstellungen zu den neuen Stundentarifen. Neue Arbeitsplätze sind, soweit ich weiß, eben nicht entstanden.

Was ist der Grund Ihres Besuchs in Deutschland? Ich bin hier, um auf die Arbeitsbedingungen in meinem Land aufmerksam zu machen und für die Kampagne »Make Fruit Fair!« zu werben, die uns auf den Feldern direkt zugute kommt. Es geht um die Förderung fairer und nachhaltiger Strukturen in Anbau und Einkauf. Da sind auch die Supermärkte hier gefragt, denn jede Billigananas, jede Billigbanane zahlen wir über sinkende Löhne, höhere Arbeitsbelastung und schlechteren Arbeitsschutz.

Wie ist die Situation auf den Bananen-, Melonen und Ananasplantagen in Honduras?

Wo es eine Gewerkschaft gibt, sind die Arbeits- und Lohnbedingungen stabil. Aber wir sind längst nicht auf allen Plantagen präsent und es gibt immer wieder Verletzungen von Arbeits-, Organisations-, Arbeitsschutzbestimmungen.

Gibt es denn die Freiheit, sich zu organisieren?

In Anführungszeichen ja, aber immer wieder werden gewerkschaftlich organisierte Arbeiter entlassen. Es kursieren schwarze Listen. Zudem braucht man dreißig Angestellte, um eine Betriebsgewerkschaft aufzubauen. Die Arbeitgeber entlassen Aktivisten, um diese Zahl zu unterlaufen.

Einer der Multis, Chiquita, hat in den letzten Jahren viel Eigenwerbung mit der Kooperation mit der »Rainforest Alliance« gemacht – sind die Arbeitsbedingungen bei Chiquita besser als woanders?

Nein. Das Unternehmen kommt einmal im Jahr, und dann ist alles perfekt vorbereitet. Es werden de facto Plantagen zertifiziert, wo Arbeitsrechte verletzt werden, wo Arbeiter aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit entlassen wurden. Die Leute sind eingeschüchtert, oft wird mit Schließung der Farm oder Entlassung gedroht.

Wie steht es um den Pestizideinsatz?

Die Unternehmen tun sich schwer, den Einsatz von Pestiziden zurückzufahren. Die Angst, dass die Erträge zurückgehen könnten, ist groß. Das betrifft sowohl Chiquita als auch Dole. Bei Dole ist die Informationslage aber schlechter, weil es kaum Gewerkschaften gibt. Generell sind die Umstellung und der punktuelle Einsatz von biologischen Mitteln den Unternehmen zu teuer. Sie nehmen es in Kauf, dass viele Arbeiter mit Pilzerkrankungen kämpfen, mit Hautproblemen und Übelkeit. Das kann nur durch den Druck der Konsumenten geändert werden.

Fragen: Knut Henkel



* Aus: Neues Deutschland, 20. Mai 2011


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