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Eine Broschüre beleuchtet den beschleunigten Ausverkauf von Honduras nach dem Putsch gegen Zelaya

Von Tobias Lambert *

Honduras befindet sich seit dem Putsch 2009 in rasantem Ausverkauf. Eine neu erschienene Broschüre beleuchtet den repressiven Neoliberalismus und den Widerstand dagegen.

Honduras wird förmlich verscherbelt. An sich ist es zwar nichts Neues, dass in dem mittelamerikanischen Land wenige Leute mit den Lebensgrundlagen aller Profit machen. Doch seit dem Putsch im Juni 2009 wird der Ausverkauf des Landes seitens der Politik in rasantem Tempo vorangetrieben. Damals brachten die lokalen Eliten mit Hilfe des honduranischen Militärs und politischer Rückendeckung der USA den demokratisch gewählten Präsidenten Manuel Zelaya außer Landes. Dieser hatte zuvor mit zaghaften Reformen begonnen und sich zunehmend an den Bedürfnissen der politisch ausgegrenzten Bevölkerungsmehrheit orientiert. Nach dem Putsch machten die neuen Machthaber nicht nur alles rückgängig, was unter Zelaya angestoßen wurde. Die Regierungen von Putschpräsident Roberto Micheletti und dem anschließend unter fragwürdigen Umständen gewählten Porfirio Lobo bauten sowohl den Neoliberalismus als auch die Repression massiv aus. Denn wer sich gegen die Mächtigen in Honduras stellt, lebt gefährlich. Zahlreiche Aktivisten wurden in den letzten Jahren getötet und bedroht, die Straflosigkeit ist nahezu absolut. Doch die breite Widerstandsbewegung, die sich nach dem Putsch formiert hat, macht weiter mobil.

Die von Jutta Blume und Kirstin Büttner herausgegebene Broschüre »Honduras. Stimmen gegen den Ausverkauf des Landes«, stellt die widerständige Bevölkerung in den Mittelpunkt. Die Publikation basiert überwiegend auf einer Reise, die die Hondurasdelegation im vergangenen Jahr durchführte. Mehrere Menschenrechtsaktivisten und Journalisten aus Deutschland und Österreich hatten dabei zwei Monate lang in kommunitären Radiostationen der indigenen Organisationen COPINH und OFRANEH mitgearbeitet. Die prekäre Menschenrechtssituation, expansiver Bergbau, gewaltsame Landkonflikte und Staudammprojekte stehen exemplarisch für das neoliberale Honduras. Die Freiheiten der Unternehmen werden immer kreativer ausgebaut, manche Ideen wirken auf den ersten Blick wie karikaturenhafte Zuspitzungen neoliberaler Ideologie. Der zurzeit kühnste Plan besteht darin, in Honduras so genannte »Modellstädte« (Charter Cities) zu errichten. In diesen Sonderwirtschaftszonen sollen komplett eigene Gesetze gelten, sie wären weder rechtlich noch politisch an den honduranischen Staat gebunden, erläutert der Menschenrechtsverteidiger Jari Dixon Herrera. Widerstand regt sich überall, wie zahlreiche Interviews mit honduranischen Aktivisten und Journalisten zeigen: Alternative Medien, indigene Bewegungen, Feministinnen und die LGBTI-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersex) – die Widerstandsbewegung in Honduras ist vielfältig.

Die Frage, ob man sich an den Wahlen im November beteiligen soll oder nicht, sorgt innerhalb der Bewegung jedoch für Kontroversen. Die neu gegründete Partei LIBRE präsentiert sich als neue linke Alternative zum verkrusteten Zwei-Parteien-System aus Liberalen und Nationalen. Als Präsidentschaftskandidatin tritt mit Xiomara Castro de Zelaya die Ehefrau des 2009 gestürzten Präsidenten an. Abgerundet wird die überaus gelungene Broschüre durch zahlreiche Fotos.

Jutta Blume, Kirstin Büttner [Hrsg.]: Honduras: Stimmen gegen den Ausverkauf des Landes, Berlin 2013, 89 Seiten, 5 Euro Schutzgebühr, Bezug über http://hondurasdelegation.blogspot.de/

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 10. September 2013


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