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Putschisten wollen dranbleiben

Honduras: Micheletti will "Regierung der nationalen Einheit" kontrollieren

Von André Scheer *

In Tegucigalpa schlägt die Stimmung um. Nach der Euphorie vom vergangenen Wochenende, als die Menschen in Honduras überschwenglich das erreichte Abkommen zwischen den Putschisten und den Vertretern der rechtmäßigen Regierung bejubelt hatten, macht sich nun Ernüchterung breit. Die Putschisten denken ganz offensichtlich nicht daran, die Macht abzugeben. Wie am Mittwoch (4. Nov.) bekannt wurde, hat der »Übergangspräsident« des Regimes, Roberto Micheletti, einen Brief an den gestürzten Staatschef Manuel Zelaya geschrieben und diesen aufgefordert, Namen für die laut dem Abkommen bis zum heutigen Donnerstag (5. Nov.) zu bildende Übergangsregierung zu nennen. Ganz offensichtlich hat Micheletti vor, selbst dieser Regierung vorzustehen, denn in dem Schreiben kündigt er an, aus den zehn von Zelaya zu benennenden Personen »die Diener der Öffentlichkeit auszuwählen, die ab dem 6. November der Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung angehören« sollen.

Zelaya selbst rief die internationale Gemeinschaft zu erhöhter Wachsamkeit angesichts der neuen Manöver des Regimes auf. »Das Amt des Präsidenten der Republik, den das honduranische Volk verfassungsgemäß für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt hat, steht nicht zur Diskussion,« heißt es in einer am Dienstag (3. Nov.) verbreiteten Erklärung. Jede Interpretation des Abkommens außerhalb dieses Kontextes sei inakzeptabel und würde einen erneuten Affront gegen das honduranische Volk und die internationale Gemeinschaft bedeuten.

Zelaya kritisierte außerdem die Haltung der US-Administration. Diese verletze das von ihrem Vertreter Thomas Shannon ausgehandelte Abkommen, wenn sie die für den 29. November vorgesehenen Wahlen anerkenne, ohne daß die Herrschaft der Putschisten überwunden ist. US-Außenministerin Hillary Clinton sei aufgefordert, »dem honduranischen Volk zu erklären, ob sich die Haltung ihres Landes geändert« habe, so Zelaya.

Die zur Überprüfung der Einhaltung des Abkommens gebildete Kommission hat unterdessen am Dienstag ihre Arbeit aufgenommen. Koordiniert wird die Arbeit der Gruppe durch den früheren chilenischen Präsidenten Ricardo Lagos. Außerdem gehören ihr US-Arbeitsministerin Hilda Solis, Jorge Arturo Reina als Repräsentant Zelayas sowie Arturo Corrales als Vertreter Michelettis an.

* Aus: junge Welt, 5. November 2009


EU strebt Normalisierung der Beziehungen zu Honduras an

Lösung der Krise steht aus. Die Europäische Union erwägt dennoch Entsendung von Beobachtern für Präsidentschaftswahlen unter Putschregime

Von Harald Neuber **


Brüssel/Tegucigalpa. Entgegen der in Honduras getroffenen Vereinbarungen mit der gewählten Regierung zögern die Putschisten eine Lösung der schweren Staatskrise, unter der das mittelamerikanische Land seit dem Umsturz am 28. Juni leitet, weiterhin hinaus. Der von Machthaber Roberto Micheletti kontrollierte Nationalkongress hat am Mittwoch entschieden, eine Rückkehr von Präsident Manuel Zelaya in das höchste Staatsamt weiter aufzuschieben. Zunächst müssten weitere am Umsturz beteiligte Institutionen konsultiert werden, zitiert die italienische Nachrichtenagentur ANSA Vertreter der Legislative.

Führende Akteure der Demokratiebewegung hatten den Machthabern seit der Unterzeichnung des Abkommens am 30. Oktober wiederholt vorgeworfen, eine Lösung zu verschleppen. "Unser Eindruck ist, dass die Putschisten die Präsidentschaftswahlen auf jeden Fall unter ihrer Kontrolle durchführen wollen", sagte Maria Fernanda Roca, die Europasprecherin der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich im Gespräch mit Telepolis. Dem Abkommen zufolge sollte eine Einheitsregierung bis zum morgigen Donnerstag gebildet werden.

Mitgliedsstaaten der Europäischen Union drängen indes auf eine schnelle Normalisierung der Beziehungen. Auch wenn das jüngste Abkommen noch nicht umgesetzt wurde, dient es in Brüssel bereits als Argument, die Wahlen am 29. November in Honduras offiziell zu begleiten. Eine europäische Wahlbeobachtungsmission ist umstritten, weil sie die Abstimmung unter dem Putschregime legitimieren könnte.

Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Berlin haben die teilnehmenden Länderdelegationen bei der jüngsten Sitzung der EU-Ratsarbeitsgruppe Lateinamerika (COLAT) am Dienstag dieser Woche dennoch auf die Entsendung von EU-Beobachtern gedrängt. Eine solche Präsenz sei neben Vertretern der Organisation Amerikanischer Staaten und des US-amerikanischen Carter-Zentrums wichtig, gab ein beteiligter spanischer Diplomat die Debatte gegenüber Telepolis wieder. Auch der US-Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, soll nach Angaben der EU-Präsidentschaft auf eine solche Entsendung gedrängt haben. Die Forderung nach der Entsendung von Wahlbeobachtern wurde im Rahmen der COLAT-Beratungen auch von Deutschland unterstützt.

Gegenüber der mexikanischen Nachrichtenagentur Notimex hatte der Zentralamerika-Beauftragte der EU, Petro Mavromichalis, eine solche Beobachtermission vor rund zwei Wochen zwar noch ausgeschlossen. Der griechische EU-Funktionär stützte sich dabei offenbar aber auf technische Gründe. Nach Angaben aus Brüssel ist die Frist für die Entsendung einer vollwertigen Wahlbeobachtungsmission Mitte September abgelaufen. Die EU plant daher bislang nur zwei bis drei Personen im Rahmen einer "technischen Delegation" entsenden. Als Reaktion auf die Forderungen der Mitgliedsstaaten stellte sie am Dienstag aber eine Ausweitung der Gruppe in Aussicht. Auch sei eine "finanzielle Unterstützung von nationalen Institutionen" möglich, sagte der spanische EU-Diplomat, nach dessen Angaben bei der Sitzung zudem die volle Wiederaufnahme der EU-Freihandelsgespräche mit allen zentralamerikanischen Staaten bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt wurde.

Den Originaltext finden Sie auf der Seite des Onlinemagazins Telepolis (externer Link)

** Aus: Portal Amerika21.de, 5. November 2009; www.amerika21.de


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